Das Georgsband: "Ich vergesse nicht! Ich bin stolz!"

09.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr
Das Georgensband. −Foto: Wikipedia

Es war ein verstörendes Titelbild auf einer der jüngsten Ausgaben des Magazins "Spiegel": Ein Mann in Tarnuniform mit Kapuze, die nur die Augenschlitze freilässt, die Waffe im Anschlag, seine Augen fixieren den Betrachter. An der Schulterklappe das Georgsband, das ihn im Ukraine-Konflikt als "pro-russischen Kämpfer" und "Separatisten" klassifiziert. Das Georgsband mit seinen charakteristischen zwei rot-orangen und drei schwarzen Streifen taucht in der Ostukraine jetzt häufig auf: In der Tat tragen es Kämpfer und Sympathisanten, die einen Anschluss an Russland, einen eigenen Staat oder zumindest mehr Autonomie von der Zentralgewalt in Kiew fordern.

Doch dieses Stück Stoff steht für weit mehr als nur für eine politische Forderung; seine Bedeutung reicht weit in die Vergangenheit zurück - bis in die Zeit Katharinas der Großen. Sein Ursprung liegt im russischen Orden des Heiligen Georgs, 1769 als höchste militärische Auszeichnung gestiftet, die einem einzelnen Soldaten verliehen werden konnte. Das Band selbst dagegen konnte auch ein Kollektiv, ein Truppenverband, teilweise sogar ein gesamtes Regiment erhalten, ebenfalls als Ausdruck überragender Tapferkeit. Damit wurde es Teil des militärischen Banners dieses Verbandes.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Sankt-Georgs-Bänder an verdiente Mitglieder der russischen Garde und der zaristischen Leibgarde verliehen. Das Band wurde an einer Pike befestigt, deren Spitze das Georgskreuz bildete. Die Streifen stehen für Feuer und Asche, nach einer anderen Leseart für Feuer und Schießpulver.

Die Kommunisten, die 1917 an die Macht kamen, brachen mit zaristischen Symbolen und Ehrenzeichen - zunächst. Doch bereits im ersten Jahr des Großen Vaterländischen Krieges 1941 bekamen verdiente Einheiten den Titel "Sowjetische Garde". Ihr Symbol: die orange-roten und schwarzen Streifen. Das Georgsband flatterte seitdem auch von Standarten der Roten Armee. Zudem gab es seit 1943 den "Ruhmesorden"; auch ihn zierte das Band des Heiligen Georgs. Ebenso später die Medaille "Sieg über Deutschland". Und schließlich bekamen alle Veteranen nach dem Ende des Krieges diese Auszeichnung. Bis heute unterscheidet diese Medaille Kriegsveteranen von nicht kämpfenden Kriegsteilnehmern. Nach dem Zerfall der Sowjetunion geriet dieses Band etwas in Vergessenheit; 1998 wurde es jedoch als militärische Auszeichnung in Russland wieder eingeführt.

Das Georgsband ist inzwischen aber mehr als nur ein Symbol für militärischen Erfolg. Es ist ein Zeichen für den Kampf und den Sieg gegen den Faschismus und steht gleichzeitig für die Liebe zur Heimat. Wohlgemerkt nicht allein für den Sieg gegen "Hitler-Deutschland", wie es jetzt oft heißt. Die Russen wissen sehr wohl, dass der Faschismus nicht auf Deutschland beschränkt war. Das alles prädestiniert das Band als Symbol derjenigen Ukrainer, die mehr Selbstbestimmung fordern. Sie sehen weite Teile der jetzigen Machthaber in Kiew als Faschisten an, gegen die es sich zu wehren gilt.

Auch in Russland und auf der Krim werden die Georgsbänder am heutigen 9. Mai, dem Tag der Sieg gegen den Faschismus, omnipräsent sein. In Kertsch und in Sewastopol hat es seit Jahren keine Parade mehr anlässlich des 9. Mai gegeben. Jetzt haben wieder Paraden stattgefunden, was der Westen als Provokation versteht, für Russland und die Krimbewohner aber nur folgerichtig ist. Die meisten Bewohner der Krim können die Kritik nicht nachvollziehen. Sie fühlen sich durch diese Machtdemonstration geschützt, freuen sich auf diesen Feiertag und fragen sich, mit welchem Recht die EU und die USA ihnen vorschreiben wollen, was sie zu tun und zu lassen, wie sie zu denken und zu fühlen haben.

Als Patrioten verstehen sich die Träger des Georgsbandes allemal. Es gibt ein Wort, das derzeit im Zusammenhang mit dem gestreiften Band die Runde macht: "Ich vergesse nicht! Ich bin stolz!"