Ingolstadt
"Da kann man nur gratulieren"

21.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:50 Uhr

Will mit dem VfL Wolfsburg wieder international spielen: Geschäftsführer Dieter Hoeneß - Foto: imago

Ingolstadt (DK) Dieter Hoeneß erlebt gerade eine äußerst arbeitsintensive Saisonvorbereitung. Nach Rang acht in der Vorsaison will er als Geschäftsführer dem VfL Wolfsburg ein neues sportliches Gesicht verpassen, um den Deutschen Meister von 2009 in der am 20. August beginnenden Bundesligasaison wieder ins internationale Geschäft zu führen. Im Rahmen der Vorbereitung kommt der VfL am Samstag auch in Ingolstadt vorbei und nimmt gemeinsam mit Gastgeber FC 04 und dem Zweitligisten FC Augsburg am Blitzturnier im Rahmen der offiziellen Eröffnung des neuen Audi Sportparks teil (ab 18.30 Uhr). Unser Redakteur Norbert Roth unterhielt sich mit Hoeneß über die aktuelle Situation beim VfL und natürlich auch über den FC Ingolstadt 04.

Herr Hoeneß, selten gab es so viele Spekulationen über mögliche Abgänge beim VfL. Sie dürften aufgrund der zahlreichen Verhandlungen gerade stressige Tage erleben.
 

Dieter Hoeneß: Naja, in erster Linie müssen natürlich Sie und Ihre Kollegen zu Ihren Geschichten kommen. Da sind schon sehr viele Gerüchte dabei, da wird auch sehr viel spekuliert.

Erst gestern soll der Berater des abwanderungswilligen Mittelfeldregisseurs Zvjezdan Misimovic bei Ihnen gewesen sein.

Hoeneß: Der war nicht da, und da gibt es auch keine Neuigkeiten. Selbst wenn der Berater da gewesen wäre, steht fest, dass Misimovic bleibt. Die Spekulationen in diesem Zusammenhang sind wirklich ohne Hintergrund.

Als nächstes Gerücht sollen – rechtzeitig vor dem Saisonauftakt des VfL gegen den FC Bayern – die Stürmer Mario Gomez und Edin Dzeko die Vereinstrikots tauschen.

Hoeneß: Auch das ist pure Spekulation, das hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Ich habe es schon öfter gesagt: Wenn nicht etwas ganz Außergewöhnliches passiert, wird Edin Dzeko zumindest noch diese Saison bei uns spielen. Außergewöhnlich würde heißen, dass ein Verein mit einer Summe um die Kurve kommt, die wirklich außerhalb des Vorstellungsvermögens liegt. Dann würden wir vielleicht darüber nachdenken. Aber das ist nicht zu erwarten. Gehen wir also davon aus, dass Edin bleibt. Wir sind sehr, sehr froh darüber, dass wir jetzt die Kontrolle haben, was bis zum 31. Mai nicht der Fall war. Da hätten wir ihn für die vertraglich festgeschriebene Ablöse von 40 Millionen Euro gehen lassen müssen. Jetzt entscheidet allein der VfL, was passiert.

Wenn also Manchester City, Juventus Turin oder der AC Mailand Dzeko noch haben wollen, reichen diese 40 Millionen nicht mehr.

Hoeneß: Definitiv nicht. Da müssten jetzt schon erheblich höhere Summen aufgerufen werden, damit wir zu überlegen beginnen. Juventus Turin und der AC Mailand haben keine 40 Millionen, geschweige denn mehr. Nach meiner Information holt Manchester einen anderen Stürmer. Wir sind froh, dass dieser Kelch an uns vorüber geht, und Edin bei uns bleibt.

Als dritter Spieler aus dem "magischen Dreieck" des Meisterjahres wird Stürmer Grafite bereits als Neuzugang bei Fenerbahce Istanbul vermeldet.

Hoeneß: Genau das Gleiche: Da ist überhaupt nichts dran, da gibt es nicht mal ein Angebot. Seit acht Wochen wird in den türkischen Zeitungen spekuliert, vor etwa zehn Tagen hat sich dann mal ein Vertreter des Klubs bei mir gemeldet. Dem habe ich gesagt: "Wenn ihr Interesse habt, dann macht uns ein schriftliches Angebot." Auf das warte ich heute noch.

Wenn man drei Spieler dieser Qualität hat, die von derart massiven Wechselgerüchten begleitet sind, beeinträchtigt das nicht die die Trainingsarbeit?

Hoeneß: Die Trainingsarbeit belastet das mit Sicherheit nicht. Bei Grafite schon deswegen nicht, weil er nach der WM drei Wochen Urlaub bekommen hat, und ebenso wie der Brasilianer Josué erst am kommenden Montag wieder einsteigt. Dzeko ist voll im Training, Misimovic nur aufgrund einer Wadenverletzung derzeit nicht dabei. Da gibt es keine Probleme.

Mit Steve McClaren haben Sie einen neuen Trainer, außerdem gab es schon fünf Neuzugänge und sechs Abgänge. Es macht den Eindruck, als wollten Sie nach dem wenig erfreulichen Platz acht in der Vorsaison den VfL neu aufstellen.

