Allersberg
Boxenstopp in Allersberg

Deutsche Bahn will im Dialog Bedenken gegen das künftige ICE-Werk im Großraum Nürnberg ausräumen

18.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:15 Uhr
Der komplette Zug wird in die Halle gefahren und - wie hier im Frankfurter Stadtteil Griesheim - gewartet. 25 ICE pro Tag sollen in dem für Nürnberg geplanten Werk abgefertigt werden. −Foto: Roessler, dpa

Allersberg - Auf der Suche nach einem Standort für ein neues ICE-Werk in der Metropolregion Nürnberg hat die entscheidende Phase begonnen.

Allersberg ist ein möglicher Standort - neben acht weiteren. Am Donnerstag hat nun der Online-Bürgerdialog für die Marktgemeinde stattgefunden. Dabei stellte zunächst DB-Projektleiter Carsten Burmeister den Planungsstand dar und erläuterte die Rahmenbedingungen und Kriterien, anschließend beantwortete er die im Chat gestellten Fragen der Teilnehmer des Dialogs.

Kern des Projekts ist der Ausbau der ICE-Flotte von aktuell rund 330 auf einmal 600 Züge, schon 2026 sollen es über 400 Züge sein. Rund 260 Millionen Reisende, doppelt so viel heute, werden dann - einen genauen Zeitplan gibt es nicht - mit ICE-Zügen von A nach B gebracht. "Wir haben uns mit dem Programm ,Starke Schiene' der Mobilitätswende verschrieben", sagte Burmeister. Ziel sei es, so viel Verkehr wie möglich auf die Schiene zu bringen. "Um die 600 Züge instand zu halten braucht es zehn neue Werke, um darin jeweils 25 Züge am Tag zu warten. " Dabei geht es laut Burmeister nicht um die Reparaturen kaputter Züge, sondern um den "Boxenstopp". Die Züge werden außen und innen gereinigt sowie entstört, Küche und Toiletten werden ver- und entsorgt, dazu kommen kleine Instandhaltungsarbeiten und die Radsatzprofilierung.

"Nürnberg ist safe"

Eine der Fragen im Dialog war, warum man ausgerechnet in einen dicht besiedelten Raum wie Nürnberg will. Nürnberg sei ein zentraler Bahnknotenpunkt, wo Züge nicht nur durchfahren, sondern auch enden und beginnen, so Burmeister. Hier verliefen schon heute wichtige Linien, die viele Fahrgäste nutzen. Zu rütteln gibt es an der Wahl nichts: "Nürnberg ist safe. "

Mittels zwölf Ausschlusskriterien hat sich die Bahn auf die Suche nach dem passenden Standort gemacht. Beispielsweise darf dieser maximal 25 Kilometer vom Nürnberger Hauptbahnhof und 500 Meter von einer Bahntrasse entfernt sein, muss zwischen 35 und 45 Hektar Platz bieten und außerhalb von Überschwemmungsgebieten liegen. Autobahnen oder Gewässer erster und zweiter Ordnung dürfen nicht gekreuzt werden, Siedlungsflächen nicht beeinträchtigt. Auch die Gefährdung von Trinkwasser - eine weitere Frage im Dialog - muss ausgeschlossen sein.

Anders schaut es mit der Natur aus: Zwar sollte das Gelände nicht im Naturschutzgebiet liegen, naturverträglich muss der Standort aber nicht sein. So gestand Burmeister ein, dass im Falle Allersberg mehr als 90 Prozent der Anlage im Wald liegen. "Wir haben natürlich zunächst nach bahneigenen oder Brachflächen gesucht, doch die gibt es hier nicht, alle ausgewählten Flächen haben Schutzgebiete. " Im Übrigen werde jeder Hektar gerodeter Bannwald an andere Stelle wieder aufgeforstet.

