Tegernbach
„Bloß nicht reinfallen“

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Berge an Hopfenreben werden im Akkord in die Maschine eingehängt, die die Dolden von den Blättern und Sträuchern trennt. −Foto: Kretzmann

Tegernbach (PK) Nach fast vier Wochen geht die Hopfenernte in den Endspurt. Bis die Dolden dann schließlich Bestandteil des Bieres werden, passiert so einiges. Unsere PK-Reporterin hat einen Tag bei der Ernte mitgeholfen.

Je näher man dem Betrieb von Josef Ehrmaier in Tegernbach kommt, desto intensiver steigt einem ein ganz besonderer Geruch in die Nase. Es ist ein angenehmer, fast schon beruhigender Geruch, aromatisch, würzig. In einer Halle liegen zwei große Berge Hopfenreben. Einer von Ehrmaiers Arbeitern zieht nach und nach die meterlangen grünen Stränge aus den Haufen und hängt sie in eine Maschine, die bis zu 400 Reben in der Stunde verarbeitet. „Immer die Obersten nehmen. Eine Handbreit darf auf der Seite herausstehen und immer fest nach unten reindrücken“, sagt er. Was er scheinbar mühelos und routiniert tut, ist für jemanden, der so etwas noch nie gemacht hat, gar nicht so leicht. „Das sieht vielleicht einfach aus, aber wenn du das ein paar Stunden, Tage und Wochen am Stück machst, geht das ganz schön in die Knochen“, sagt Ehrmaier.

 

Ende August geht es meist los mit der Ernte und mittlerweile sehen die Hopfengärten in der Hallertau fast schon gespenstisch leer aus. Das Ende ist absehbar und vom „Grünen Gold“ ist nicht mehr viel zu sehen. „Eine Woche noch und dann sind wir durch“, sagt Ehrmaier. Bis zu 21 Stunden arbeitet der Landwirt täglich, seine Mitarbeiter zehn, rund vier Wochen lang. Auch seine Freundin und seine Eltern helfen mit. Ehrmaier schläft sogar in einem kleinen Zimmer neben Pflückmaschine und Darre. Aus organisatorischen Gründen hat er seine Geräte für die Hopfenernte dorthin ausgelagert. Mehr als ein Bett und ein Schreibtisch mit zwei Computern zur Überwachung der Daten und Hunderte von Unterlagen findet man darin nicht. „Das Heimfahren rentiert sich für die paar Stunden nicht mehr“, sagt der 34-Jährige.

„Man muss wirklich an so vieles denken, damit keine Fehler passieren.“

 

 

 

Es ist Spätnachmittag und ein paar dunkle Wolken ziehen auf. „Jetzt sollten wir noch einmal rausfahren, bevor es zum Regnen anfängt“, ruft Ehrmeier einem weiteren seiner insgesamt vier Arbeiter zu. Auf einem der noch fast unberührten Hopfengärten seines 20 Hektar großen Anbaugebiets zieht der Bulldog dann seine Runde. Rebe für Rebe wird mit einer Maschine ein Stück über dem Boden abgeschnitten und durch die Spannung, die beim Weiterfahren entsteht, oben von den Drähten abgerissen. Nach gut einer Viertelstunde liegen zwei komplette Rebenreihen auf dem Anhänger und es geht zurück. Das Wetter hat standgehalten.

Während die Reben weiter „eingehängt“ werden und die Maschine die Dolden von Blättern und Sträuchern, die später als Dünger dienen, trennt, fährt eine etwa neun Quadratmeter große Kiste mit einem Seilzug an einem gegenüberliegenden Gebäude nach oben. „Jeder Arbeitsschritt ist getaktet“, erklärt Ehrmaier. „Man muss hier wirklich an so vieles denken, damit alles rund läuft und keine Fehler passieren.“ Der Landwirt öffnet im dritten Stockwerk der Scheune eine Tür und vor ihm führt ein kleines Brett über eine Art vergitterten Schacht. Außen hängt die Kiste mit den Dolden, die noch etwas gerade gerichtet werden muss. Er drückt einen Knopf und die Kiste fährt durch die Maueröffnung. Dann geht der Boden des großen Schubers auf und die Dolden fallen in den Schacht. Die Kiste fährt wieder hinaus und mit einem Rechen wird aus dem Meer aus Dolden eine ebene Fläche gestrichen. Ein Balanceakt, denn das Brett, das von der einen zur anderen Wand führt, ist nicht einmal 30 Zentimeter breit. „Bloß nicht reinfallen“, sagt Ehrmaier und grinst. „Und immer schön an den Markierungen an der Wand orientieren. Soll ja alles gleichmäßig sein.“ Es geht wieder ein Stockwerk tiefer. Jetzt kommt die sogenannte Darre ins Spiel. „Das Trocknen der Dolden in der Darre ist der wichtigste Schritt bei der Hopfenernte“, betont der Landwirt. Die Darre ist eine Art Ofen, der die Dolden bei etwa 65 Grad Celsius trocknet und die Feuchtigkeit aus ihnen zieht. „Rund zehn Prozent Feuchtigkeit sind am Ende noch drin“, erklärt Ehrmaier. Und dieser Prozentsatz müsse eingehalten werden, denn ist mehr Feuchtigkeit in den Dolden, könne das den Wert des Hopfens mindern und somit den Gewinn beeinträchtigen.

