Ingolstadt
"Das ist auch meine Geschichte"

12.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:11 Uhr

Voller Stolz: der frühere Falco-Manager Horst Bork vor den Auszeichnungen, die von ihm betreute Künstler gewonnen haben. - Foto: Richarz

Ingolstadt (szt) Die Kamera könnte auch die Klingel sein. Oder das Gegensprechgerät. Als Besucher steht man ratlos vor der meterhohen Steinmauer im Ingolstädter Westen – man möchte hindurch, um den Mann zu treffen, der dahinter in einem riesigen weißen Kasten wohnt.

Ein Türschild gibt es nicht, dafür aber mehrere Apparaturen mit unklarer Funktion. Da hilft nur: überall drücken. Eins scheint dann auch tatsächlich die Klingel gewesen zu sein, denn ein Stück der Mauer fährt lautlos zur Seite und macht den Weg frei zu dem Mann an der Haustür: Horst Bork, 61, geborener Ingolstädter mit Jet-Set-Erfahrung. 

Bork war jahrelang Manager des österreichischen Popstars Falco und hat über diese Zeit ein Buch geschrieben: "Falco – die Wahrheit". In seinem Haus fühlt man sich wie im Ausstellungsraum eines Luxus-Möbelhauses: Alles ist großzügig, teuer und blitzblank sauber. Auf einem Beistelltisch im Foyer liegt Lesestoff bereit, obenauf die Bild-Zeitung.

Im Kaminzimmer lädt Horst Bork mit galanter Geste zum Sitzen ein. Zwei Sofas – ihrer Größe wegen besser zum Liegen als zum Sitzen geeignet – stehen sich gegenüber, einen Couchtisch zwischen sich und mit so großem Abstand voneinander, dass man das Gefühl bekommt, sein Gegenüber anschreien zu müssen.

Horst Bork ist guter Laune. Im edlen Freizeitlook und mit Pantoffeln an den Füßen macht er es sich bequem.
 
Herr Bork, Ihr Buch heißt "Falco – die Wahrheit". Falco ist seit zwölf Jahren tot. Warum rücken Sie erst jetzt mit der Wahrheit raus?
 
Horst Bork: In den Jahren vorher haben so viele andere Leute ihre Ahnungen über Falco abgesondert, und ich bin kein sehr mitteilungsbedürftiger Mensch. Ich habe mich aber lange mit Thomas Roth unterhalten, als der 2007 einen Film über Falco gemacht hat, und er sagte: Du könntest eigentlich ein Buch schreiben, du weißt doch alles am besten.

Fast vier Monate haben Sie geschrieben, noch länger recherchiert: eine Reise in Ihre eigene Vergangenheit?

Bork: Ganz sicher. Beim Schreiben habe ich festgestellt: Das ist auch meine Geschichte.

Ist Ihr Buch das "wahrste" aller Werke über Falco?

Bork: Ich glaube, dass es am nächsten am Künstler dran ist. Jeder hat ja ein eigenes Bild von Falco. Viele Dinge im Buch gehen mit dem zusammen, und andere lösen bei den Leuten Kopfschütteln aus. Aber alles entspricht der Wahrheit und ist sehr sorgfältig recherchiert. Ich habe im Buch auch einiges weggelassen. Man sollte nicht das Denkmal vom Sockel hauen.

Was haben Sie preisgegeben, was bisher noch niemand wusste?

Bork: Mir ging es auch darum, klarzumachen, warum ein Künstler manchmal reagiert, wie er reagiert. Ich erzähle kleine Geschichten über Verträge, die aus irgendwelchen Gründen geplatzt sind, oder über Falcos Sehnsucht: Er wollte immer eine Familie, hat aber nichts dazu getan. Immer hat er mich gefragt: Wie machst du das, du bist schon so lange mit der gleichen Frau verheiratet? Er wirkte nach außen so überheblich und "goschert", wie man in Wien sagt, aber in Wirklichkeit war er ein ganz scheuer, schüchterner Kerl. "Hans Hölzl spielt Falco" – das war immer unser Spruch.

Konnte Hans Hölzl sein Leben als Falco denn genießen?

Bork: Viel Genuss mit seinem großen Erfolg hat er nicht gehabt. Der wurde ihm, glaube ich, immer wieder zerschlagen durch die Erwartungshaltung, die man an ihn gerichtet hat. Einerseits wollte er zwar der große Zampano sein, aber zuhause in seiner Wohnung hat ihm das Angst gemacht. Als ich ihm gesagt habe: "Rock me Amadeus" ist Nummer eins in Amerika, da hat er gesagt: Jetzt wird’s schwierig.

Wie ist es, mit so einem Menschen verbunden zu sein?

Bork: Ich bin damit lange zurechtgekommen, aber 1993 habe ich die Arbeit als sein Manager beendet. Ich hatte mit ihm ja nicht nur eine geschäftliche, sondern auch eine freundschaftliche Beziehung. Und da leidet man mit. Wir haben versucht, zwischen Freund und Manager zu trennen, aber in Momenten des großen Exzesses spielte das alles keine Rolle mehr.

Wie oft gab es sie denn, diese Momente?

Bork: Etwa einmal im Monat. Manchmal auch dreimal wöchentlich und dann wieder fünf Monate gar nicht.

Veröffentlichen Sie irgendwann noch ein Buch mit dem, was Sie im ersten noch nicht verraten haben?

Bork: Nein, das glaube ich nicht. An Falcos Grab wurde mir klar: Das Thema ist beendet. Andererseits – wann immer ich einen Titel von Falco höre, bekomme ich einen Flashback: War eigentlich ganz toll irgendwie. Ich habe ja eine Menge positiver Erinnerungen. Unterm Strich überwiegen die.

Wie erklären Sie sich, dass das Interesse an Falco immer noch so groß ist?

Bork: Ich glaube, dass der Großteil der Faszination daher kommt, dass es keinen Künstler vorher gab, wo man sagen konnte: Falco ist wie der. Seit seinem Tod war auch keiner da, von dem man gesagt hat, er sei wie Falco. Er war in seiner kurzen Zeit wirklich einzigartig, hochoriginär, und seine Musik klingt heute noch frisch, als wäre sie erst gestern gemacht entstanden.

Woran arbeiten Sie jetzt?

Bork: Ich kümmere mich seit 15 Jahren um Eckhard Witzigmann. Charlie Watts, der Schlagzeuger der Rolling Stones, plant eine Solo-Platte, und Quentin Tarantino will einen Film drehen mit einem Musikstück als Hauptdarsteller. Und mir gehört der Großteil der alten Falco-Rechte, das ist noch immer viel Arbeit.