München
Workshops, Vorträge, Exkursionen

Die Lithografie-Werkstatt München wurde vor 20 Jahren gegründet

29.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:56 Uhr
Julia Ivaskeviciute: "A beast or an animal." −Foto: Lithografie-Werkstatt

München (DK) "Mögen'S die Platte mal kurz halten?

"Franz Hoke weiß, dass sein Gegenüber gleich in die Knie geht, und gibt den Stein lieber nicht ganz aus den Händen. "Nach einem Tag in der Werkstatt kann ich mir das Hanteltraining sparen", sagt er. Dabei zeichnet sich gerade die Lithografie durch eine erstaunliche Leichtigkeit aus - wenn die Steinplatte präpariert auf dem Arbeitstisch liegt.

Deshalb können auch Ungeübte schnell etwas Ansehnliches zustande bringen. Denn im Vergleich etwa zur Radierung, für die es ordentlich Kraft braucht, geht das Malen oder Zeichnen (griechisch: graphein) auf Stein (lithos) flink wie auf einem Blatt Papier, sofern Hoke alles vorbereitet hat. Hunderte Profis und Laien durften sich hier schon in der grafischen Technik üben, der 31-Jährige leitet im Münchner Künstlerhaus die Lithografie-Werkstatt, die dort vor genau 20 Jahren eingerichtet wurde.

Und das Jubiläum wird adäquat gefeiert: Seit gestern können sich Besucher fünf Tage lang informieren und vor allem selbst als Lithografen ausprobieren. Das gesamte Künstlerhaus am Lenbachplatz ist geöffnet, das reicht von Druckdemonstrationen über Workshops, Vorträge und Exkursionen bis zu einer großen Ausstellung im Festsaal. Die zeigt auf den ersten Blick, dass die Lithografie nach wie vor sehr beliebt ist. Über 800 Künstler aus der ganzen Welt haben im Vorfeld an einem Wettbewerb teilgenommen, und rund 150 ausgewählte Werke werden nun präsentiert. Außerdem ist dem Münchner Maler und Grafiker Karl Imhof eine umfassende Retrospektive gewidmet, an der Kunstakademie hatte er bis 2005 eine Professur für Lithografie inne. Vor gut 200 Jahren hat sich die Lithografie rasch unter den Kreativen verbreitet. Für Goya wurde sie am Ende seines Lebens zur fabelhaften Entdeckung: Selbst Halbtöne und Schattierungen bereiteten nun keine Schwierigkeiten mehr, die Platten nutzten sich nicht ab und ließen auch große Formate zu. Um 1820 war Goya tatsächlich der erste berühmte Maler, der mit dem Steindruck experimentierte. Dann interessierten sich auch gleich die Franzosen für die neue Technik, Ingres etwa, Géricault und Delacroix. Toulouse-Lautrecs fulminante Plakate wären ohne die Lithografie völlig undenkbar, ebenso die rasend schnelle Streuung von Honoré Daumiers Karikaturen zur aktuellen Tagespolitik.

Dabei ist diese "Chemische Druckerey" eine urbayerische Erfindung. Aloys Senefelder, ein Münchner Jurist mit starkem Hang zur Theaterschriftstellerei, war auf der Suche nach einer erschwinglichen Möglichkeit, seine Manuskripte zu vervielfältigen. Wie das gehen könnte, bemerkte er angeblich in der Waschküche. Und an der Prozedur, die Senefelder 1797 beschrieb, hat sich bis heute nichts geändert: "Ich nahm einen reingeschliffenen Stein (das ist immer noch der ausgesprochen feinkörnige Solnhofener Plattenkalk), bezeichnete ihn mit einem Stückchen Seife, goss dünnes Gummiwasser darüber und überfuhr ihn mit einem in Ölfarbe getauchten Schwamme. Alle mit dem Fette bezeichneten Stellen wurden sogleich schwarz, das übrige blieb weiß. Ich konnte den Stein abdrucken, sooft ich wollte; allemal nach dem Abdruck wieder benetzt und wieder mit dem Schwamm überfahren, gab gleiche Resultate. "

Senefelder wurde maßgeblich vom Hofmusiker Franz Gleißner gefördert, denn gerade für den preiswerten Druck von Noten war das neue Verfahren ein regelrechter Coup. Wobei erst die Künstler das Spiel mit den Farben in die Lithografie eingebracht haben. "Und jeder macht es anders, auch wenn die grundsätzliche Methode immer die gleiche ist", beobachtet Franz Hoke. Er ist selbst Künstler, hat an der Freien Kunstwerkstatt München studiert und gibt jetzt seine Erfahrungen weiter. Mit beträchtlicher Leidenschaft. "Wenn man einmal mit der Lithografie angefangen hat, lässt einen der Stein nicht mehr los. "

"Lithografietage International" bis 2. September im Münchner Künstlerhaus, Lenbachplatz 8 (U-Bahnstation Karlsplatz, vom Hauptbahnhof 10 Minuten zu Fuß), täglich von 10 bis 19 Uhr, Eintritt 5, ermäßigt 2 Euro, Programm auf www. lithotage. de.

Christa Sigg