stadtgeflüster
Bonjour tristesse nach dem Triumph

16.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:04 Uhr

(khh) Wo gibt es das schon?

Der Staatschef führt ein Tänzchen vor, und der Trainer fliegt durch die Luft. Nach dem WM-Triumph der taktisch klug spielenden Franzosen gegen ein müdes, aber kämpferisches Kroatien (4:2), nach diesem ebenso denkwürdigen wie verrückten Finale am Sonntag geriet Emmanuel Macron im Moskauer Luschniki-Stadion arg in Wallung - und auch Frankreichs neue Fußballhelden waren derart vom zweiten WM-Titel nach 1998 berauscht, dass sie ihren beliebten Coach Didier Deschamps immer wieder hoch leben ließen.

Die Équipe Tricolore, die dreifarbige Mannschaft, stürzte Millionen von Fans in der Heimat endgültig in einen ultimativen Party-Rausch von den Champs-Élysées bis an die Côte d'Azur. Und auch Ingolstadts Partnerstadt Grasse färbte sich ganz in Blau. "Allez les Bleus": Dieser Anfeuerungsruf für die traditionell in blauen Trikots, weißen Hosen und roten Strümpfen spielenden Franzosen hallte am Sonntagabend nur so durch der Parfumstadt in der Provence.

Und in der Schanz? Nur eine Handvoll junger Leute aus unserem Nachbarland zog nach dem Schlusspfiff heftig die französische Flagge schwingend und "Vive la France" skandierend über die Theresienstraße. Ja, und dann war da auch noch ein Konvoi mit zwei (oder drei? ) Autos voller Frankreich-Fans in der Innenstadt. Ein Kind hielt ganz begeistert eine selbst gebastelte Nationalflagge aus dem Fenster. Das war's dann auch. Mon dieu! Bonjour tristesse!

Man mag sich gar nicht ausmalen, wenn Kroatien die Fußball-Krone geholt hätte. Die Fans feierten den Vizetitel ja ohnehin wie einen Sieg. Beleg dafür: Dutzende Fahrzeuge bahnten sich hupend den Weg durch die Ingolstädter Innenstadt. Überall jubelnde Kroaten, die auch nach einer bitteren Niederlage Klasse bewiesen und südländisches Temperament verströmten. Und viele Ingolstädter, die die Feiernden abklatschten. Hvala, Croatia. Danke, Kroatien!

Vielleicht mag ja der so unterschiedlich große Fanauflauf nach dem großen Finale auch daran liegen, dass deutlich mehr Kroaten in der Schanz leben als Bürger der Grande Nation. Außerdem mangelt es Letztgenannten in der Schanz eklatant an Versammlungsstätten, wo kollektives Feiern trainiert werden könnte. Aber vielleicht wird ja nach dem zweiten Stern für Frankreich alles besser.