Bis zu fünf Millionen Euro weg

24.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:14 Uhr

München (DK) Mit der Wahrheit ist es wie mit dem Käse: Beide genießt man scheibchenweise. Obwohl es im gerade laufenden Betrugsprozess gegen einen Ingolstädter Kaufmann und seine drei Kompagnons um einen Schaden von 3,2 Millionen Euro an Anlegern geht, stellt sich jetzt heraus, dass insgesamt bis zu fünf Millionen Euro an Anlegergeldern "verschwunden" sind. Weitere Ermittlungen hierzu dauern an.

Der Ingolstädter Elmar S., Hauptangeklagter im Betrugsverfahren am Landgericht München II, gab jetzt zu, dass das von ihm und seinen Geschäftspartnern propagierte Geschäftsmodell überwiegend aus dem Nebenbestandteil vieler Käsesorten bestand: Luft, Luft und noch mal Luft. Gegenüber den Anlegern, die Beträge im 1000- bis 100 000- Euro-Bereich investierten, hatte S. gemeinsam mit Martin Peter G. und Gerd S und Gerhard H. quasi wasserdichte Investments mit unrealistischen Renditen versprochen.

Wertlose Sicherheit

Am zweiten und dritten Prozesstag räumten alle vier Angeklagten ein, dass die von ihnen getätigten Investments in keinem auch nur annähernd nennenswerten Verhältnis zu den eingenommenen Kundengeldern standen. Dabei wurde nicht nur ein Betrag von etwa 250 000 Euro in ein dubioses österreichisches Vehikel gesteckt. Auch ein ominöser Grundpfandbrief auf eine Münchner Immobilie wurde vor Gericht als wertloses Stück Papier enttarnt. Vor Gericht gestanden die Angeklagten ein, sich wohl etwas sehr blauäugig die formal sehr werthaltige Sicherheit in die Bücher genommen zu haben. Auch wenn sie der Reihe nach Reue zeigten und offenbarten, dass es keine irgendwie gearteten realen Investments gab, die auch nur den Hauch einer Geschäftstätigkeit erahnen ließen: Sie drehten seit 2006 zumindest ein, wohl aber zwei oder mehr Jahre lang ein ganz großes Ding. Und zwar auch noch dann, nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihnen bereits im Dezember diese Geschäfte untersagt hatte. Denn S. und zwei seiner Mitangeklagten hatten nach Ermittlungen von Bundesbank und BaFin verbotene Einlagegeschäfte betrieben. Ende 2006 legte die BaFin nach und erließ eine Verfügung zur Rückabwicklung aller Verträge und Rückauszahlung an die Anleger. Damit wendeten die Finanzaufseher ihre härteste Sanktionsmöglichkeit an – 2006 geschah dies bundesweit nur 22 Mal. Doch Kripoermittler und Bundesbankbeamte sagten vor Gericht aus, dass die Angeklagten die untersagten Geschäfte in Abwandlungen weiter betrieben.

Zugute halten kann man den Beschuldigten, dass sie sich offensichtlich so sehr in ihre Fantasiewelt begeben hatten, dass sie selbst möglicherweise zeitweise daran glaubten, innerhalb von zwei Jahren von quasi Null auf einen Umsatz von etwa 125 Millionen Euro bei einem Gewinn von gut 30 Millionen Euro zu kommen. Aber: jedes bodenständige Milchmädchen hätte diese Kalkulation in den Papierkorb geworfen. Stattdessen wurden munter Firmen in verschiedenen europäischen Ländern gegründet und verkauft, gegenseitige Darlehen gewährt, Rechnungen gestellt oder Beträge auf die Konten von Bekannten, Freundinnen und Angehörigen überwiesen.

Man ließ sich dann auch sogar auf gefälschte "Sicherheiten" der britischen Bank HSBC ein, die, so ein als Zeuge geladener Spezialist der Kripo, "im Internet als Fälschung heruntergeladen werden können". Der ganze "Käse" diente einzig dazu, ihn in kleinen Portionen an die Anleger weiterzureichen. Schnell kamen österreichische und Schweizer Banken und Aufsichtsbehörden dahinter und informierten die deutschen Behörden wegen Geldwäscheverdachts und sperrten teilweise Konten der Angeklagten und ihrer Scheinfirmen.

Schwarzgeld vermehrt

Da steckten S. und die Mitangeklagten bereits mitten in dem Sumpf aus Lüge, Traum und Druck von allen Seiten. Statt Einnahmen aus unternehmerischen Investments gab es jede Menge Ausgaben. Das Anlegergeld dagegen wurde weiter eingesackt und zudem über Gehälter und andere Annehmlichkeiten an die Angeklagten ausgezahlt – oder an weitere Schneeballsysteme zumindest indirekt weitergereicht. Im Laufe des Verfahrens gab es zudem auch Hinweise darauf, dass der ein oder andere Anleger aus Ingolstadt und Bayern wohl auch sein Schwarzgeld vermehren wollte. Ein Indiz: Mehrere Beamte der Polizei aus Ingolstadt und München sagten vor Gericht aus, viele Anleger wollten im Laufe der Ermittlungen gar nichts von ihren erlittenen Schäden wissen.

Das Urteil wird nächste Woche erwartet