Berlin (DK
"Das hat mich schon sehr getroffen"

Nach Machtkampf mit Ferdinand Piëch konzentriert sich VW-Chef Martin Winterkorn auf Konzernumbau

28.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

Berlin (DK) Lange hat Martin Winterkorn zu der beispiellosen Auseinandersetzung mit dem VW-Patriarchen Ferdinand Piëch geschwiegen. Nun äußert sich der VW-Chef zu dem Konflikt, der bei ihm tiefe Spuren hinterlassen hat. Tief greifende Folgen dürfte auch der geplante Konzernumbau haben.

Volkswagen-Lenker Martin Winterkorn hat den wochenlangen Machtkampf mit dem inzwischen abgetretenen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch als die schwierigste Zeit seiner Karriere bezeichnet. „Das hat mich schon sehr getroffen. Wen würde so etwas nicht berühren“, sagte der 68-Jährige der „Bild am Sonntag“.

Die Kritik Piëchs, der in einer Äußerung im „Spiegel“ auf „Distanz zu Winterkorn“ gegangen war und damit eine Führungskrise in dem Autokonzern ausgelöst hatte, war für den Topmanager völlig überraschend gekommen: Er habe bei Treffen mit dem VW-Patriarchen, dessen Familie einer der Haupteigentümer des Wolfsburger Automobilunternehmens ist, zuvor „keine Entfremdung“ festgestellt.

Ans Aufgeben habe er dabei nie gedacht, sagte Winterkorn der Zeitung. Auch hege er jetzt keinen Groll gegenüber Piëch. „Wir werden professionell miteinander umgehen, wenn wir uns begegnen werden.“ Denn für ihn gebe es „hier keine Sieger und Verlierer“. Mit Unterstützung der übrigen Aufsichtsratsvertreter behielt Winterkorn in der Auseinandersetzung die Oberhand: Piëch und seine Frau Ursula traten schließlich Ende April von allen ihren Aufsichtsratsposten im VW-Konzern zurück.

Der VW-Vorstandschef zeigt sich entschlossen, den Umbau des Konzerns voranzutreiben. Ergebnisse sollen im Herbst präsentiert werden. „Dazu gehört, mehr Verantwortung in die Marken und Regionen zu geben.“ Bei der Neuaufstellung des Konzerns soll es nach Informationen der „Automobilwoche“ jedoch nicht zu einer Bündelung in vier Markengruppen kommen. Das Blatt zitiert ihn mit den Worten: „Ich bin nicht unbedingt ein Verfechter von Markengruppen.“ Stattdessen könnte es einem von nicht näher benannten Insider zufolge zu einer Bündelung der zwölf Konzernmarken nach der technischen Ausrichtung kommen – etwa der Elektrifizierung oder der Digitalisierung.

Allerdings brauche Volkswagen auch weiterhin eine starke Zentrale, betonte Winterkorn. „Ich verstehe mich als Integrationsfigur.“ Dazu soll sein Vertrag nach einem Aufsichtsratbeschluss über 2016 hinaus verlängert werden. Unterstützung erhielt Winterkorn nach eigener Aussage dafür auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Sie hat sich gefreut, dass ich weitermache.“

Winterkorn werde den größten europäischen Autohersteller „noch zwei bis drei Jahre operativ führen“ berichtete die „Automobilwoche“. Demnach soll im Februar kommenden Jahres die Entscheidung über die Vertragsverlängerung bis 2018 fallen. Auch danach wolle sich Winterkorn nicht komplett ins Privatleben zurückziehen. „Ich sehe mich nicht als Hobbygärtner“, sagte er dem Blatt.

Der Konzernumbau könnte auch im VW-Vorstand massive Veränderungen zur Folge haben. So könnten auf Konzernebene die Vorstandsressorts Produktion und Vertrieb entfallen, berichtete das Branchenblatt weiter. Für die Produktion zeichnet gegenwärtig im Konzernvorstand kommissarisch Thomas Ulbrich, Produktionschef der Marke Volkswagen Pkw, verantwortlich. Sein Vorgänger auf dem Posten, Michael Macht, hatte sich Mitte 2014 „in gegenseitigem Einvernehmen“ von VW getrennt.

Für den Vertrieb im Konzern ist Christian Klingler zuständig. Ihm könnte laut „Automobilwoche“ künftig die Verantwortung für den wichtigsten Einzelmarkt China angeboten werden, für den zurzeit noch Jochem Heizmann zuständig ist. Auch für den nordamerikanischen Markt könnte im Konzernvorstand ein Verantwortlicher installiert werden. Für diesen Job wird dem Blatt zufolge der gerade eben erst installierte VW-Markenchef und Ex-BMW-Manager Herbert Diess gehandelt.

Nach langer Planungsphase steht auch der Fahrplan für die Markteinführung eines Billigautos von VW. „Wir bringen ab 2018 eine Budget-Car-Familie auf den Markt, mit SUV, Stufen- und Schrägheck“, sagte Winterkorn der „Bild am Sonntag“. „Wir bauen die Fahrzeuge in China, die Modelle werden etwa zwischen 8000 und 11 000 Euro kosten.“ Über andere Verkaufsmärkte sei noch nicht entschieden. Volkswagen hatte jahrelang an den Budget-Car-Plänen gefeilt. Eine anfängliche Zusammenarbeit mit dem Partner Suzuki war im Streit gescheitert. Billigautos gelten als ein Schlüssel für die weitere Erschließung von Schwellenländern – etwa in Asien.

Die Konkurrenz von Internetkonzernen aus den USA bei der Entwicklung des Fahrzeugs der Zukunft fürchtet Winterkorn nicht: „Das nächste Auto für die Generation iPhone kommt nicht aus dem Silicon Valley, sondern aus Wolfsburg“, meinte der 68-Jährige selbstbewusst. Google lässt seit Kurzem sein autonom fahrendes Auto in Kalifornien inzwischen in Tests auch auf öffentlichen Straßen rollen.