Pfaffenhofen
Bei der Auszahlung hapert es

Noch immer warten viele Krankenschwestern auf den versprochenen Pflegebonus der Staatsregierung

28.10.2020 | Stand 23.09.2023, 15:04 Uhr
Noch nicht alles abgearbeitet: Einen Bonus sollten die Pflegekräfte in Bayern für ihre Leistungen in der Coronakrise bekommen. Noch haben nicht alle die Prämie erhalten. −Foto: Bockwoldt, dpa/Ilmtalklinik

Pfaffenhofen - Etwa jeder zehnte Antrag auf den Corona-Pflegebonus in Bayern war Anfang Oktober noch nicht bearbeitet, lautete vergangene Woche die Antwort des bayerischen Gesundheitsministeriums auf eine entsprechende Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn.

Die betroffenen Krankenschwestern schwanken zwischen Galgenhumor und Empörung.

Jaroslava Heinrich (kleines Foto) von der Pfaffenhofener Ilmtalklinik ist eine Krankenschwester wie sie sich Klinikbetreiber und Krankenkassen wünschen: Motiviert, fröhlich - und sie jammert nicht; im Gegenteil. Als im Frühjahr, auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle, die bayerische Staatsregierung einen Bonus für Pflegekräfte von mindestens 300 Euro versprach - für alle Beschäftigten mit mehr als 25 Stunden Wochenarbeitszeit sogar 500 Euro - da machte sich auch Heinrich Hoffnungen, dass ihre und die Arbeit ihrer Kollegen mehr gewürdigt werden könnte als mit warmen Worten von Politikern und dem allabendlichen Klatschen der Mitbürger.

Die 62-Jährige ist Stationsleiterin der Chirurgie, seit 46 Jahren in der Krankenpflege tätig und davon 32 Jahre in der jetzigen Einrichtung. Eine große, schlanke Frau, die viel lacht, auch wenn der Alltag stressig wird. "Als die Ankündigung kam, habe ich für meine Mitarbeiterinnen zeitnah die Anträge ausgefüllt und die Leute bekamen dann auch einige Wochen später ihr Geld ausbezahlt - ich selbst aber nicht. "

Heinrich dachte sich zunächst nichts Böses dabei, immerhin kursierte das Gerücht, dass die Stationsleitungen von dem Bonus ausgenommen sein sollten beziehungsweise dass diese das Geld erst ganz zum Schluss erhalten sollen. Bekommen hat Heinrich bis heute nichts - trotz mutmaßlich korrekt ausgefüllten Antrags und wiederholter Versuche, mit der Bearbeitungsstelle Kontakt aufzunehmen. Ob sie wütend sei? "Nein", antwortet die erfahrene Schwester, "ich leiste meine Arbeit weiter wie im Gesetz vorgesehen. "

Diese grundsätzliche Ausnahmeregelung für die Oberschwestern verwundert freilich, denn diese Beschäftigten sind alles andere als nur mit Papierkram beschäftigt, wie auch Annette Burzin (53) bestätigt, die im Zeitraum von Frühjahr bis Spätsommer an der Ilmtalklinik als kommissarische Stationsleiterin beschäftigt war. "Wir tragen ja nicht nur die Verantwortung, sondern wir sind genauso eingebunden in die praktische Pflegearbeit", berichtet sie, "springen immer ein wenn Not am Mann ist beziehungsweise jemand ausfällt und haben häufig auf der Station die meisten Überstunden. " Bis zu 1000 hätten sich bei manchen Stationsleitungen innerhalb des vergangenen halben Jahres summiert.

Auch Annette Burzin hörte erst mal nichts weiter von ihrem Antrag. Angeblich sei das Geld ausgegangen, lautete zwischendurch eine Information, die sie über Dritte bekam. "Inzwischen bahnt sich die nächste heiße Phase bei den Infektionszahlen an - mal sehen, was dann kommt. " Bis jetzt habe sie mit dem Ganzen "nur Ärger gehabt".

