Ingolstadt
" . . . dann ist er süchtig geworden"

Die Reuchlin-Jazzcombo jes! und ihre Begeisterung für mehr als 100 Jahre alte Musik

14.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:07 Uhr

Jes! Die Jazzcombo des Reuchlin-Gymnasiums spielt seit zwei Jahren zusammen. Am 3. November jammen die Schüler im Rahmen der Ingolstädter Jazztage mit anderen Nachwuchsmusikern im Diagonal - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Spaziergänger, die an einem Freitagnachmittag auf der Gymnasiumstraße unterwegs sind, werden oft von jazzigen Melodien und Rhythmen beschwingt, die aus dem Reuchlin-Gymnasium dringen.

Denn nach Schulschluss gehört ein Musiksaal den jungen Jazzmusikern des Hauses. Die Combo jes! pflegt eine vor mehr als 100 Jahren entstandene Stilrichtung, die manche wohl eher mit älteren Herren oder lang verstorbenen Amerikanern wie Louis Armstrong assoziieren. Doch die Reuchlin-Schüler jazzen und jammen mit jugendlicher Euphorie. Die Mitglieder der Band spielen seit zwei Jahren zusammen. Jes! – das sind Ella Mittnacht (17) an der Gitarre, Julian Wiercinski (16) am Bass, Justus Hierlmeier (17) am Altsaxofon, Josef Heinl (17) am Piano und Simon Leininger (17) am Schlagzeug. Wie begeistert man junge Leute ausgerechnet für Jazz? Für jes! ist die Antwort klar. Das liegt vor allem an ihrem Lehrer: Robert Aichner. „Als ich aufs Reuchlin gekommen bin, habe ich die Bigband und die Jazzcombos erlebt. Ich fand das alles so schön. Vor allem die Combos. Ich bin in der fünften Klasse mit dem Schlagzeug bei den Jazz-Juniors aufgenommen worden und später in die Bigband“, erinnert sich Ella. Auch für die anderen fing alles mit der Bigband an. Von da an gab es für die Musiker kein Zurück mehr. Der Jazz beseelt sie.

Bevor Josef aufs Reuchlin gegangen ist, hat er Aichner als Klavierlehrer kennengelernt. So fand er zum Jazz. „Der hat mal einen Blues dabei gehabt, und dann hab ich den gespielt und dann noch einen . . .“ – „. . . und dann ist er süchtig geworden“, wirft Ella lachend ein.

Diese Sucht zeigt sich mittlerweile auch in der Freizeit. Justus erzählt, dass er die Musik der 1950er-Jahre sehr mag, besonders den typischen Big-band-Swing würde er gut finden. Die anderen Bandmitglieder hören ebenfalls gerne Jazz, vor allem die Musik von Jamie Cullum und Maceo Parker, der heuer auch bei den Ingolstädter Jazztagen auftritt.

Am Reuchlin-Gymnasium haben die Schüler schon in der fünften und sechsten Klasse die Möglichkeit, den Jazz-Juniors beizutreten. „Hier nehmen wir jeden auf, der sein Instrument einigermaßen beherrscht, ohne große Beschränkungen“, erklärt Aichner. Ab der siebten Klasse können sich die Schüler der Bigband anschließen. Spätestens dann erkennt der Musiklehrer, wer sich gern mit Jazz beschäftigt. „Es ist auch eine Frage der Konzentration, weil wir stark an den Stücken feilen“, erzählt Aichner. „In den Jazzcombos spielen wir ohne Noten, wir hören aufeinander, die Musiker denken mit.“

Das große Interesse an den Jazzensembles liegt seiner Meinung nach vor allem an der Vorbildfunktion der älteren Schüler: „Wenn die Kleinen die Auftritte der Größeren sehen, denkt sich manch einer: ,Das will ich auch können!’“ Auch innerhalb der Band jes! waren es Schüler aus höheren Klassen, die Interesse weckten. Simon erzählt, dass sein Bruder, der Mitglied einer Jazzcombo war, ihn dazu gebracht hätte. „Er hat Klavier gespielt, und das hat ihm großen Spaß gemacht. Da wollte ich auch mal.“ Ab und zu kommen sogar ehemalige Schüler vorbei und jammen mit.

Aichner unterstützt die Musiker auch technisch. „Wir hatten erst keine Möglichkeit, bei mir zu Hause zu proben, weil wir keinen Bassverstärker haben“, erzählt Ella. Also brachte der Lehrer einen vorbei. „Außerdem hilft er uns bei Stücken und ist immer für uns da.“ Aichner betont dagegen, wie selbstständig die Band sei und wie professionell für ihr junges Alter. „Die Auftritte organisieren sie alleine, da muss ich nicht mal mehr mitfahren. Sie schreiben sogar ihre eigenen Lieder.“ Aufgeregt seien sie vor Auftritten eher weniger, verrät Justus grinsend: „Außer, es sitzen alle brav vor uns still drin und hören ganz genau zu.“

Was die Nachwuchsjazzer am Montag, 3. November, bei der großen Schülersession (ab 19 Uhr im Diagonal) spielen wollen, haben sie sich noch nicht überlegt. „Es ist ja eine Session, das heißt, wir werden uns ganz spontan entscheiden und das spielen, worauf wir Lust haben“, sagt Julian. Das Spontane ist das Besondere an dieser Stilrichtung. Der Meinung ist auch Robert Aichner: „Jazz ist offen, da kann jeder mitspielen, der Ahnung hat, egal wie alt er ist.“