Kelheim
Das Vertrauen ist weg

Falsche Vertreter des Jugendamts in Kelheim und Ingolstadt unterwegs: Schock wirkt nach

24.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Kelheim/Ingolstadt (DK) Wer ist die dreiste Frau, die sich im Kreis Kelheim als Jugendamtsmitarbeiterin ausgab und ein Kleinkind belästigte? Gut eine Woche ist vergangen, seitdem die falsche Behördenvertreterin ein Mädchen völlig nackt auszog und inspizierte, aber noch immer gibt es keine heiße Spur. „Wir sind weiter auf Hinweise angewiesen“, sagte gestern Erich Banczyk, Chef der Kelheimer Polizei.

Am Freitag hatte es zwar einen ersten Verdacht gegeben. „Aber das war eine sehr vage Geschichte, die sich inzwischen zerschlagen hat.“ Die Fahndung dauert an.

Der mysteriöse Vorfall hatte sich in Kelheimwinzer, einem Ortsteil der Kreisstadt, zugetragen. Die Eltern zeigten sich zunächst arglos, als die Unbekannte vor acht Tagen erschien und sich als „Frau Jung“ vom Jugendamt vorstellte. Sie zeigte einen Ausweis vor und tat sehr professionell. Es gehe um Missbrauchsvorwürfe, sie müsse sich die Tochter ansehen, erklärte die „Behördenvertreterin“. Sie zog das Kleinkind aus und inspizierte es eingehend. Vater und Mutter des Mädchens wurden stutzig und fragten später im Jugendamt nach. So erfuhren sie, dass sie einer Hochstaplerin aufgesessen waren.

Wo liegt das Motiv der 35 bis 40 Jahre alten Frau? Ein sexueller Hintergrund lässt sich nicht erkennen, die Unbekannte hatte das Kind weder angefasst und auch keine Fotos gemacht. Der Schock und die Verunsicherung im Umfeld des Mädchens sind groß. Das weiß auch die Polizei. „Wir setzen alles daran, die Sache schnell zu klären“, verspricht der Kelheimer Inspektionsleiter.

Wie lange ein solches Erlebnis nachwirken kann, zeigt sich in einem nahezu identischen Fall, der sich fast auf den Tag genau vor einem Jahr in Ingolstadt ereignete. Wie berichtet, waren ein Mann und eine Frau bei einer Familie im Norden der Donaustadt aufgetaucht, hatten sich als „Frau Schneider“ und „Herr Biermann“ vom Jugendamt vorgestellt und gezielt nach dem Sohn gefragt, dessen Namen sie wussten. Auch sie zogen ihr Opfer nackt aus. „Wir machen uns bis heute viele Gedanken“, sagte gestern die Mutter des behinderten Buben.

Die 35-Jährige macht sich nicht nur Vorwürfe, weil sie damals nicht den Ausweis der angeblichen Behördenvertreter verlangte. „Man ist danach irgendwie gebrandmarkt. Ich habe immer noch Angst, dass sie eines Tages wiederkommen.“ Das Ehepaar hat deshalb ein zusätzliches Licht am Haus installiert. „So kann ich am Abend wenigstens sehen, wer draußen steht“, erklärte die Mutter. Sie sei sehr vorsichtig und misstrauisch geworden. „Deshalb lasse ich meine fünfjährige Tochter nicht mehr ohne Aufsicht raus. Anfangs haben wir uns überlegt, einen Zaun zu machen, unser Vermieter wäre einverstanden gewesen. Das war dann aber zu teuer für uns, weil wir für die Kosten selber aufkommen müssten.“

Polizei und Staatsanwaltschaft hatten lange ermittelt, zumal die Hochstapler eine Woche danach erneut bei einer Familie aufgetaucht, dabei aber abgeblitzt waren. Dort wollten sie eine Vierjährige „untersuchen“. Wer dahintersteckt, bleibt weiter offen. „Das Verfahren musste eingestellt werden“, sagt Ingolstadts Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walter.