Berlin
Bundestag beschließt Tarifeinheit

Heftige Kritik von der Opposition: Einschränkung des Streikrechts kleiner Gewerkschaften

22.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Berlin (DK) Thomas de Maizière (CDU) ist hinüber gekommen zu Andreas Nahles. Jetzt stecken der Innenminister und die Arbeitsministerin die Köpfe zusammen. Das Bild dort auf der Regierungsbank im Bundestag hat Symbolwert an diesem Tag, schließlich haben de Maizières Beamte Nahles’ Gesetzespläne zur Tarifeinheit sorgfältig geprüft und sie schließlich als verfassungskonform eingestuft.

Rückendeckung vom „Verfassungsminister“ hat die SPD-Politikerin also, doch kaum hat der Bundestag gestern grünes Licht gegeben, werden auch schon die ersten Klagen angekündigt. Beamtenbund-Chef Klaus Dauderstädt geht voran und fordert Bundespräsident Joachim Gauck auf, das Gesetz wegen Verfassungsbedenken nicht zu unterschreiben. Für die Union ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. So prescht Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) vor und fordert einen neuen Anlauf für schärfere Bestimmungen.

Hitzig wird die Debatte gestern geführt. Am Tag nach der überraschenden Einigung auf eine Schlichtung im Lokführer-Tarifstreit prallen noch einmal die Argumente pro und kontra Tarifeinheit aufeinander. Das Gesetz – eine „Lex GDL“? Tatsächlich dürften die Pläne der Koalition keinen unerheblichen Einfluss auf die Tarifauseinandersetzung bei der Bahn gehabt haben. Künftig soll nur noch die mitgliederstärkste Gewerkschaft das Recht haben, Tarifverträge in einem Unternehmen abzuschließen. Käme die GDL aber vor Inkrafttreten des Gesetzes zu einem Abschluss, hätte sie ihren Machtanspruch bei der Bahn erst einmal gesichert. Ihre Pläne seien ein Mittel zur Stärkung der Tarifautonomie, argumentiert Arbeitsministerin Nahles.

Das Gesetz ist die Reaktion der Politik auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das 2010 die bis dahin gültige Regelung gekippt hatte. Eine Firma, zwei Tarifverträge für die gleiche Beschäftigtengruppe – die höchstrichterliche Entscheidung machte es möglich. Dass der Gesetzgeber nun einen anderen Weg geht, führt zu scharfer Kritik bei der Opposition. So argumentiert Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, kleine Gewerkschaften hätten das Tarifniveau in Deutschland immer wieder angehoben. „Die SPD steht an vorderster Front, dass das Tarifniveau nicht nach oben gezogen wird. Schämen Sie sich eigentlich nicht für dieses Verhalten“ Sichtlich erbost rechnet auch Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst mit der Bundesregierung und ihren Plänen ab: „Das Gesetz ist eine Einschränkung des Streikrechts kleiner Gewerkschaften.“

Arbeitsministerin Nahles widerspricht energisch: Das Gesetz schränke weder das Streikrecht noch die Koalitionsfreiheit ein. Doch kollektives Verhandeln werde ad absurdum geführt, wenn nur für einzelne Gruppen verhandelt werde.

Bei der Abstimmung verweigern Nahles zahlreiche Unionsabgeordnete die Unterstützung: 16 Neinstimmen, acht Enthaltungen, 18 Abgeordnete von CDU und CSU blieben der Abstimmung fern. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) will das Gesetz so schnell wie möglich nachbessern. „Wir haben die Tarifautonomie ein Stück weit gestärkt. Aber das Gesetz wird harte Tarifkonflikte, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben, nicht verhindern“, erklärte Fuchs gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. „Wir werden mit der SPD über weitere Schritte sprechen.“

Er halte es für zwingend notwendig, dass für strategisch wichtige Unternehmen wie der Bahn eine 48-Stunden-Ankündigungsfrist für Streiks eingeführt werde. Notwendig sei auch ein gesetzlich vorgeschriebener Schlichtungsversuch nach der zweiten Streikrunde: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Tarifauseinandersetzungen zu schweren Schäden für den Standort Deutschland führen.“