Generell muss Ehrmaier alles penibel genau dokumentieren. „Es steckt schon sehr viel Bürokratie in der Hopfenernte“, sagt der 34-Jährige. Egal ob Anteil der Feuchtigkeit nach dem Trocknen, oder die Verwendung und Konzentration von Pflanzenschutzmitteln, alles wird genau vermerkt. „Schließlich soll der Verbraucher am Ende auch alles nachprüfen können und wir sichern uns gleichzeitig ab.“ Ehrmaier hat sogar eine eigene App entwickelt, zum einen um die Arbeit zu erleichtern und zum anderen, um die Überwachung der Geräte kompakter und übersichtlicher zu machen.

Nach etwa drei Stunden Trocknen kann eine von insgesamt drei Kisten wieder aus der Darre. Eine meterbreite Luke wird nach oben aufgemacht und mit einem Haken dann der riesige Schuber aus dem Schacht gezogen. „Wir wollen uns ja nicht die Finger verbrennen“, sagt Ehrmaier. Mit prüfendem Blick umkreist er die Kiste, aus der ein noch intensiverer Geruch strömt. Er pickt eine Dolde aus dem rund 100 Kilogramm schweren Haufen, zieht seinen Handschuh aus und drückt mit dem Fingernagel in die Mitte der zapfenförmigen Frucht. „Wenn man merkt, dass es noch etwas batzig ist, ist es perfekt“, sagt er. Nachdem die Dolden etwas abgekühlt sind, wird die Kiste nun mit beiden Händen auf einer Schiene an das Ende des Raumes geschoben. „Achtung beim Laufen, links und rechts sind Gitter im Boden, die können gefährlich werden“, warnt er. Ein kleiner Hebel, der aus dem Doldenhaufen herausragt, muss mit etwas Kraft nach vorne gedrückt werden. Das Bodengitter der Kiste stellt sich fächerförmig nach oben auf und die Dolden fallen auf den Boden. Ehrmaier zieht die Kiste zurück und mit einer Schneeschaufel schiebt er die Dolden durch die Gitter.

„Das Trocknen der Dolden in der Darre ist der wichtigste Schritt bei der Hopfenernte.“

 

 

Es geht wieder nach unten, diesmal in den ersten Stock. Jetzt sieht man auch, wohin die Dolden durch die Gitter gefallen sind. Hinter einem Tor verstecken sie sich in einer Art Minisilo, der sogenannten Konditionierung. Dort werden sie belüftet und ruhen für eine gewisse Zeit. Im Anschluss laufen sie dann auf einem Förderband zu einem Schacht, der in eine Halle im Erdgeschoss führt. Dort steht Ehrmaiers Freundin Claudia Pögl. Sie steckt gerade einen Plastiksack in eine Vorrichtung und stellt diese unter die Abfüllmaschine, aus der die Dolden von oben kommen. „Etwa zwischen 50 und 70 Kilo passen in so einen Sack, je nachdem, wie viel der jeweilige Kunde wünscht“, sagt sie. Nachdem die getrockneten Dolden in den Sack geströmt sind, näht sie ihn zu, wiegt ihn noch einmal, klebt das Etikett darauf und hievt ihn mit einer Sackkarre auf eine Palette. „Am Tag schaffen wir ungefähr zwischen 24 und 30 davon“, fügt sie hinzu. Insgesamt fünf Hopfensorten baut Ehrmaier an: Herkules, Tradition, Perle, Hallertauer und Cascade. Während es bei den meisten Sorten, wie etwa dem robusten Herkules-Hopfen, hauptsächlich auf die Bitterstoffe ankomme, gehe es bei den amerikanischen Sorten, wie dem Cascade, mehr um die Fruchtaromen. Und tatsächlich: Nimmt man eine Dolde des Cascade-Hopfens in die Hand und zerdrückt sie zwischen den Fingern, entfaltet sich ein zitroniger Duft. „Super Sorte“, sagt Ehrmaier. „Nicht nur der Geschmack ist gut, sondern sie ist auch pflegeleicht im Anbau.“ Die Sorte sei mittlerweile für Craftbiere sehr beliebt. Das trinken nicht nur die Amerikaner gerne, die generell zu den Hauptabnehmern des Hopfens gehören, sondern mittlerweile auch einige Deutsche.

Zwar können Ehrmaier und sein Team nach der Hopfenernte erst einmal durchatmen, doch dann laufen auch schon wieder die Vorbereitungen für das nächste Jahr. „Nach der Ernte ist quasi vor der Ernte“, sagt er. Der restliche Dünger muss rausgefahren, die Hopfengärten repariert und schließlich die Reben abgeschnitten werden. „Wenn im Winter der Boden tiefgefroren ist, hängen wir die Drähte auf, um bodenschonend zu arbeiten. In dieser Zeit optimieren wir auch unsere Maschinen.“ Im Frühjahr geht es dann weiter. Die Rebenstöcke werden geschnitten und die neuen Triebe angedreht. „Dann kann er wachsen. Zwischendrin wird natürlich immer kontrolliert und gedüngt. An guten Tagen kann er schon bis zu 30 Zentimeter wachsen“, erklärt Ehrmaier.

Mit der diesjährigen Ernte ist der Landwirt zufrieden: „Wir haben in Tegernbach den Vorteil, dass wir hier eine Tallage haben und der Boden sich schnell erholen kann, etwa von Frost“, sagt er. „In anderen Gebieten haben die Landwirte leider sehr viele Frostschäden gehabt.“

Mittlerweile ist es fast 20 Uhr. Ehrmaiers Freundin Claudia fährt nach Hause und bereitet eine Brotzeit für den Landwirt und die vier Arbeiter vor, die auch während der Ernte bei ihm wohnen. Der Hopfenbauer selbst hat aber noch keinen Feierabend. „Ich bin der Erste, der morgens kommt, und der Letzte der geht. Aber so ist das eben.“