Stauf
"Bayern ist einfach cool!"

Letzte Tage für Austauschschülerin aus Albuquerque in Stauf Kammersteinerin fliegt in die USA

18.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Marcella Scheuring fliegt im August in die USA, in die Anna Louisa Thomason bald heimkehren wird. Patin des PPP-Austausches ist Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler, Gastmutter Margit Held (von links) hat nun alle drei zum Kaffeetrinken eingeladen. - Foto: Leykamm

Stauf/Kammerstein (HK) Marcella Scheuring aus Kammerstein wird Anfang August im Flieger nach Amerika sitzen und dort ein ganzes Jahr zu verbringen. Ihre 365 Tage Deutschland hat Anna Louisa Thomason aus Albuquerque schon hinter sich. Bei ihrer Gastfamilie Held in Stauf trafen sich nun beide Teilnehmerinnen des "Parlamentarischen Patenschaftsprogramm" (PPP) zwischen den USA und Deutschland.

Mit dabei ist natürlich auch die Patin selbst, Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler. Ohne sie wäre der Austausch nicht zustande gekommen. Seit 2003 ermuntert die Parlamentarierin junge Menschen diesseits und jenseits des großen Teichs, als "gute Botschafter des eigenen Landes" dessen Gepflogenheiten dem jeweils anderen näherzubringen. Die Ursprünge des Programms reichen bis 1983 zurück. Damals vereinbarten der Kongress der Vereinigten Staaten und der Bundestag einen regelmäßigen beidseitigen Jugendaustausch. Anlass lieferte der 300. Jahrestag der ersten deutschen Einwanderung zu "Uncle Sam."

Im September 2016 nun hat sich Marcella Scheuring fürs PPP beworben. Und schaffte es prompt bis ins Finale in Mortlers Wahlkreis. Die Abgeordnete befasste sich selbst eingehend mit den Schreiben der drei aussichtsreichsten Kandidatinnen und staunte nicht schlecht. Die Zeilen von Marcella "hatten einfach Hand und Fuß", lobt die Politikerin bei einer Kaffeerunde im Garten der Helds. Formell ebenso wie inhaltlich. Denn die 23-Jährige hat schon Berufserfahrung gesammelt, sich ehrenamtlich engagiert und war sogar schon einmal am anderen Ende des Atlantik. Nach dem Abitur zog es sie nach Guatemala, "um Meeresschildkröten zu retten", wie sie verrät. Ihren Abschluss zur Handelsfachwirtin hat sie seit einem Jahr in der Tasche, derzeit ist sie in einem Jeanshaus in Nürnberg beschäftigt. Engagement zeigte sie auch im Flüchtlingshelferkreis ihrer Gemeinde. Und sie voltigiert gerne. Was Raum für Spekulationen gibt: "Vielleicht komme ich ja nach Texas", hofft Marcella. Ein Bundesstaat, in dem das Reiten besonders groß geschrieben wird. Wohin sie zugeteilt wird, weiß sie noch nicht.

Auf das PPP aufmerksam wurde Scheuring durch eine Zeitungsanzeige. Als es dann tatsächlich geklappt hat, ist auch die Resonanz beim Arbeitgeber die erhofft Positive. "Meine Chefin hat ein Haus in Florida, sie wollte gleich mitfliegen", erzählt Scheuring. Erfahren hat sie von ihrem Glück durch einen Anruf ihrer Schwester, die "völlig aus dem Häuschen" gewesen sei. Wie denn nun die Stimmung nach den ersten Monaten Trump-Präsidentschaft wirklich ist, will die Kammersteinerin bald vor Ort herausfinden.

Anna Louisa Thomason hat in Deutschland vom Wahlergebnis erfahren. "Ich hab erst gedacht, das ist ein Witz", sagt die junge Frau aus Albuquerque in New Mexico. Sie wäre in ihrer Heimat direkt betroffen, wenn Trump seine Pläne, eine Mauer zu Mexiko zu bauen, umsetzen würde.

Doch derzeit lebt sie noch im beschaulichen Stauf. Dort feierte sie im März ihren 18. Geburtstag. Überhaupt gefällt es ihr hierzulande sehr gut. Ihren Schulabschluss will sie nach ihrer Rückkehr in die Staaten schnell hinter sich bringen - um dann wieder nach Bayern zu kommen. Denn den Freistaat findet sie genauso "cool" wie die Möglichkeit, in Deutschland zu studieren. Journalismus oder Biologie sind zwei ihrer Optionen. In die Jugendarbeit einer Hilfsorganistion in Hilpoltstein will sie ebenso einsteigen. Hier hat sie nun ein Jahr lang das Gymnasium besucht. Ging in die zehnte Klasse, wenn es ums Fachliche ging - und in die sechste, um deutsch zu lernen. "Da wird man wieder etwas demütiger", bekennt sie.

Fränkisches wie "fei" und "ned" beherrscht sie auch schon. Auch ihre Gastschwestern Serafina und Anastasia helfen ihr, die Sprachkenntnisse aufzubessern. Letztere war sogar lange ihre offizielle Nachhilfelehrerin. Mit dem jüngsten Spross der Gastfamilie, dem zehnjährige Joram, lässt sich trefflich über schwarze Löcher im All spekulieren. Aber sie hat sich auch ganz praktisch engagiert: Tierheimhunde ausgeführt, eine Kinderturngruppe betreut, mit den Damen des TSV Eysölden gekickt. Die Helds entführten sie zum Nürnberger Christkindlesmarkt und bis an die Nordsee. Fasziniert ist Thomason vom deutschen Sozialsystem genauso wie von den Fenstern, die wie Türen funktionieren und nicht wie in Amerika zum Öffnen nach oben gestemmt werden müssen. Fränkische Bratwürste und mehr haben die Vegetarierin außerdem dazu verleitet, als solche mal "eine Pause zu machen".

Eine kurze Pause bis zum Abflug ist auch Marcella Scheuring noch vergönnt. In den USA angekommen, wird sie ein halbes Jahr das College besuchen und sich weitere sechs Monate ins Berufsleben stürzen. Wenn sie wieder zurückkommt, hofft Patin Mortler von ihr das Gleiche zu hören wie von bisherigen PPP-Austauschschülern: "Die Zeit in Amerika ist das beste Jahr meines Lebens gewesen."