Elektronik
Für das Gefühl von Freiheit

Autofahren ist für Behinderte mit vielen Hürden verbunden

09.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr

Elektronik macht es möglich: Auch Menschen mit Handicap können Autofahren, mit speziell umgerüsteten Fahrzeugen. So sind sie mobil – und selbstständig. Aber der Umbau ist nicht billig. Der 19-jährige Louis freut sich, dass es endlich Frühling ist. Im Winter sind seine Hände ganz eisig, wenn er im Rollstuhl die 200 Meter von seiner Wohnung bis zur Trambahn-Haltestelle gerollt ist. „Das ist wirklich ein Horror, mit dem Rollstuhl durch den Schnee, da brauche ich zehn Minuten für 200 Meter.“

Noch vor vier Jahren war Louis auf der rechten Seite und an den Beinen gelähmt. Mittlerweile kann er den Arm bewegen, auch in seinen Oberschenkeln hat er Gefühl. Trotzdem ist Louis seit einem Skiunfall auf den Rollstuhl angewiesen. Freiheit gibt ihm das Autofahren.

Rollstuhlfahrer können in zahlreichen Fahrschulen in ganz Deutschland ihren Führerschein machen. In München hat sich der Betrieb Laberger darauf spezialisiert, Menschen mit Handicap zu unterrichten. Ralf Jakob führt seine Fahrschule als Familienbetrieb schon in der dritten Generation. Sie ist die älteste Fahrschule in München.

Individuelle Lösungen

1924 wurde sie gegründet, als viele Männer mit schweren Verletzungen vom Ersten Weltkrieg zurückgekommen waren. Aber auch sie wollten Auto fahren. Die Brüder Hans und Heinrich Laberger nahmen sich der „Versehrten“ an und stellten ihnen behindertengerechte Fahrzeuge zur Verfügung. 1942 kam der Umrüstungsbetrieb hinzu. Von nun an baute man Autos individuell für die Kunden um.

Egal, ob jemandem die Beine fehlen oder die Arme: Mit Handgas oder Lenkradknopf, Aufstehhilfe, Schwenksitz oder Hebebühne kann Ralf Jakob, der gelernte KFZ-Meister, jedes Auto so umrüsten, dass es für den Betroffenen einfach zu bedienen ist. „Dabei spielt das Beratungsgespräch eine wichtige Rolle“, sagt Jakob.

Er deutet auf ein Gerät, das ein bisschen so aussieht wie ein Heimtrainer: Autositz, Fußpedale, ein Lenkrad, darüber ein verkabelter Monitor. „Auf der Driver-Test-Station wird getestet, wie viel Kraft der Einzelne überhaupt hat. Dann kann ich alles genau auf den Gehandicapten einstellen. Autos von der Stange gibt es nicht.“

Die Spannbreite bei den Umrüstungskosten ist weit: 40 Euro kostet eine Aufstehhilfe, 140 Euro ein Lenkradknopf, der das Drehen des Steuers mit einer Hand erleichtert. Je mehr technische Hilfsmittel zum Einsatz kommen, desto teurer. Rund 1800 Euro hat Louis für die Umrüstung seines Autos bezahlt. Der grau-silberne Volvo ist mit einem Handgas- und Bremshebel ausgestattet, dazu ein einfacher Lenkradknopf. „Weniger Hilfsmittel als ich habe, kann man, glaube ich, gar nicht einbauen“, meint er und lacht. Staatliche Zuschüsse für den Umbau gibt es nicht, es sei denn, man ist angestellt. Allenfalls die Arbeitsagentur, Berufsgenossenschaften oder die Rentenversicherung kommen als Kostenträger infrage. „Zuschüsse zu einem behindertengerechten Fahrzeug sind in Deutschland an eine Erwerbstätigkeit gebunden“, erklärt Lutz Niestat, Referent für Öffentlichkeitsarbeit vom Allgemeinen Behindertenverband in Deutschland.

Große Schwierigkeiten

Gerade Eltern von älter werdenden behinderten Kindern bereite dies große Schwierigkeiten. „Viele Familien sind vom gesellschaftlichen Leben regelrecht ausgeschlossen, weil sie mit ihrem Kind im Elektrorollstuhl nirgendwo hinkommen“, kritisiert Helmut Rebmann vom Verein „Mobil mit Behinderung“. „Das sind oft riesige Summen, die man für einen Fahrzeugumbau hinlegen muss: In meinem Fall sind das allein 10 000 Euro.“

Neben der finanziellen gibt es zwei weitere Hürden, die ein Mensch mit Handicap auf dem Weg zum Führerschein überwinden muss: das medizinische und das technische Gutachten. Der Fahrschüler muss der Führerscheinbehörde ein ärztliches Attest vorlegen, das die gesundheitliche Eignung zum Autofahren bescheinigt. Sachverständige vom TÜV überprüfen noch die technischen Voraussetzungen des Kraftfahrzeugs, damit der Fahrschüler gefahrlos am Straßenverkehr teilnehmen kann.

„Die haben geschaut, welche Vorrichtungen ich in meinem Auto brauche, um trotz meiner Einschränkungen das Auto bedienen zu können“, erklärt Louis. Er weiß, ihm geht es im Vergleich zu anderen richtig gut. „Ich bin noch ziemlich mobil. Für mich sind Rolltreppen kein Problem. Da komme ich mit dem Rollstuhl runter.“ Doch er habe einen guten Freund, der bei allem auf fremde Hilfe angewiesen sei. Für den sei es „das größte Gefühl von Freiheit, mit 180 Sachen über die Autobahn zu brausen“. epd