Neuburg
Das Beste kommt zum Schluss

Starkbierfest der Freien Wähler mit Spottheinrich-Debüt, Längen – und einem fulminanten Finale

04.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:46 Uhr

Mit einem Medley voll augenzwinkerndem Lokalkolorit bringen Roland Harsch, Schorsch Thaller und Anita Kerner Stimmung in den Kolpingsaal (oben). Sissy Schafferhans verdingt sich als „Missis Sissy“ vom Beschwerdemanagement (links) und Christine Ruschak tritt als Eierfrau „Zenzi“ auf - Fotos: Stengel

Neuburg (DK) Wer beim Starkbierfest der Freien Wähler im nicht ganz ausverkauften Kolpinghaus den unumstrittenen Höhepunkt des Abends miterleben wollte, musste viel Sitzfleisch mitbringen. Denn die 27. Auflage des munteren Derbleckens zeichnete sich durch Höhen und einige Tiefen aus.

Ein würdiges Debüt als Spottheinrich feierte Schorsch Thaller, der seine Rolle als Fastenprediger mit ungewohnt ernsten Untertönen, sehr intellektuell und zeitweise etwas moralapostelnd anging. Hintersinnig spöttelnd blickte er zurück auf das verlorene Buhlen um den Ryder Cup in Neuburg, auf das „Weinen nach der internationalen Golfspielstätte mit den großkopferten Möchtegerns ins bespikten Schuhen“ und appellierte an die gewählten Volksvertreter, auch einmal etwas ohne den Gedanken an „persönliche Machtgefühle und das eigene Portemonnaie“ zu tun.

„Was muss man oft von bösen Buben lesen, welche Weigert und Gmehling hießen“, spielte er auf das dissonante Verhältnis von Neuburgs OB und Landrat an, die er als „Lolek und Bolek“ titulierte, die im Streit um den Abfall schnell zum Entsorgungsfall werden könnten. Schließlich regierten sie in einem Landkreis, „wo der Bürger sich in den letzten 20 Jahren durch die saustrengste Abfallpolitik Deutschlands ein Fachwissen über das Trennen angeeignet hat“, das ihn anderswo auf der Welt als Spezialist qualifiziert. Mit der „blockwartgleichen Müllpolizei“ und dem „SED-gleichen Entsorgungs-FBI im Landkreis“ lieferte Thaller den ersten Brüller. Und der passte auch noch zur Tischdeko, die aus Miniaturen der von den Freien Wählern geforderten Gelben Tonne bestand.

An Fritz Goschenhofer und dessen „gefühlte 200 Jahre im Stadtrat“ appellierte er: „Schreibe Deine Memoiren. Es wird zwar kein Harry Potter, obwohl schon einiges mystisch war.“ Wie damals Bismarck verlasse auch Kulturamtsleiter Dieter Distl das Schiff. Seiner Nachfolgerin Kathrin Jacobs gab Spottheinrich einen Tipp: „Es gibt hier Kulturschaffende, die meinen, Neuburg ist der Mittelpunkt der Welt.“ Doch man müsse vorsichtig sein: Florenz habe die Aufholjagd gestartet.

Noch ein wenig mehr Lokalkolorit hätte man sich von diesem durchaus sprachgewaltigen und wortschöpferischen Spottheinrich gewünscht, der stattdessen die große Politik philosophierend aufs Korn nahm und in dessen verschlungenen wie schnell gesprochenen Schachtelsätzen leider auch die eine oder andere Pointe auf der Strecke blieb.

Nett geriet der Beitrag des Trios Schafferhans & Co., die in einer Powerpoint gestützten Einlage mit Fotomontagen die Freien Wähler eine Arche bauen ließen, „denn der Landrat muss aufpassen, dass er nicht mehr absäuft“. Ansonsten kam Weigert, der das Starkbierfest vor der Zeit verließ, mit seinem missglückten Donauschwimmer-Debüt weitgehend ungeschoren davon. FW-Vorsitzender Roland Harsch überreichte ihm das Seepferdchen in Übergröße: „Für 400 Meter selbstständiges Schwimmen in den reißenden Fluten des Flusses“.

Doch zurück zu Schafferhans & Co.: Als „Missis Sissy“ nimmt sich die Kabarettistin in der Bürger-Missverständnis-Vermittlungsstelle diverser Anrufer an, um das Bürger-Burnout-Syndrom zu bekämpfen. Wacker kämpfte sich Sissy Schafferhans, begleitet von Ehemann Heinz und Peter Segeth, so durch Stadtrat und Verwaltung, stimmte eine Silver-Ager-Hymne an (Ja mit 50, da sind wir nicht gern alleine), verbildlichte auf Großbildleinwand „die Abgründe zwischen Landrat und OB“ und sprach sich für die an diesem Samstag viel zitierte Gelbe Tonne aus: „Wenn S’ alles vor der Haustür abholen, wär mir alles wurscht.“ Stimmlich und texterisch in den Liedern stark, gerieten jedoch manche ihrer Gags ein wenig seicht.

Seltsam fern blieb dem Publikum nach einer weiteren schneidigen Musikeinlage der Baringer Blaskapelle die Darbietung der Ehekirchenerin Christine Ruschak, die als Eierfrau Zenzi über Hutschau, Windkraft und einen Nacktscanner im Landratsamt monologisierte. Doch nach dem ersten „Langweilig“-Zwischenruf räumte sie schnell die Bühne. Da lagen bereits drei Stunden Starkbierfest – nicht ohne Längen – hinter den Besuchern, die sich zumindest noch immer den Operator und bayerische Brotzeiten schmecken ließen.

Doch der Höhepunkt des Abends nahte zu fortgeschrittener Stunde: Anita Kerner, Schorsch Thaller und Roland Harsch setzten ihn mit ihrem Gesang. Unsterbliche Schlager und eingängige Ohrwürmer aus Musical und Operette brachen sie temperamentvoll herunter auf die Neuburg-Ebene und hoben an zu einem fulminanten „Wir haben alle Visionen“, eine musikalische Anspielung auf einen Kunstrasenplatz in Joshofen. Mit blonder Perücke sang Anita Kerner alias Doris Stöckl: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Wähler eingestellt. Sag’ das, was ihm gefällt. Und sonst gar nichts.“ Auch Landrat und OB bekamen noch einmal mit „Kein Freund, kein guter Freund, auch wenn der Landkreis auseinanderbricht“ ihr Fett weg. „I feel pretty“ mutierte zum viel beklatschten „Bin der Winter“. Als die Fritz-Goschenhofer-Hymne „In Feldkirchen blüh’n die letzten Rosen. Möcht’ einmal nochmal Reden schwingen“ wehmütigst und wohlakzentuiert erklang, tobte endlich einem Starkbierfest gebührend der Saal. Gerne hören wir mehr von diesem ambitionierten Trio und seinem beschwingten Medley beim Starkbierfest 2013.