Ingolstadt
Das Leben ist eine Baustelle

Das Musical "Babytalk" wird im Ingolstädter Studio stürmisch gefeiert

16.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:10 Uhr

"So wie's aussieht, bekommen wir eine Brombeere!" Robert (Peter Reisser) und Charlotte (Renate Knollmann) mit dem ersten Ultraschallbild. Brian Bell brachte "Babytalk" auf die Studiobühne. - Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Was ist Glück? "Gesundheit", sagt Robert. "Geld", sagt Charlotte. Erfolg. Nach Hause kommen, und da ist jemand. Sex. Liebe. Ein Kind! Ein Kind? Robert und Charlotte sind schon lange ein Paar. Sie haben gute Jobs, er ist Lehrer, sie ist Anwältin. Es geht ihnen gut. Sie haben zwei Zimmer zu viel. Wann, wenn nicht jetzt, ein Kind? Mit dieser Frage beginnt das Zwei-Personen-Musical "Babytalk" von Peter Lund (Text) und Thomas Zaufke (Musik), das am Samstagabend im Studio des Stadttheaters Ingolstadt Premiere hatte. Und das - das sei vorweg gesagt - nach eindreiviertel Stunden frenetisch gefeiert wurde.

"Babytalk" klingt erst mal nach leichter Unterhaltung. Zunächst geht es um das Ob (überhaupt ein Kind), dann um das Wie, um Sex nach Terminkalender, um die Präferenz des Geschlechts, um Vornamen und die Organisation des neuen Familienlebens. Da gibt es witzigen Schlagabtausch, köstliche Songs und viel Raum für die Komödiantik der Schauspieler. Doch mehr und mehr wird das neue "Projekt" der beiden Figuren zum Stresstest für die Beziehung. Denn im "Kinder-Krieg-Musical" geht es nicht nur ums Kinderkriegen, sondern auch um den Beziehungs-Krieg, der da mitunter ausgefochten wird. Der (Zeugungs-)Druck wächst. Jeder hat Geheimnisse. Und als Charlotte dann endlich schwanger ist, fangen die Probleme erst richtig an. Ist man tatsächlich bereit für ein Kind?

"Babytalk" ist kein oberflächliches Musical-Tralala, sondern ein charmantes, kleines, kluges Stück, das keck mit Klischees spielt, aber emotionale Fallhöhen nicht scheut. Und mit herrlichen Dialogen punktet. Charlotte: "Man hat uns fotografiert." Robert: "Kann man schon etwas erkennen" Charlotte: "So wie's aussieht, bekommen wir eine Brombeere!"

Dazu jazzt und swingt und klingt die Musik zwischen Herzschlagsound und Ohrwurmalarm - von Roberts "Torschlusspanik" bis zu Charlottes Abschiedslied. Natürlich nur, weil mit Renate Knollmann und Peter Reisser zwei Vollblutschauspieler und -sänger am Werk sind, die in beiden Bereichen über eine große Bandbreite verfügen, Präsenz, Esprit und Intensität zeigen - und dazu so wunderbar zusammen spielen. Wenn sie auf der Bühne ihre Verführungskünste testen, die Spiegelfechtereien zwischen Charlotte und Robert austragen, ihre Wunden lecken und Neurosen pflegen, wenn sie himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt sind, und davon auch noch singen, dann ist das komisch und traurig, skurril und melancholisch - und zutiefst berührend.

Regisseur Brian Bell hat das Ganze gekürzt und mit feiner, überraschender Komik, Liebe zum Detail (der Spermienhandschuh! das XY-Chromosom!) und Gespür für Rhythmus und Tempo in Szene gesetzt. Und weil das Leben eine Baustelle ist, hat er sich von Daniel Unger jede Menge davon in das winzige Studio bauen lassen - mit viel innovativem Ikea-Flair (Lebst du schon) samt Gerüsten, Betonmischmaschine und Schubkarre. Höchst funktional wird all das genutzt - mit mal lärmigem, mal lakonischem Witz. Mitten drin: der Mann am Klavier (formidabel: Benedikt Streicher).

Am Ende gibt es zwar kein Happy End, aber großen Jubel. Ein perfekter Abend zum Lachen und Weinen - für Eltern und alle, die es werden wollen.

Nächste Vorstellungen am 22., 23., 25., 27. und 28. Oktober. Karten gibt es unter Telefon (08 41) 30 54 72 00.