Hilpoltstein
"Das ist wirklich eine große Hilfe"

Rother Tafel erntet für Lebensmittelausgabe viel Dankbarkeit – Aufatmen nach Steuerproblemen von Spendern

10.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:11 Uhr

Einen Korb voll Lebensmitteln bekommen die Bedürftigen in den Ausgabestellen der Tafel - Foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) Rund 150 Familien und Alleinstehende werden Woche für Woche von der Rother Tafel mit Lebensmitteln versorgt. Wie wichtig die Initiati-ve ehrenamtlicher Helfer ist, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.

Heinz Ripka verteilt Wertschätzung im Sekundentakt. „Möchten Sie auch Küsse“, fragt er ein ums andere Mal die umstehenden Menschen. Zeit, um über die Worte Ripkas nachzudenken, bleibt denen allerdings nicht, denn kaum hat Ripka in eine große Kiste gegriffen, zeigt er auch schon was er meint: Eine große Packung Schokoküsse. Mit einem breiten Lächeln überreicht Ripka die Süßigkeiten, dann geht das Spiel von vorne los. Der nächste Kunde ist an der Reihe.

Als Vize-Vorsitzender der Rother Tafel ist Heinz Ripka unter anderem auch für die Ausgabestelle in Hilpoltstein verantwortlich. Woche für Woche verteilt die gemeinnützige Einrichtung in Roth und Hilpoltstein Lebensmittel an rund 150 Bedürftige, das heißt an Einzelpersonen und Familien, denen nur wenig Geld zum Leben bleibt. Der Kundenkreis ist bunt gemischt: Vom Hartz-IV-Empfänger über die Rentnerin bis hin zum geringverdienenden Familienvater. Sie alle haben – die Vorlage entsprechender Nach-weise vorausgesetzt – die Möglichkeit, das Angebot der Tafel zu nutzen. Und sie machen es gern: Während Ripka im Eingangsbereich des Hilpoltsteiner Rot-Kreuz-Hauses Süßigkeiten verteilt, geht es ein paar Meter weiter richtig rund. Vor den Tischen, an denen Grundnahrungsmittel wie Brot, Gemüse und Milch verteilt werden, stehen die Bedürftigen Schlange. Sie alle hoffen darauf, ein möglichst großes Stück vom Lebens-mittel-Kuchen abzubekommen. Im Schnitt bekommen sie Woche für Woche pro Person Nahrung im Wert von 30 Euro.

An ihre Kleidung haben sich die Kunden Schildchen geheftet mit der Zahl der Personen, die sie ernähren müssen. „Es soll ja schließlich gerecht zugehen“, sagt Ripka. Anhand der Schildchen erkennen die Helferinnen, die die Lebensmittel ausgeben, sofort, wie viel jeder ungefähr bekommt. Doch auch die Kunden selbst machen sich Gedanken um eine faire Aufteilung. „Nein, mir reicht eine Packung Fruchtzwerge“, sagt eine Frau, die ein Kind mitgebracht hat, als ihr gleich zwei Packungen angeboten werden. „Dahinten sind noch andere Kinder, die sollen ganz sicher auch noch genug bekommen.“

Es ist ein freundlicher Umgangston der in der Ausgabestelle herrscht. Viele der Mitarbeiter sind bereits seit Jahren bei der Tafel. So wie Juliane Horn-dasch. Die ehe-malige Arzthelferin nimmt sich gerne die Zeit, um für die gemeinnützige Einrichtung Lebensmittel zu sortieren und auszugeben. Sie sagt: „Ich möchte denen helfen, denen es nicht so gut geht, wie mir.“ Zu den Menschen, an die sie die Nahrung verteilt, hat Horndasch ein gutes Verhältnis. Schließlich ist sie nicht die einzige, die hier seit Jahren ein und ausgeht – dem Großteil der Kunden geht es genauso.

Wer übrigens glaubt, dass die Tafel aus allen Nähten platzt, irrt. „Im Gegenteil. Wir merken einen deutliche Rückgang“, erzählt Ripka. Früher haben wir in Hilpoltstein mal rund 50 Kunden gehabt, jetzt sind es nur noch 30.“ In Roth sieht die Situation nicht anders aus. Hier werden derzeit etwa 120 Kunden versorgt – und auch hier waren es einmal mehr. „Ich denke, dass sich viele Menschen einfach nicht trauen, herzukommen“, sagt Ripka. „Ich weiß jedenfalls von einigen, die zwar ein Anrecht auf unser Angebot hätten, es aber nicht nutzen.“ Auch Gisela Wonitzki, die im Vorstand der Tafel aktiv ist und sich in der Rother Ausgabestelle ins Zeug legt, hat bereits ähnliche Erfahrungen gemacht. „Da ist schon viel Scham dabei“, sagt Wonitzki, die für viele der Kunden längst zur Vertrauensperson geworden ist. „Viele haben Angst, dass sie in eine Schublade gesteckt werden, wenn man sieht, wie sie zur Tafel kommen.“

