"Buben, diesen Krieg verlieren wir"

17.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:39 Uhr

Max Elfinger in seinem Garten. Der Schweitenkirchener Altbürgermeister erinnert sich an den Kriegsausbruch vor 70 Jahren. - Foto: Moser

Pfaffenhofen (PK) "Hitler hatte immer eine braune Uniform an. An diesem Tag trug er plötzlich eine graue Soldatenuniform", erinnert sich Max Elfinger, wenn er nach dem 1. September 1939 gefragt wird. Das sei ein Zeichen dafür gewesen, dass sich Hitler für den ersten Soldaten im Staat hielt und Deutschland nun im Krieg ist.

Der Schweitenkirchener Altbürgermeister war zu Kriegsbeginn 13 Jahre alt und ging noch in die Schule: "An den Tag kann ich mich trotzdem ganz gut erinnern." Er hatte damals den Volksempfänger der Familie eingeschaltet und dort in einer Sondersendung von den Geschehnissen an der deutsch-polnischen Grenze erfahren. "Stundenlang haben die durchgegeben: Ab 5.45 Uhr wird zurückgeschossen", erzählt der 83-Jährige und rührt dabei in seiner Tasse. Max Elfinger sitzt in seinem Wohnzimmer und geht sehr offen mit seiner Vergangenheit um, schildert, wie begeistert die Jugend in diesen Tagen von Adolf Hitler und der Naziideologie war.

Der Lehrer in der Schule habe den ganzen Tag lang nur von Hitler erzählt. "Rechnen haben wir am Ende nicht können, aber von Hitler wussten wir alles", erinnert sich der Schweitenkirchener. Als Kinder hatten sie in der Hitlerjugend in ihren braunen Uniformen mehrmals in der Woche Appelle oder machten Fackelzüge. "Für uns Buben war es das Größte", so Elfinger. Sein Vater stand der Propaganda kritisch gegenüber. Im Ersten Weltkrieg kämpfte dieser bereits in der Kriegsmarine und hatte die Welt kennen gelernt. Von Anfang an sei dem Vater klar gewesen, dass dieser neue Krieg nicht zu gewinnen ist. Der Metzgermeister aus Schweitenkirchen erklärte seinen Söhnen die Situation an einer großen Weltkarte. "Buben, den Krieg verlieren wir", meinte Josef Elfinger. Er zeigte auf das kleine Deutschland und dann auf die vielen anderen Nationen, gegen die es kämpfte.

Am Anfang habe er noch dem Vater widersprochen und gemeint, dass der Krieg eine gute Sache sei, erinnert sich Max Elfinger. Doch das sollte sich schon nach kurzer Zeit ändern. Für seine strikte Ablehnung gegenüber dem Naziregime hatte Elfingers Vater mit Repressalien zu kämpfen. Als dieser sich beispielsweise weigerte, Geld für das Winterhilfswerk zu zahlen, habe es massive Drohungen gegen seinen Vater gegeben.

Bei Elfingers gibt es gerade Kaffee und selbst gebackenen Kuchen, hungern wie viele Menschen in den Kriegszeiten muss heute keiner mehr. "Das Essen im Krieg war für die Menschen eine Katastrophe", erinnert sich Elfinger. Es sei ein großes Glück für ihn gewesen, dass sein Vater eine Metzgerei betrieb und somit zumindest in seiner Familie immer genügend Fleisch auf die Teller gekommen sei. Für viele andere Menschen sei dies jedoch bei weitem schlimmer gewesen: "Die haben nur 50 Gramm Fleisch in der Woche bekommen."

Während des gesamten Krieges musste Max Elfinger nicht an die Front, er arbeitete für die Rüstungsindustrie in den Münchner BMW-Werken. Im Rückblick sei dies sehr großes Glück gewesen, bekräftigt der Altbürgermeister: "Ich wäre gerne Flieger geworden." Viele seiner Schulkameraden hatten einen ähnlichen Wunsch – endlich Soldat zu werden. "Als sie an die Front gekommen sind, waren sie nicht mehr begeistert", sagt Elfinger. Er selbst wohnte gegen Ende des Krieges in der Nähe von München und fuhr jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Er erlebte die Bombenangriffe auf die Stadt in den Bunkern der BMW-Werke hautnah mit: "Für uns Lehrlinge war das ein großes Abenteuer." Doch in den letzten Tagen der Krieges wurde es zu riskant, in München zu bleiben. Tiefflieger machten ihm dort den Weg in die Arbeit fast unmöglich und zu einen Spiel auf Leben und Tod. Max Elfinger entschloss sich deswegen bei seiner Familie in Schweitenkirchen zu wohnen und erlebte dort auch das Kriegsende. Die Menschen seien sehr froh gewesen, als der Krieg vorbei war, erinnert sich Elfinger: "Wir haben zwar fast nichts mehr gehabt, waren aber restlos glücklich, dass endlich alles zu Ende war."