Grundsätzlich findet Burzin inzwischen, dass das Ganze eine eher schlechte Idee war - von der Politik vollmundig angekündigt, um Handlungskompetenz und Empathie zu bekunden, aber schlecht durchdacht und unzureichend ausgeführt. Wenn man den Bonus auch als Gefährdungszulage für Menschen verstehe, die in Krankenhäusern ihre eigene Gesundheit riskieren, so Burzin, dann sei es unverständlich, warum so viele Personen ausgenommen werden, auf die genau das zuträfe: "Beispielsweise unsere Reinigungskräfte, die jeden Tag in den Zimmern neben den hoch ansteckenden Patienten putzen. Oder die Atemgymnasten. Wenn wir nicht alle würdigen, dann ist das Kacke! "

Für die Auszahlung des Pflegebonus zuständig ist das 2018 gegründete Landesamt für Pflege in Amberg, das wiederum dem bayerischen Gesundheitsministerium untersteht. Die aktuelle Aufgabe zählt unbestritten zu den wichtigsten der relativ jungen Behörde und sie hat sich dabei sicher nicht mit Ruhm bekleckert. Nachfragen in Amberg gestalten sich äußerst schwierig, man hat den Eindruck, das Landesamt möchte nicht erreichbar sein.

Wer telefonisch Informationen zum Corona-Pflegebonus erlangen will, muss ein Mensch mit ausgeprägter Geduld sein. Das beginnt damit, eine Telefonnummer zu finden. Außer einem Anschluss der Abteilung Landespflegegeld findet sich keine Nummer, auch kein Zentralanschluss und auch nicht im Impressum. Auch im digitalen Telefonbuch wird man nicht fündig. Wer aus der einzigen Nummer die Zentrale ableitet, wird mit einer automatischen Ansage belohnt: "Wegen der Coronapandemie erreichen uns momentan sehr viele Anrufe. Leider können wir nicht alle Anrufe entgegennehmen. " Und weiter: "Wenn Sie zu Fragen zum Corona-Pflegebonus anrufen, wählen Sie die Zwei. "

Hinter der Zwei verbirgt sich dann eine weitere automatische Ansage, die rät, es online zu versuchen beziehungsweise eine Mail an eine konkrete Adresse zu schicken. Eine Kontaktaufnahme an diese Mail wie auch an die Adresse der offiziellen Poststelle bleibt wiederum unbeantwortet. Auch sonst ist die Kommunikation des Landesamts von extrem zurückhaltender Art. Die in der Website aufgeführten Pressemeldungen sind mindestens ein Jahr alt, es findet sich deshalb also nichts Aktuelles zur Coronapandemie.

Wie sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) so schön zum Umgang der Verwaltung im Freistaat mit dem Pflegebonus: "Wir in Bayern reden nicht nur darüber, wir machen das. " So dynamisch wie die Ankündigung folgte die Bearbeitung dann aber doch nicht. Erst einen Monat später konnte man Anträge online stellen. So waren etwa drei Monate nach Ablauf der Antragsfrist Ende Juni noch rund 38000 der mehr als 350000 Anträge in Bearbeitung. Stand vergangene Woche waren es nach Angaben des Gesundheitsministeriums noch rund 33000. Knapp 264000 Anträge waren bis Freitag, 9. Oktober ausgezahlt, fast 50000 abgelehnt oder storniert worden. "In Einzelfällen kann es zu Verzögerungen bei der Auszahlung kommen," heißt es dazu in der Pressestelle des bayerischen Gesundheitsministeriums. Man habe pro Tag bis zu 2000 Anrufe, weshalb es eben dauern könne, so das Haus von Ressortchefin Melanie Huml (CSU).

Immerhin: Während es in den Krankenhäusern noch mächtig hakt mit der Auszahlung des Pflegebonus, hat es in den Senioreneinrichtungen wohl ganz gut geklappt. "Alle unsere Mitarbeitenden haben inzwischen ihr Geld erhalten", ist auf Nachfrage etwa beim Senioren- und Pflegeheim St. Franziskus in Pfaffenhofen seitens der Heimleitung zu erfahren.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Ruth Waldmann, bezeichnete die noch nicht bearbeiteten Anträge als "Ärgernis". Wolle die Staatsregierung die Leistung von Pflege- und Rettungskräften honorieren, müsse dies "reibungslos klappen".

Das Gesundheitsministerium wies die Kritik als "sachlich nicht nachvollziehbar" zurück. Vielleicht sollte Ministerin Melanie Huml, bekanntlich selbst Ärztin, mal versuchen ganz privat in Amberg anzurufen - das könnte ihr einen ziemlich aufschlussreichen Einblick geben.

PK

Andre Paul