Mindestens 35 Hektar Fläche

Burmeister verdeutlichte auch, warum das Werk diesen großen Flächenbedarf hat. Kernstück ist eine Werkhalle mit sechs Gleisen und einer Gesamtlänge von 400 Metern. So lang deshalb, weil ICE der künftigen Generationen rund 400 Meter lang sein werden. Für die Gleisanlage gibt es zwei Möglichkeiten: entweder 4,5 Kilometer lang und 300 breit - Züge würden von der einen Seite ein- und an der anderen wieder ausfahren. Oder 3,2 Kilometer lang und 450 breit - Einfahrt nur von einer Seite, dafür folgt nach der Halle eine große Wendeschleife. Letztere ist die für Allersberg relevante Variante, da eine lange Version wegen der Gewerbe- und Logistikgebiete West I und II obsolet geworden ist. Die Tendenz beim Flächenverbrauch geht laut Burmeister eher in Richtung 35 Hektar, nicht jedoch darunter. Sonst wäre es nicht möglich, 25 Züge täglich zu warten. Dies sagte er mit Verweis auf das - erheblich kleinere - Werk in Köln-Nippes. Dort könne man nur zehn Züge am Tag warten.

In Betrieb nehmen will die Bahn das Werk im Dezember 2028. Es soll dann 450 neue Arbeitsplätze bieten. Dabei versicherte der Bahnmanager, dass es sich dabei um zusätzliche Arbeitsplätze handeln werde, werde das bestehende Werk an der Ingolstädter Straße in Nürnberg doch bleiben. Investieren will man insgesamt 400 Millionen Euro.

Blickt man auf den Untersuchungsraum für den neuen Standort, fällt auf, dass zwar auch die Auswirkungen auf Pruppach und Altenfelden untersucht werden, da aber nur die Schleifenlösung in Frage kommt, wird wohl einzig Harrlach betroffen sein. Verkehrstechnisch sieht Burmeister dabei wenig Belastung, da das Areal vor allem von Süden her angefahren werden wird. Bei den Mitarbeitern rechnet man damit, dass diese verstärkt den ÖPNV nutzen. Burmeister versprach auch, dass durch das ICE-Werk keine Beeinträchtigungen für den Regionalverkehr zu erwarten sind.

Zu den Emissionen war zu erfahren, dass das Werk zu 100 Prozent CO2-neutral sein soll, als Energieträger soll nur Strom genutzt werden - auch von eignen Photovoltaikanlagen. Anders sieht es bei den Immissionen aus. So wird jeder einfahrende ICE seine Hupe testen - was vorgeschrieben ist. Man wolle natürlich darauf schauen, dass dies nur an schalltechnisch geschützten Stellen geschieht, so Burmeister.

Blickt man auf die Entfernung von Nürnberg, ist Allersberg von allen möglichen Standorten am weitesten entfernt. Dass es trotzdem für die Bahn relevant ist, liegt an der ICE-Neubaustrecke, diese ermöglicht es, relativ zügig von Nürnberg ins Werk und wieder zurückzufahren. Und Zeit ist hier - so lässt es Burmeister wissen - ein ganz entscheidender Faktor.

Entscheidung offen

Von ursprünglich 69 möglichen Standorten sind nun noch 9 übrig, die im Oktober ins Raumordnungsverfahren gehen. "Es werden da sicher weitere Standorte ausfallen, ich kann aber nicht sagen welche", sagt Burmeister. Sollte im Mai 2022 nur ein einziger übrigbleiben, dann werde dieser wohl den Zuschlag erhalten. Bei mehreren Möglichkeiten bleibt der Bahn dann die Wahl. "Jetzt ist noch keine Entscheidung getroffen. "

Allersberg war im Übrigen nicht die letzte Station der Bürgerdialoge. Es folgt jetzt am 28. Juni Schwarzenbruck/Mimberg, am 29. Juni Heilsbronn und Müncherlbach und schließlich am 1. Juli die Veranstaltung für die Muna Feucht und den Bereich südlich der Muna Feucht jeweils von 18.30 bis 20 Uhr. Anmelden kann sich über die Bahnseite www. ice-werk-nuernberg. de.

HK

Rainer Messingschlager