Ingolstadt
Brennende Leidenschaft

Das Eberle-Quartett gastiert mit drei Uraufführungen beim Konzertverein Ingolstadt

14.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:14 Uhr

Geschwisterliche Musizierlust: Veronika Eberle spielt mit ihren Brüdern Manuel (Trompete) und Simon (Cello). Am Flügel werden sie von Yumiko Urabe begleitet - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Es war ein Abend der Novitäten: Zum ersten Mal traten beim Eröffnungsabend der neuen Konzertvereins-Saison die drei Geschwister Eberle gemeinsam in einem Konzert auf. Vier Werke, speziell für das kleine Ensemble, das Eberle-Quartett, komponiert, wurden erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Und wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt musizierte ein Ensemble in der merkwürdigen Besetzung Geige, Trompete, Cello und Klavier.

Wer so energisch die ausgetretenen Pfade des traditionellen Musiklebens verlässt, geht natürlich ein Risiko ein. Es kann viel schiefgehen bei so einem Konzert.

Aber es geschah das Gegenteil. Am Ende jubelte das Publikum, forderte geradezu von den Künstlern eine Zugabe, die diese indessen kaum geben konnten – weil es so gut wie kein Repertoire für diese entlegene Besetzung gibt.

Die Künstler zögerten zunächst bei ihrem Gastspiel im Ingolstädter Festsaal den Augenblick des ersten gemeinsamen Auftritts hinaus und überließen die Eröffnung dem Trompeter Manuel Eberle (Jahrgang 1987). Der hatte mit seinem Stück „Burning“ ein Werk komponiert, das dramaturgisch speziell für diesen Abend konzipiert schien. Die Musik sollte mit einem Trompetenruf das Programm einleiten. Dementsprechend rankte sich der Beginn des Stücks um dieses Intervall, variierte es, umspielte es, bis plötzlich eine Art Zwischenteil einsetzte – eine melancholische, an Klezmer-Musik erinnernde Melodie – und überraschend weitere Trompetenklänge aus den Lautsprechern hinzutraten und so eine fast schon pompöse Eröffnung inszenierten.

Sehr viel intimere Klänge folgten: Nach dem Trompeter stellten sich die beiden anderen Eberle-Geschwister, die Geigerin Veronika und der Cellist Simon, mit einem Repertoire-Stück vor: Maurice Ravels Sonate. Ein besseres Stück hätten sie nicht finden können. Denn es symbolisiert geradezu Partnerschaft. Wie in einem Gespräch wirft einer der beiden Musiker ein Motiv in den Raum, das der andere aufgreift, weiterspinnt, variiert – bis zum eigentlichen Höhepunkt der Sonate, dem „Lent“. In einer Art Choral stimmen die beiden Instrumente ein wunderbares, langsames Thema an, singen es aus. Veronika und Simon Eberle spielten das mit fast schon religiös anmutender Intensität, mit atemberaubender Konzentration und einem symbiotischen Gleichklang der Emotionen, wie ihn vielleicht nur Geschwister erreichen können.

Beim ersten Auftritt des gesamten Quartetts, den drei Geschwistern und der Pianistin Yumiko Urabe, gab es dann die erste Uraufführung: „Rain drops“ oder „Water games“ von Dirk-Michael Krisch (Jahrgang 1965). Der Titel des Stücks ist zugleich auch dessen Programm: Man hört gewitzte, lautmalerische Tropfgeräusche, rauschendes Wasser, spritzige Einwürfe, perlende Kaskaden. Und dann, als würden die verschiedenen Tropfen sich zu einem großen Strom vereinigen, ein wogender Schlusssatz, ein leicht jazziger, komplex strukturierter und mitreißender Regentanz.

Die zweite Uraufführung des Abends, komponiert von dem Jazzmusiker Andreas Unterreiner (Jahrgang 1985), könnte kaum unterschiedlicher sein. Für sein Stück „Fusion“ teilt er das Ensemble, lässt die höher temperierten Instrumente Violine und Trompete von ganz hinten im Saal sich langsam den beiden auf der Bühne sitzenden Musikern, der Pianistin und dem Cellist, annähern. Und eine Annäherung findet auch musikalisch statt, bei der ein immer wiederholtes Motiv der hohen Instrumente, zunächst abgeblockt und schließlich von Klavier und Cello übernommen wird: Es kommt zur titelgebenden „Fusion“. Und es entlädt sich ein rauschhaft musizierter, jazziger Schlussteil.

Nach einem wunderbar gestalteten Zwischenspiel – Veronika Eberle spielte das Adagio aus Bachs g-Moll-Sonate – folgte die letzte Uraufführung des Abends: „Fantasia Furiosa“ des Amerikaners Robert Moran (Jahrgang 1937). Dem Werk ist die Tradition der Minimal Music, aber auch der seriellen Musik anzumerken. Aleatorisch werden verschiedene Motive von den vier Musikern immer wiederholt, bis ein Musiker mit erhobenem Arm das Signal für den nächsten musikalischen Abschnitt gibt. Das Geflecht der sich reibenden Motive wirkt ein wenig wie Musik von Philip Glass und hat doch in seiner Maschinenhaftigkeit, seiner hingetupften Leichtigkeit einen ganz eigenen Charakter. Und knüpft am Ende durch sein Temperament und seinen Optimismus wieder an die Eröffnung des Konzerts, an Manuel Eberles „Burning“ an. Zweifellos ein Abend der brennenden musikalischen Leidenschaftlichkeit. Origineller und lebendiger kann eine Konzertsaison kaum eröffnet werden.