Pipinsried
Das kleine Dorf zeigt den Löwen die Zähne

750 Pipinsrieder Fans unterstützten ihre Mannschaft im Grünwalder Stadion lautstark

08.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr
Der Fanblock des FC Pipinsried im Grünwalder Stadion: Die 750 Anhänger des Regionalligisten stehen fast 12 000 Löwenfans gegenüber. Doch der Stimmung unter den Pipinsriedfans tut das keinen Abbruch - ganz im Gegenteil, sie genießen, dass ihr Spiel live im Fernsehen übertragen wird. −Foto: Siegfried Kerpf

Pipinsried / München (SZ) Hurra, das ganze Dorf war da! Rund 750 Fans vertraten den FC Pipinsried bei seinem Auswärtsspiel im Grünwalder Stadion. Trotz der 0:3-Niederlage gegen die Löwen sind sich alle einig: Es war ein großer Tag für den kleinen Verein.

Der Mann, der für das alles hauptverantwortlich ist, war beim größten Abenteuer der 50-jährigen Vereinsgeschichte gar nicht mit dabei. Konrad Höß hielt am Freitagabend in Pipinsried die Stellung und verfolgte die Regionalligapartie (entgegen seiner Ankündigung) zumindest doch live im Fernsehen. "Das war ja fast wie eine Länderspielübertragung", sagt der "Mr. Pipinsried" mit einem Schmunzeln. Sein Fazit: Sportlich hätte sich seine Mannschaft trotz des übermächtigen Gegners noch viel besser verkaufen können. "Doch einmal abgesehen davon hat der Verein insgesamt ein sehr gutes Bild abgegeben. Das war eine Werbung für Pipinsried und für die gesamte Region", sagt Höß nach diesem ganz besonderen Wochenende.

Ein kleiner Rückblick auf den Tag, an dem im beschaulichen Markt Altomünster Außergewöhnliches geschieht. Und zwar von dem Zeitpunkt an, als 25 Fußballfans, einige davon in gelben Trikots, um 15.22 Uhr in die S-Bahn nach München steigen. Einer davon ist der Pipinsrieder Fanbeauftragte Benjamin Rauch. "Es ist toll, dass inzwischen einige ihre Trikots und Schals tragen", sagt er. Vor allem werden es immer mehr. Nach mehr als 20 S- und U-Bahn-Stationen sind es schon knapp 40, im Münchner Giesinger Bräu dann sogar eine dreistellige Anzahl von FCP-Anhängern.

"Die Zahl an wirklichen Fans steigt immer mehr."

Benjamin Rauch Pipinsrieder Fanbeauftragter

 

Jeden Regionalligisten haben die Löwen-Fans vor dieser Saison dorthin eingeladen. Der FC Pipinsried ist auch in dieser Hinsicht etwas Besonderes: "Wir sind laut den Organisatoren der erste Verein, der diese Einladung angenommen hat", erzählt Rauch ein bisschen stolz. Dementsprechend herzlich ist der Empfang, dementsprechend freundlich die Stimmung zwischen den beiden Fanlagern. Es wird geratscht, gelacht, manchmal auch ein bisschen gefrotzelt. "Ein tolles Miteinander", sagt Rauch und fügt mit einem Lachen an: "Kein Wunder. Mehr als die Hälfte unserer Anhänger sind auch Löwen-Fans."

Dass es überhaupt jemals zu einem derartigen "Konflikt" kommen würde - wer hätte das noch im Frühjahr erahnen können? Die Löwen: Ein Traditionsverein aus der Weltstadt München mit - zumindest laut Investor und damaligem Trainer - Ambitionen in Richtung Erstligaaufstieg 2018. Der FC Pipinsried: Ein kleiner Dorfklub, der immerhin in der Bayernliga seit vielen Jahren eine gute Rolle spielte. Zum 50-jährigen Jubiläum hatten die Pipinsrieder in diesem Sommer bei mehreren Vereinen, unter anderem beim TSV 1860, zu einem Freundschaftsspiel angefragt. Keiner sagte zu. "Jetzt müssen sie gegen uns spielen", lacht Rauch. Rund 750 Pipinsrieder stehen dann, nach einem gemeinsamen Marsch zum Stadion, in der Kurve und schreien gegen fast 12 000 lautstarke Löwen-Fans an. Darunter auch Präsidentengattin Kathi Höß, die mit ansehen muss, wie sich schon nach zwei Minuten alle Hoffnungen auf die sportliche Sensation so gut wie zerschlagen.

Ihr Mann sitzt zu diesem Zeitpunkt zu Hause vor dem Fernseher. "Ob ich einmal, zweimal, fünfmal pro Woche oder gar nicht trainiere: Wenn jemand nach einer Ecke so freisteht, hilft das alles nichts", schimpft der Präsident über den Gegentreffer zum 0:1. Schimpfen wird Höß im Laufe des Spiels noch öfter und mit etwas Abstand schließlich feststellen: "Es spricht ja für uns, dass wir nicht noch höher verloren haben. Auch wenn die Löwen es wohl ein bisschen ruhiger angehen ließen."

Zurück ins Grünwalder Stadion: Dort sitzt Höß' designierter Nachfolger Roland Küspert am Freitag am Kommentatorenplatz des TV-Senders Sport 1, erklärt den Menschen das Dorf Pipinsried, den besonderen Fußballverein und seinen ganz besonderen Präsidenten. "Die Rückmeldungen waren durchweg positiv", sagt Küspert hinterher. "1860 hat in der Regionalliga ja unheimlich an Sympathien gewonnen. Und ich glaube, auch wir konnten im Zuge dessen jetzt ein insgesamt sehr positives Bild abgeben."

Offiziell 556 Einwohner hat das Dorf Pipinsried. Keinen Bäcker, keinen Metzger, ein Gasthaus, das nur manchmal geöffnet hat. Und einen Regionalligisten, der es seit dieser Saison mit den großen Namen im bayerischen Fußball aufnimmt. Wie man die steigende Bekanntheit nun auch in Zukunft nutzen kann? "Die Zahl an wirklichen Fans steigt immer mehr", freut sich Rauch. Auch der Altersdurchschnitt habe sich schon etwas nach unten bewegt. "Das Ziel ist es nun, dass wir den Schwung mitnehmen und in Zukunft auch bei den Heimspielen für mehr Stimmung sorgen", erklärt der 35-Jährige.

Für Konrad Höß, den Mann, dem das alles zu verdanken ist, war das Wochenende nun vor allem eine Auszeichnung für das, was er in 50 Jahren geleistet hat, um den Verein dorthin zu bringen, wo er heute ist. Am kommenden Samstag herrscht dann wieder Alltag in Pipinsried. Zum Heimspiel (14 Uhr) kommt der FV Illertissen. "Ein anderer Gegner als die Löwen. Aber einer, der nicht weniger gefährlich ist", sagt Höß. Der Präsident wird dann wieder selbst am Ort des Geschehens sein. Wahrscheinlich wird er erneut schimpfen. Aber natürlich auch stolz sein auf all das, was sich in diesen Tagen rund um seinen Verein abspielt.