Freiburg
Bekehrung eines Griesgrams

29.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:56 Uhr
Willi (Richy Müller) trainiert mit Franz (N'Tarila Kouka) Eiskunstlaufen. −Foto: Arte

Freiburg (DK) Es ist eine klassische, schon oft erzählte Geschichte: Griesgram und Eigenbrötler taut durch die Begegnung mit einem anderen Menschen auf und bekommt seine Lebensfreude zurück.

In dem Arte-Film "Schöne heile Welt" wird sie zeitgerecht und einfühlsam auf die gesellschaftliche Wirklichkeit unserer Tage umgelegt.

Willi, Mitte 50, ist arbeitslos, lebt von Hartz 4, kennt alle Tricks, wie man beim Sozialamt Zuschüsse bekommt. Nebenbei arbeitet er schwarz und lässt es sich gut gehen. Mancher würde ihn als Sozialschmarotzer bezeichnen. Aber als er der Familie eines afrikanischen Flüchtlingsjungen eine leerstehende Wohnung in dem Abrisshaus, in dem er lebt, besorgt, ist es mit der Ruhe vorbei. Die beiden Frauen Ucheanna und Gimbya jobben in der Kneipe eines Bekannten, Willi kümmert sich um den Jungen. Den tauft er kurzerhand "Franz". Der Junge erinnert ihn an seinen Sohn, der längst erwachsen ist, zu dem er aber keinen Kontakt mehr hat.

Zu Beginn ist Willi unwirsch, doch bald entdeckt das ungleiche Duo die gemeinsame Leidenschaft fürs Eislaufen. Willi trainiert Franz, gibt ihm die Schlittschuhe seines Sohnes und steht dem Jungen bei, als der von einer ausländerfeindlchen Gang bedroht und abgezockt wird. Als Ucheanna von einem Kneipengast missbraucht wird und ärztliche Hilfe braucht, überwindet sich Willi und nimmt Kontakt zu seinem Sohn auf. Denn der ist Rettungssanitäter.

Autor und Regisseur Gernot Krää, der mit "Die Distel" und "Paulas Geheimnis" zwei bemerkenswerte Kinderfilme gedreht hat, bietet für das aktuell-brisante Thema eine neue, andere Perspektive. Vom Egoisten zum Gutmenschen entwickelt sich Willi, das hat etwas Märchenhaftes. Doch Krää blendet die soziale Wirklichkeit nicht aus. Gewalt, Anfeindungen, Vorurteile spielen in seiner Geschichte eine Rolle. Und die Wandlung seines Protagonisten wirkt glaubwürdig, was am eindrucksvollen und nuancierten Spiel von Richy Müller (bestens bekannt als Stuttgarter "Tatort"-Kommissar) liegt.

Wenn er dem stummen Friseur erklärt, wie schlecht die Welt ist, die polnische Wurstverkäuferin anbaggert, dann zeigt dieser Willi ein Gesicht; wenn er die Typen, die den kleinen Franz überfallen haben, verprügelt, ihn vor Kontrolleuren in der Bahn bewahrt und liebevoll-geduldig mit dem Kleinen für den Eiskunstlaufwettbewerb trainiert, dann zeigt er ein anderes Gesicht. Es sind die vielen kleinen Momenten, in denen Richy Müller diese Wandlung des Griesgrams nicht laut, sondern eher leise und behutsam spielt.

Manchmal droht der Film ein wenig zu sehr ins Sentimentale abzugleiten, aber Krää beweist Gespür, wann er da bremsen muss. "Schöne heile Welt" ist eine Tragikomödie, ein Sozialmärchen, ein kleiner Film über ein aktuelles Thema - Ängste und Vorurteile.

Nur, warum Müller bei einem im Badischen spielenden Film eher bayerisch spricht, ist irritierend.

Schöne heile Welt, Arte, Freitag, 20.15 Uhr.

Volker Bergmeister