Hoeneß: Stück für Stück. Aber das ist ein Prozess und kein Akt. Sicher muss eine Mannschaft verändert werden, besonders, wenn man eine Saison hinter sich hat, die vor allem im Defensivbereich nicht zufriedenstellend war. Da kann man zum einen taktisch reagieren, ich war aber der Meinung, dass wir auch personell etwas tun mussten.

Mit dem dänischen Nationalspieler Simon Kjaer und der WM-Überraschung Arne Friedrich – beide für die Innenverteidigung – haben sie da ja bereits Spieler verpflichtet.

Hoeneß: Ja, das sind wirklich Wunschspieler. Beide standen ganz oben auf unserer Liste.

Wie sehr schmerzt es, dass Sie beim Bieten um Michael Ballack gegen Leverkusen verloren haben?

Hoeneß: Das sehe ich nicht als Niederlage an. Ich finde, dass es aus unserer Sicht schon mutig war, in dieses Rennen überhaupt einzusteigen. Erstaunlich war für uns auch, dass wir bis zum Schluss vorne dabei waren, während andere prominente Vereine sich frühzeitig verabschieden mussten. Am Ende war es dann eine hauchdünne Entscheidung vom Michael, bei der vor allem private Dinge – die ich im Übrigen nachvollziehen kann – den Ausschlag gegeben haben.

Da es im Kader zuletzt immer noch Veränderungen gab, haben Sie es lange vermieden, ein Saisonziel auszugeben. Würden Sie sich mittlerweile festlegen?

Hoeneß: Man kann auf jeden Fall jetzt schon sagen, dass wir in der kommenden Saison wieder ins internationale Geschäft wollen. Wohl wissend, dass es da sicher acht, neun oder zehn Vereine gibt, die ähnliche Zielvorstellungen haben.

Kommen wir zum FC Ingolstadt. Mit Mahir Saglik haben Sie noch einen Stürmer im Kader, der immer wieder mit dem FC 04 in Verbindung gebracht wird. Besteht eine Chance, dass der Spieler nach Ingolstadt kommt?

Hoeneß: Also bisher haben sich die Ingolstädter bei uns noch nicht gemeldet. Es gibt zwei andere Zweitligisten, die Angebote abgegeben haben. Es ist zwar noch keine Entscheidung gefallen, allerdings steht sie unmittelbar bevor.

Damit ist Ingolstadt wohl aus dem Rennen, und die Hoffnung dahin, dass Sie den Stürmer – quasi als Geschenk zur Stadioneröffnung – am Samstag mitbringen.

Hoeneß: (grinst) Also für mich ist, wie gesagt, das Interesse des FC Ingolstadt neu. Der Wechsel ist ja noch nicht über die Bühne, so gesehen liegt es nicht an uns. Ich kann nur sagen: Das Spiel ist am Samstag – mein Telefon ist an.

Wie beurteilen Sie als Fußballmacher den Stadionneubau des FC Ingolstadt. Ein moderner Sportpark, in dem zum Beispiel durch die Logen entsprechende Vermarktungsmöglichkeiten entstehen, scheint heutzutage unabdingbar zu sein, wenn man sich im Profifußball etablieren will.

Hoeneß: Auf jeden Fall. Wenn ein Verein nachhaltig Erfolg haben will, muss die Infrastruktur stimmen, das Vereinsgelände, die entsprechende Nachwuchsförderung und natürlich auch die Spielstätte. So gesehen kann man dem FC – auch wenn ich das Stadion noch nicht gesehen habe – jetzt schon gratulieren, dass er diesen Schritt gemacht hat.

Durch die Hauptsponsoren VW und Audi ist schon eine gewisse Verbindung gegeben. Wie würden Sie das Verhältnis der beiden Klubs beschreiben? Ist der FC Ingolstadt 04 vielleicht wie ein kleiner Bruder des VfL, der stetig größer wird?

Hoeneß: Ja, das kann man schon so sagen. Die Ingolstädter haben wie der VfL einen starken Partner, der sie unterstützt. Im Fußballgeschäft ist die Konkurrenz sehr groß. Da ist es wichtig, jemand an der Seite zu haben, der Dinge aus Überzeugung tut. Das verhält sich bei beiden Klubs sicher sehr ähnlich.

Zur Stadioneröffnung am Samstag kommen Sie direkt aus dem Trainingslager im österreichischen Going. Welchen Stellenwert hat das Turnier für den VfL?

Hoeneß: Wir werden am Samstag anreisen und wollen dann wieder einmal den Ernstfall testen. Es sind zwar noch ein paar Wochen Zeit bis zum Saisonstart, aber wir nehmen das schon sehr ernst und werden mit dem bestmöglichen Kader antreten.

Es fehlen lediglich einige WM-Teilnehmer, oder?

Hoeneß: Ja. Wir hatten ja insgesamt elf Spieler in Südafrika, davon haben die beiden Brasilianer Grafite und Josué sowie Arne Friedrich noch ihre vereinbarte Pause. Zwei weitere, der Paraguayer Jonathan Santana und der Nigerianer Obafemi Martins, haben inzwischen andere Vereine gefunden. Aber die anderen, der Schweizer Diego Benaglio, die Dänen Simon Kjaer und Thomas Kahlenberg, der Japaner Makoto Hasebe, der Slowake Peter Pekarik und der Algerier Karim Ziani werden mit anreisen. Wer davon einsatzfähig ist, das entscheidet Steve McClaren.