Ingolstadt
Sohn im Suff niedergestochen

21.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:50 Uhr

Ingolstadt (DK) Blutiges Familiendrama: Ein 24-jähriger Ingolstädter hat seinen Vater verprügelt. Der rammte seinem Sohn daraufhin ein Küchenmesser in den Bauch. Wegen gefährlicher Körperverletzung wurde der 53-jährige Ingolstädter gestern vor dem Schöffengericht am Amtsgericht zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Eigentlich hätte es ein gemütlicher Abend mit der Familie werden sollen. Der 53-jährige Staplerfahrer hatte seinem Sohn im Mai geholfen, in dessen Ingolstädter Wohnung einen Laminatboden zu verlegen. Danach kochte die Mutter für die ganze Familie. Man habe "reichlich Wodka getrunken", räumte der Angeklagte über seinen Verteidiger Rainer Maria Rehm ein. Deutlich alkoholisiert entbrannte ein Streit. Der Sohn, ein Auszubildender aus Ingolstadt, schlug auf den Vater ein, verletzte ihn im Gesicht. Der Vater, körperlich deutlich unterlegen, griff zu einem 11,5 Zentimeter langen Gemüsemesser, das auf der Küchenarbeitsplatte lag, und stach zu. "Ich habe ihn nicht verletzten wollen", beteuerte der Angeklagte.

 
Doch der Sohn musste mit einer Notoperation behandelt werden. Staatsanwältin Veronika Wankerl spricht von lebensgefährlichen Verletzungen in der Nierengegend. Doch das blieb letztendlich Spekulation: Der verletzte Sohn verweigerte nicht nur die Aussage, sondern entband auch die behandelnde Ärztin nicht von ihrer Schweigepflicht. "Mein Sohn hat mir verziehen", ließ der Angeklagte erklären. Auch Mutter und Schwiegertochter schwiegen sich zu den Vorwürfen aus.

Schwierig war der Prozess für Richter Roland Walentin nicht nur wegen des Familienzusammenhalts der Zeugen und des Angeklagten. Es hatte im Vorfeld auch zwei Ermittlungspannen gegeben. "Das ist nicht so gut gelaufen", sagte Staatsanwältin Wankerl. Der Beschuldigte war nach der Tat alkoholisiert und ohne Anwalt vernommen worden. Außerdem konnte eine Spontanäußerung einer Familienangehörigen über den Tathergang gegenüber der behandelnden Ärztin vor Gericht nicht verwertet werden, weil ein Polizist ohne vorherige Belehrung in das Gespräch eingegriffen hatte. Der Vorwurf des versuchten Totschlags musste schon im Vorfeld fallen gelassen werden.

Die strittige Frage blieb, ob der Vater in Notwehr zugestochen hatte. Dann wäre er vermutlich mit einem Freispruch davongekommen. Dagegen argumentierte Wankerl, der 53-Jährige habe lebensgefährliche Verletzungen in Kauf genommen. "Es gab einen Angriff vom Sohn, der kräftig im Futter steht und ihm körperlich überlegen ist", konterte Verteidiger Rehm. Außerdem seien alle Beteiligten "besoffen wie die Hexen" gewesen. Bei einer Blutentnahme brachten es Vater und Sohn auf Alkoholwerte von 2,35 und 1,3 Promille. Auf ähnlich hohe Werte zur Tatzeit waren auch Mutter und Schwiegertochter gekommen.

Richter Walentin sprach von einem "Notwehrexzess". Wenn man sich mit einem Messer verteidigt, müsse man "dem unbewaffneten Gegnern die Gelegenheit geben, mit den Angriffen aufzuhören". Am Ende stand ein mildes Urteil von 15 Monaten, zu zwei Jahren auf Bewährung ausgesetzt. Als Auflage verordnete Walentin, dass der Vater an einer ambulanten Alkoholtherapie teilnehmen muss: "Vielleicht bringt es etwas, wenn in Zukunft zumindest einer in der Familie nüchtern bleibt."