Auch Hans-Joerg Wonitzki, Vorsitzender der Rother Tafel, wünscht sich, dass mehr Bedürftige den Weg zu einer der Ausgabestellen finden. Er sagt: „Ich kann nur an jeden appellieren, der Hilfe braucht: Komm her. Wir haben genug Waren, die wir verteilen können.“ Tatsächlich ist das Kühllager gut gefüllt. Einmal in der Woche fahren die ehrenamtlichen Helfer zu rund 30 Supermärkten und Einzelhändlern, um Lebensmittel einzusammeln, die dort nicht mehr verkauft werden. Zusätzlich stellen auch große Nahrungsmittelproduzenten der Tafel immer wieder ihre Erzeugnisse zur Verfügung. Der Grund dafür, dass die Tafel mit genügend Waren versorgt wird, ist schnell erklärt: Sie bekommt hauptsächlich Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum den Verkauf problematisch macht. „Aber wir achten streng darauf, dass alles, was wir ausgeben, gesundheitlich völlig unbedenklich ist“, erklärt Wonitzki. Vor allem bei Fisch, Ei- und Milchprodukten schauen die Mitarbeiter ganz ge-nau hin. „Unsere Sachen kann man auf jeden Fall genießen. Im Zweifelsfall werfen wir sie lieber weg, als Gefahr zu laufen, etwas Verdorbenes wegzugeben.“

Darauf, dass in den Ausgabestellen Roth und Hilpoltstein jeder gut versorgt wird, ist das Ehepaar Wonitzki sichtlich stolz. Dabei kam das funktionierende System der 800 Tafeln, die im Bundesverband Deutsche Tafel, organisiert sind, erst kürzlich kräftig ins Wanken: Ein Bäcker aus Sachsen musste rund 5000 Euro Steuern nachzahlen – und das nur, weil er der Tafel vor Ort Brot gespendet hatte. Schwarzspenden nannte es das Finanzamt. Auf die Zutaten zahlt der Bäcker eine Umsatzsteuer, die er im Nachhinein wieder geltend machen kann. Falls die Produkte jedoch verschenkt werden, gilt dieser Vorsteuerabzug laut zuständigem Finanzamt jedoch nicht. Dann müssen die Herstellungskosten versteuert werde. Zumeist allerdings nur in der Theorie – dass er Bäcker aus Sachsen zur Kasse gebeten wurde, war eine Ausnahme.

Der Fall schlug dennoch hohe Wellen und auch die Rother Tafel begann, um ihre Existenz zu fürchten. „Ich habe diesbezüglich mehrere Gespräche geführt und es ist klar, dass die Leute ihre Waren dann lieber – kostenlos – wegwerfen, als dafür zu zahlen, um sie uns geben zu können“, sagt Wonitzki. „Dadurch, dass in den Statuten der Tafel klar geregelt ist, dass wir nichts zukaufen dürfen, hätte das für unsere Arbeit das Aus bedeutet.“ Mittlerweile haben sich die Wogen glücklicherweise wieder geglättet. „Laut dem Zen-tralverband des Deutschen Hand-werks will das Bundesfinanzministerium künftig auf die Erhebung von Steuern auf Warenspenden an die Tafeln verzichten“, heißt es auf der Homepage des Bundesverbands der Tafeln. Eine schriftliche Bestätigung liege ihm allerdings noch nicht vor.

Für die Mitarbeiter und Kunden der Rother Tafel heißt das, dass sie zunächst aufatmen können. Immerhin: „Wenn es die Tafeln nicht mehr geben würde, wäre das für unsere Kunden ein Riesenverlust“, sagt Gisela Wonitzki.

Tatsächlich sind sich die Bedürftigen der Erleichterung, die die Tafeln bringen, äußerst bewusst. „Wenn ich hier keine Lebensmittel bekommen würde, hätte ich wirklich Probleme“, sagt eine Betroffene, die ihren Enkel im Schlepptau hat, während sie sich in der Hilpoltsteiner Ausgabestelle ihre Wochenration abholt. „Finanziell ist das hier eine große Hilfe“. Ähnlich sieht das auch eine junge Frau, die mit ihrem Mann und den zwei Kindern auf Hartz IV angewiesen ist. „Mir geht es vor allem um meine Kinder“, sagt sie. „Ich kann zurückstecken, aber meine Kinder haben Bedürfnisse und die möchte ich erfüllen können. Dank der Tafel ist neben Obst und Gemüse auch mal ein Extrajoghurt oder eine Extraschokolade drin.“

Die Tafelverantwortlichen wissen die Anerkennung zu schätzen, schließlich legen sie sich ordentlich ins Zeug, um helfen zu können. Ihr Ansporn? Den fasst Gisela Wonitzki so zusammen: „Wenn die Leute sich aufrichtig freuen, wenn man sie glücklich machen kann, dann ist das der schönste Lohn. Etwas besseres gibt es kaum.“