Das unwürdige Leben unzähliger Kuhmütter

31.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:02 Uhr

Zum Artikel "Bauer wegen Tierquälerei angezeigt" (PK vom 25. /26. Mai:

Werter Landwirt!

Bevor in der Tageszeitung über die Vorkommnisse auf Ihrem Hof berichtet wurde, habe ich bereits im Internet die Filmaufnahmen gesehen. Als ich das Video sah, in dem gezeigt wird, wie Sie auf die Kuh einschlagen, schlug mir das Herz bis zum Halse. Aus Fassungslosigkeit, aus Betroffenheit, aus Hilflosigkeit, aus Verzweiflung und aus Schamgefühl für die Spezies Mensch. Wenn Ihre Kuh das Bein nicht belasten mochte, so könnte man davon ausgehen, dass sie Schmerzen litt. Und trotzdem schlugen Sie zu. Wo war ihr Mitgefühl, als sie zusammenbrach. Wenn Sie behaupten, Sie behandeln ihre Tiere gut, dann gehören Schläge nicht dazu. Es war mehr als ein Schlag. Ihre Kuh litt offensichtlich unter Schmerzen. Es ist so beschämend und unerträglich, es anzusehen. Eigentlich müssten Sie ihr doch dankbar sein. Dankbar dafür, dass sie und all ihre Schwestern geduldig ihr Los ertragen, eine Milchkuh zu sein, im Stall zu stehen und ihre Milch an die Menschen abzugeben, die ja eigentlich für ihr Kalb bestimmt wäre. Auf einem Vorzeigehof sollten solche schrecklichen Dinge nicht geschehen. Bitte, behandeln Sie ihre Tiere in Zukunft mit Anstand und Respekt.

Liebe Kuh Renate!

Was dir widerfahren ist, tut mir unendlich leid. Als ich mir ansehen musste, wie auf deinen Körper und deinen Kopf eingeschlagen wurde, schlug mir das Herz bis zum Halse. Was hast du für Schmerzen ertragen müssen. Man hat dir sogar die Augen abgedeckt. Der Mensch hat sicher dafür seine Gründe, aber vielleicht hat er auch nur einfach Angst davor, in deinen sanften Augen ein fühlendes Wesen zu sehen. Vielleicht hat er auch Angst, dass du ihn mit deinem Blick anklagst, ihm deutlich machst, dass er selbst der Schwächere ist. Du bist so groß und stark. Du könntest dich wehren, aber du tust es nicht. Du erträgst dein Los geduldig, und das ist sicher der Grund, warum man dich hemmungslos ausbeutet. Ich danke dem mutigen Aktivisten, der dein Leid gefilmt hat. Damit erfahren sehr viele Menschen davon und glaub mir, dadurch erkennen immer mehr, dass es falsch ist, was dir widerfahren ist. Deshalb entstehen auch immer mehr Lebenshöfe. Das sind Höfe, auf denen viele deiner Schwestern und Brüder in Freiheit und ohne Ausbeutung leben können. Auch du hast ein besseres Leben verdient.

Liebe LeserInnen!

Wenn Sie wieder mal einen Joghurt oder ein leckeres Brot mit Butter und Käse genießen, dann denken Sie daran, dass irgendwo da draußen in den Ställen unzählige Kuhmütter ein unwürdiges Leben führen müssen. Viele können nie die Sonne auf ihrer Haut spüren. Statt auf einer Weide stehen sie ein Leben lang im Stall. Leider oft noch in Anbindehaltung. Wenn Sie wieder mal ihre Speisen mit Schmand oder Sahne verfeinern, dann denken Sie daran, dass irgendwo da draußen in den Ställen einer Mutter ihr Kind weggenommen wird. Egal, ob Bio oder nicht, das ist überall gleich. Nach neun Monaten Schwangerschaft, wie bei uns Menschen auch, bekommt sie ihr Kalb. Aber die Zweisamkeit zwischen Mutter und Kind ist nur von kurzer Dauer. Sie wird jäh von Menschenhand zerstört. Die Trauer begleitet diese Tiere oft ein Leben lang, denn es geschieht immer wieder. Sie müssen, um regelmäßig Milch geben zu können, immer wieder ein Kalb gebären.

Wenn Sie wieder mal im Sommer einen Eisbecher schlemmen, dann denken Sie auch mal daran, was mit den neugeborenen Kälbern geschieht. Ein Bullenkälbchen ist quasi wertlos. Und für die Mutter braucht man lediglich ein weibliches Kalb als Ersatz, wenn sie ausgedient hat. Statt wie andere Tierkinder neugierig ihre Welt zu erkunden und bei ihrer Mutter heranzuwachsen, erwartet sie meist ein grausames Schicksal. Nach einer kurzen Mast werden sie oft noch im Kindesalter geschlachtet, oder sie werden gar in Viehtransportern tagelang durch halb Europa gekarrt, was nur die stärksten überleben.

Also nur Mut, probieren Sie mal Hafer- oder Dinkelmilch. Getreide wächst oft regional und ohne Tierleid. Außerdem hat es einen wesentlich geringeren CO2-Ausstoß. Die Tiere, die Umwelt und das Klima sind dankbar.

Manuela Hertel

Reichertshofen