Ingolstadt
Das grüne Haus und der Mann vom Amt

Posse um "Wein Wolf" im Südviertel Stadt macht außerhalb der Innenstadt keine Gestaltungsauflagen

22.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Ingolstadt (DK) Da hat sich wohl jemand einen zweifelhaften Scherz erlaubt: Ein Unbekannter hat sich offenbar in der Rolle eines städtischen Baukontrolleurs gefallen und einen Geschäftsmann aus dem Südviertel wegen der Farbwahl für sein Haus angegangen. Die Stadt weist jegliche Beteiligung von sich.

Im Juli berichtete der DK über Kritik aus der Nachbarschaft an der neuen Fassadengestaltung der früheren Reiserklinik an der Hanslmairstraße. Das strenge Schwarz gebe dem Bau eine scheußliche Außenwirkung, so der Tenor mehrerer Meinungsäußerungen. Schon war in Kommentaren von der "Zentrale für Begräbniswortschaft" die Rede - doch rechtens war und ist die Farbgebung durch den Eigentümer (in diesem Fall die Ingolstädter Klinikumsgesellschaft) allemal.

Wenige Meter weiter, auf der anderen Straßenseite, erstrahlt unter der Adresse Hanslmairstraße 3 1/2 seit einiger Zeit ein Bau in leuchtendem Hellgrün - mancher würde vielleicht auch Giftgrün sagen. Es ist das Wohn- und Geschäftshaus von Franz Wolf, der hier in vierter Generation eine Weinkellerei und einen Weinhandel betreibt - vielen Ingolstädtern seit Jahrzehnten bekannt. Der 52-Jährige hatte vor einigen Wochen, - gerade so Mitte Juli, als der DK-Artikel um die schwarze Klinik erschienen war - ein seltsames Erlebnis.

"Da kommt jemand in meinen Keller, sagt kein Hallo, kein Grüß Gott und gar nichts, und fragt mich einfach, ob ich eine Genehmigung habe", berichtet Wolf. Der Fremde habe eine Aktentasche bei sich gehabt, deshalb irgendwie "amtlich" gewirkt, sich aber weder vorgestellt noch einen Ausweis gezeigt, dafür aber zu verstehen gegeben, dass es um die Farbgebung des Hauses gehe - die sei wohl "nicht genehmigt". Franz Wolf war ziemlich perplex, fing sich aber wohl schnell wieder und gab dem Unbekannten, der wie Wolfs Stammkunden ins Kellerlager hinabgestiegen war, deutlich zu verstehen, dass er die Farbwahl für sein Haus noch ganz allein zu treffen habe.

Der Geschäftsmann fackelte dann auch nicht mehr lange, sondern beendete den Auftritt des "Mannes vom Amt" mit deutlichen Worten: "Ich hab' ihn dann rausgeschmissen." Der ungebetene Besucher habe zwar noch mit einer Anzeige gedroht, doch passiert sei seither nichts. Ob da jetzt noch etwas nachkommen könnte?

Franz Wolf kann ganz beruhigt sein. Von der Stadt Ingolstadt (und wohl auch von anderen hoheitlichen Institutionen) hat der Weinhändler in Sachen Hausfarbe nichts zu befürchten. Es sei in keiner Weise vorstellbar, dass hier wirklich ein kommunaler Mitarbeiter am Werk gewesen sei, hieß es gestern auf Anfrage aus der städtischen Pressestelle. Wenn es Auflagen und entsprechende Kontrollen bei der äußeren Gestaltung von Bauwerken gebe, dann ausschließlich in der Innenstadt, für die der Stadtrat bereits vor Jahren eine regelrechte Gestaltungssatzung erlassen hat. So soll verhindert werden, dass bei Um- und Neubauten völlig aus dem Rahmen fallende Formen, Fassaden und Dachdeckungen das Gesamtbild der großenteils historisch gewachsenen Altstadt trüben.

In den Stadtvierteln könnten allenfalls bei älteren Bebauungsplänen da und dort gewisse Rahmenbedingungen vorgegeben sein, erläutert Stadtsprecherin Ingrid Schmutzler. In neueren Plänen sei die Gestaltungsfreiheit in aller Regel wesentlich weiter gefasst - wie ja auch der Blick in viele Neubauviertel zeigt. Dass entlang der Münchener Straße mit ihren mittlerweile doch recht vielen modernen Neubauten irgendeine Farbskala für Fassaden amtlich vorgegeben sein könnte, schließt die Pressestelle praktisch aus.

Dann war es wohl doch ein etwas zudringlicher Kritiker aus der weiteren Nachbarschaft, der sich mit Franz Wolf einen etwas verunglückten Scherz erlauben wollte. Ein unmittelbarer Nachbar war es jedenfalls nicht, ist sich der Geschäftsmann sicher - "die kenne ich ja alle". Dass er mit seinem recht auffälligen Grün als Fassadenfarbe vielleicht nicht jeden Betrachter überzeugt, ist dem 54-Jährigen zwar bewusst, aber auch ziemlich egal. Er betont, dass das Haus seiner Familie (es steht seit 1920) schon in früheren Jahrzehnten grün gestrichen war - nach einer Gelbphase sei man nun eben zu Grün zurückgekehrt.

Gespannt sein dürfen die Nachbarn und alle, die es irgendwie interessiert, aber schon auf den nächsten Akt der Fassadengestaltung. Noch in diesem Herbst, so verrät Wolf, soll am Wohn- und Geschäftshaus eine Landschaftsmalerei nach südtiroler Vorbild aufgebracht werden. Der Weinhändler schwärmt bereits von dem ausgesuchten Motiv - und ist gespannt, welcher "amtliche" Kontrolleur danach auftaucht.