Oslo
"Das hat wirklich etwas mit Frieden zu tun"

Der Nobelpreis-Experte Bobi lobt die Entscheidung des Komitees – auch wenn er sonst kaum ein gutes Haar an den norwegischen Juroren lässt

09.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Emil Bobi - Foto: Hofer

Oslo (DK) Der österreichische Journalist Emil Bobi hat kürzlich ein Buch über die Geschichte des Friedensnobelpreises veröffentlicht. Er schildert darin den wachsenden Widerstand gegen die Vergabepraxis dieses renommierten Preises. Im Interview baten wir ihn, die aktuelle Preisvergabe zu bewerten.

 

Der Friedensnobelpreis ist vergeben. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Emil Bobi: Ich habe erwartet, dass man heuer jemanden auszeichnen wird, der möglichst wenig Widerstand erregen wird. Das ist glaube ich gelungen. Was das tunesische Quartett geleistet hat, hat wirklich etwas mit Frieden zu tun. Wiewohl – ich will es jetzt nicht miesmachen – es aber doch letztlich wenig mit den Kriterien zu tun hat, die Alfred Nobel für die Vergabe des Preises testamentarisch verfügt hat.

 

Ist das in diesem Fall nicht eher ein Preis für die Demokratie als für den Frieden?

Bobi: Ja. Allerdings, wenn man den Arabischen Frühling betrachtet, hat er ja bisher nicht viel mehr als Chaos verursacht. Aber man kann jetzt nicht behaupten, dass es hier überhaupt nicht um Frieden geht. Ich bin mir immerhin sicher, dass gegen dieses Verhandlungs-Quartett aus Tunesien keine Kritik kommt, die vergleichbar wäre mit der Kritik an Kandidaten wie Al Gore oder Yassir Arafat.

 

In Ihrem Buch kritisieren Sie die Vergabe des Friedensnobelpreises durch das norwegische Komitee. Was ist so schlecht an Preisträgern wie Al Gore oder Barack Obama?

Bobi: Ich persönlich kritisiere eigentlich nicht, ich analysiere nach umfangreichen Recherchen den Sachverhalt und der ist sehr klar: Die Auszeichnung trifft die testamentarischen Kriterien des Stifters nicht. Alfred Nobel hat vor über 100 Jahren sein Vermögen einem ganz bestimmten Zweck gestiftet, dem die Preisentscheidungen nicht entsprechen.

 

Was für Kriterien hat Alfred Nobel denn in seinem Testament formuliert?

Bobi: Sie lauten: Den Preis soll der bekommen, der im abgelaufenen Jahr das Beste für die Menschheit erreicht hat, im Sinne der Reduzierung oder Abschaffung stehender Armeen, der Verbrüderung von Nationen – damit meint er eine internationale Diplomatie des Vertrauens – sowie dem Ausrichten von Friedenskonferenzen. Dass diese Prinzipien regelmäßig nicht eingehalten werden, kann eigentlich jeder Laie nachvollziehen. Obama etwa hat das in seiner Preisrede selbst deutlich gemacht, in der er erläutert, dass es andere gäbe, die diesen Preis viel eher verdienen würden. Und dass er als Präsident der USA gar nicht anders kann, als Krieg zu führen und dass er verantworten muss, dass Soldaten töten und sterben.

 

Aber man kann doch auch von einem weiter gefassten Friedensbegriff ausgehen?

Bobi: Selbstverständlich. Es ist nur so, dass Nobel diesen Preis gar nicht Friedenspreis genannt hat. Den haben andere so getauft. Seine anderen Preise sind Friedenspreise, der Friedenspreis selbst allerdings nicht. Das ist ein Abrüstungspreis. Alfred Nobel macht mit seinem Geld, was er will. Er hat nicht gesagt, überlegt mal, was euch alles einfallen könnte zum Thema Frieden, und dann macht, was ihr wollt. Sondern er hat gesagt, mein Geld geht an diejenigen, die die drei genannten Kriterien erfüllen.

 

Wie setzt sich das Komitee in Norwegen eigentlich zusammen?

Bobi: Das ist das Problem. Das Komitee in Norwegen wird von den Parlamentsparteien besetzt. Es sitzt dort nicht, wie Nobel es sich wünschte, ein Gremium von unabhängigen Friedensexperten, sondern es besteht aus Politikern nach dem Proporz des Parlaments. Im Komitee sitzt das parteiideologische Kräfteverhältnis des Parlamentes und das repräsentiert die Sicherheitsdoktrin des Landes. Aber Norwegen ist ein Nato-Mitglied. Die empfinden Nobels Formel Frieden durch Abrüstung als lebensgefährlich. Das ist legitim. Aber es geht an der Idee des Preises vorbei.

 

Der Friedensaktivist Frederik Heffermehl bereitet eine Klage vor. Wird er damit Erfolg haben?

Bobi: Die Klage wird demnächst eingereicht. Wenn die entscheidende Frage einmal vor Gericht kommt, also die Frage, ob beispielsweise Obama eine Armee abgeschafft oder reduziert hat, dann ist die Antwort völlig klar. Aber es gibt Zuständigkeitsprobleme. Das Komitee und die Stiftung sind juristisch sehr abgesichert, die Behörden dürfen kaum kontrollieren. Es ist allein sehr schwierig zu entscheiden, wer konkret verklagt werden soll, die Stiftung, die die Gelder verwaltet, oder das Komitee, das den Preisträger bestimmt. Aber wenn es eines Tages ein Urteil gibt, dass ein Preisträger rechtswidrig zustande gekommen ist und daher Stiftungsgelder missbraucht wurden, ist die Hölle los. 

 

Warum steht eigentlich immer weniger Geld für die Preise zur Verfügung?

Bobi: Am Anfang entsprach das Preisgeld noch dem 20-Fachen des Jahresgehaltes eines Professors. Heute ist es nur noch ein einfaches oder ein halbes Jahresgehalt. Dafür wird aber erheblich mehr für die Verwaltung ausgegeben. Allein die Nobelwoche kostet viele Millionen. Das übersteigt bei Weitem die Preisgelder. Allein für das Abendessen sind 100 Spitzenköche acht Monate lang unterwegs.

 

Zuletzt war auch Angela Merkel im Gespräch für den Preis. Wäre das eine passende Wahl gewesen?

Bobi: Sie würde eher in die Preispolitik des Komitees passen, als zu den Kriterien Nobels. Sie hat dieser ganzen Flüchtlingskrise eine humanitäre Note gegeben. Man muss ja überhaupt sagen: Die Preispolitik des Komitees ist nicht unsympathisch. Natürlich würden sie eine humanitäre Haltung gegenüber Flüchtlingen befürworten. Aber politisch zu sein ist nun mal nicht ihre Aufgabe.

 

Emil Bobi: Der Friedensnobelpreis, Econwin-Verlag, 175 Seiten, 18,95 Euro.

 

Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.