Pfaffenhofen
Sozialkassen um 332 000 Euro betrogen

Haft auf Bewährung: Unternehmer beschäftigt Arbeiter als Scheinselbstständige

31.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:02 Uhr

Pfaffenhofen/Geisenfeld (GZ) Um satte 332 000 Euro hat der Industriekaufmann Werner B. (Name geändert) die Sozialsysteme betrogen. Der 62-Jährige hat zwei Jahre lang zwölf polnische Arbeiter als Scheinselbstständige beschäftigt und keine Sozialabgaben für sie abgeführt. Sein Unternehmen mit Sitz in Geisenfeld hatte auf Dächern im Landkreis Photovoltaik- und Solaranlagen installiert. Jetzt ist ihm das Amtsgericht aufs Dach gestiegen.

Werner B. wird von zwei Uniformierten in den Sitzungssaal geführt. Seit Anfang März sitzt der 62-Jährige in Aichach in Untersuchungshaft. Die Kripo hatte ihn in Ungarn aufgespürt. Nein, sagt er, er habe sich nicht der Justiz entziehen wollen, er habe dort eine ganz normale Adresse gehabt. Warum er nach Ungarn verschwunden ist, als der Betrug aufflog und sein Kompagnon verhaftet wurde, bleibt offen. Präzise ist dagegen seine Vorstellung, wie dieser Prozess ausgehen soll: mit einer Bewährungsstrafe. Und deshalb wolle er jetzt ein vollständiges Geständnis ablegen. Amtsrichter Ulrich Klose unterbricht ihn: "Ein Geständnis unter Bedingungen gibt's nicht!"

Ein glasklares Geständnis ist es denn auch nicht, was Werner B. abliefert. Vielmehr eine Erklärung mit Schuldzuweisungen an Dritte, warum das alles so gelaufen ist. Nämlich so: Vor rund zehn Jahren, im Zuge der Energiewende, witterte Werner B. - völlig zu Recht - das große Geschäft mit der Sonnenenergie. Dank staatlicher Subventionen konnte man sich damals quasi für null Euro eine Photovoltaikanlage aufs Dach setzen lassen. Im Sommer 2009, erklärte der Angeklagte, "ging's steil nach oben". Er hatte mit einem Zimmerer eine GmbH für die Installation von Solaranlagen gegründet, er selbst sei für Vertrieb und Kundenwerbung zuständig gewesen. Was fehlte, waren Arbeiter. Die warb man an Baustellen in der Umgebung ab. Nach der Behauptung von Werner B. "alles Selbstständige", für die er deshalb auch keine Sozialabgaben entrichten muss. Subunternehmer seien das gewesen.

Kann gar nicht sein, sagt hingegen eine Ermittlerin vom Hauptzollamt als Zeugin aus. Die meisten der polnischen Arbeiter sprechen überhaupt kein Deutsch, um hier selbstständig arbeiten zu können. Viele hätten noch nicht einmal eigenes Werkzeug besessen, geschweige denn Maschinen. Und dann gibt es auch keine Firmen-, sondern nur polnische Privatadressen. Die Arbeiter, allesamt fachfremd, hätten auch nicht selbstständig Rechnungen ausgestellt wie ein Subunternehmer, sondern Formulare, in denen sie akribisch Arbeitszeiten zu festen Stundenlöhnen aufführen mussten.

"Da sind Sie doch nicht einfach so reingeschlittert", fragt Amtsrichter Klose nach. "Sie hatten doch Erfahrung." Immerhin hatte Werner B. sich schon in der Vergangenheit als Unternehmer hervorgetan. Doch, verteidigt sich der Angeklagte, sein Steuerberater habe ihm gesagt, das gehe so. Nein, sagt Klose, er hätte sich bei der Rentenversicherung erkundigen müssen. Er habe den Arbeitern angeschafft wie Arbeitnehmern.

Oberstaatsanwalt Nicolas Kaczyinski fasst in seinem Plädoyer zusammen: Die zwölf Arbeiter seien überhaupt nicht fähig gewesen zu einer Selbstständigkeit. Der Angeklagte habe keinerlei Schadenswiedergutmachung geleistet, sondern sich entzogen, und er sei nur dank eines europäischen Haftbefehls jetzt vor Gericht. Zweieinhalb Jahre Haft fordert er für den Angeklagten, für eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren sehe er keinen Grund. "Ich wüsste nicht, woher ich dafür die besonderen Umstände nehmen soll." Werner B. habe keine Verantwortung gezeigt, und sein Geständnis sei "allenfalls wacklig".

Das Schöffengericht sieht in seinem Urteil dagegen durchaus Gründe für die zweijährige Bewährungsstrafe, zu der es den Angeklagten verurteilt. Bei der Urteilsfindung "sind wir von einem Geständnis ausgegangen", rechtfertigt Richter Klose das Urteil. Ohne dieses hätte der Prozess bei zweiwöchigem Sitzungsrhythmus ein halbes Jahr gedauert, und der Angeklagte habe auch keine Unterlagen zur Seite geschafft. Im Übrigen mache Werner B. den Eindruck, dass er schon durch die U-Haft geläutert worden sei, auch seine Sozialprognose sei günstig. Er wolle sein Leben ändern und habe einen Arbeitsvertrag als Altenpfleger bei einem großen Hilfswerk.

Ob sich Werner B. jetzt allerdings entspannt zurücklehnen kann, ist fraglich. Die 332 000 Euro, von denen allein die Krankenkassen 120 000 Euro haben wollen, muss er "nach besten Kräften" zurückzahlen. Das wird er in seinem Alter nicht mehr schaffen. Aber von seinem ohnehin kargen Gehalt als Altenpfleger wird nicht mehr viel hängenbleiben.