Das Bier des Bürgermeisters

In der mittelfränkischen Stadt Spalt gibt es die einzige kommunale Brauerei Deutschlands

24.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:27 Uhr

Spalt (DK) Brauereibesitzer ist in Spalt im Landkreis Roth ein jeder. Denn die Stadtbrauerei gehört den Bürgern – seit 1879. Das Konstrukt ist einmalig in Deutschland. Krankenhäuser, Müllabfuhr, Wasserwerke, Personennahverkehr oder Stromversorger – kommunale Unternehmen gibt es zuhauf, aber eine Brauerei, die quasi aus dem Rathaus geführt wird, gibt es nur im Spalter Hopfenland.


In Norddeutschland findet man zwar noch einige „städtische“ Brauereien, aber die führen der Zusatz nur deshalb, weil die Stadt Anteile besitzt oder besaß. In Spalt gehört aber alles der Stadt, weshalb der jeweilige Bürgermeister auch der Vorsitzende des Werkausschusses ist. Sprich, er ist der Geschäftsführer. „Bürgermeister sein in Spalt, das bedeutet, zwei Berufe zu haben“, sagt denn auch Amtsinhaber Udo Weingart.

Einst stand die Brauerei im Ruf, „die Melkkuh der Nation“ zu sein. „Das ist schon lange nicht mehr der Fall“, sagt Weingart. So habe man um die Jahrtausendwende sogar rote Zahlen geschrieben. Aber die seien mittlerweile abgebaut. Allerdings könnte die Brauerei heutzutage gar nicht mehr als Melkkuh missbraucht werden. „Die Stadt bekommt lediglich die Steuereinnahmen“, so Weingart. Gewinne fließen ins Unternehmen. Sicher ein Grund, dass es heute hochprofessionell und modern dasteht – ohne seine Tradition und seine Wurzeln zu leugnen. So sind es zwar noch die traditionellen Mauern, in denen gebraut wird, aber die Technik, Sudkessel, Kühlung, Abfühlung, Steuerung – das ist alles auf dem aktuellen Stand. 12,8 Millionen seien seit 1995 investiert worden, erklärt Weingart.

Nicht nur deshalb ist es aus Weingarts Sicht „undenkbar, die Brauerei abzugeben“. Unternehmen und Stadt passten zusammen. Aus touristischer Sicht ist es zudem ideal, dass die Gebäude mitten in der verwinkelten mittelalterlichen Stadt liegen und nicht in irgendeinem Industriegebiet. „Sie ist Teil einer lebendigen Innenstadt“, sagt Weingart. Die bald auch noch ein Hopfenmuseum im riesigen Kornhaus bekommt, wo auch das Bier seinen angemessenen Platz hat. Zu ihrer Brauerei gekommen sind die Spalter Bürger eher zufällig. Im Jahr 1879 war die damals fast 250 Jahre alte Lammsbrauerei tief in die roten Zahlen gerutscht. Rund58 000 Mark schuldete die Besitzerin Walburga Rutsch der Stadt. Als das Anwesen zur Versteigerung anstand, hatte der Stadtrat beschlossen, mitzusteigern. Damit wollte man vor allem seine Forderungen sichern. Allerdings war das Interesse gering und so wechselte die Brauerei für 33 355 Mark in den Besitz der Stadt. Es gab damals noch sechs weitere Brauereien in Spalt, die allerdings zu keiner Zeit die Nachfrage decken konnten. Dass sich trotzdem keiner für das stattliche Anwesen erwärmte, lag laut Chronist Anton Forster daran, dass man die hohen Investitionen für die notwenige Modernisierung fürchtete.

In den Herzen vieler Spalter hat die Brauerei wohl irgendwann ihren festen Platz bekommen. So wie bei Martin Haberkorn, der seit seiner Jugend in der Brauerei arbeitet. Es gibt wohl keine Ecke der Brauerei, die er nicht kennt – und kein Kontrollinstrument, dessen Parameter er nicht versteht.Wie noch fünf weitere Mitarbeiter der Brauerei führt auch er die Besuchergruppen durchs Haus. Wenn man ihn nach den Vorzügen der Brauerei fragt, gerät er sofort ins Schwärmen. „Wir produzieren nur mit den besten Rohstoffen, wird verwenden regionales Malz und haben eine Topwasserqualität.“ Und ganz Lokalpatriot: „Wir haben den besten Hopfen der Welt.“

Dass das Bier seine Qualität habe, dafür würde auch außergewöhnlich viel Aufwand betrieben, sagt Haberkorn. Trotz unvermeidbarer Automatisierung und Computersteuerung könne in der Spalter Brauerei noch alles per Hand betrieben werden. „Wir sind traditionell und zeitgemäß.“ Und zu dieser Handwerklichkeit stünde man auch.

Ihre Besonderheit hat die Brauerei sicherlich schon dadurch, dass sie 5100 Besitzer hat. Aber das sei es nicht alleine, sagt Bürgermeister Udo Weingart. Es sei auch die Philosophie. „Wir sind ein handwerklicher Betrieb, wir sind nicht die Größten und wir setzen uns vom Konsumgedanken ab.“ Dazu komme die Prägung durch den Hopfen. So sei es auch selbstverständlich, dass die Landwirte von der Brauerei einen höheren Preis bekommen. „Wir sagen, hier ist die Region, wir möchten etwas dafür tun.“ Wer das glaubhaft rüberbringt, dessen Produkte würden auch gekauft, wenn sie etwas teurer seien. Weingart ist sich auch sicher, dass kleinere Brauereien nur über Qualität eine Chance haben. „Masse bringt nichts.“

Seit einiger Zeit hat die Spalter Brauerei – mit anderen – auch einen Weg eingeschlagen, an dessen Ende Bier einen ähnlichen gesellschaftlichen Rang haben soll wie Wein. Dazu wurde vor einiger Zeit der Biersommelier Markus Böhm eingestellt. „Wir wollen die Leute auf den Geschmack aufmerksam machen“, sagt Böhm. Auch auf die Unterschiede, auf das Besondere und die Qualität, damit das Produkt anders wahrgenommen werde. „Man muss sich doch auch die Fragen stellen, warum gibt es in Lokalen eine gesonderte Weinkarte mit kleinen Texten zu jeder Sorte, aber keine entsprechende Bierkarte.“ Bier sei ein Kulturgut, das älter alsWein sei. Man könne sich viel von Wein abschauen, wie er kommuniziert und präsentiert werde. Dazu ist es für Böhm aber auch unerlässlich, dass die Biere einen ganz eigenen, besonderen Geschmack haben. Sprich, man will sich von der Gleichförmigkeit der Produkte der Bierindustrie klar abheben. Nicht jeder mag Spalter Bier, weil es beispielsweise intensiv nach Hopfen schmeckt. Gerade für diese Eigenschaft schätzen es seine Anhänger. „Spalt wird sich nicht verändern, auch wenn wir nicht jeden gewinnen“, sagt Udo Weingart