Ingolstadt
Aus der Mode gekommen

02.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

Ingolstadt/Unken (DK) Zum 55. Mal wird an diesem Samstag die Ingolstädter Ski-Stadtmeisterschaft ausgefahren. Mit 66 Teilnehmern istdie Resonanz erneut dürftig. Doch die Vereine der Stadt wollen um den Erhalt des Wettbewerbs kämpfen.

Thomas Koch will erst gar nicht irgendetwas schönreden. "Ich hätte mir natürlich mehr Teilnehmer gewünscht", gibt der Organisator der Ingolstädter Ski-Stadtmeisterschaft unumwunden zu. Doch wie in den vergangenen Jahren ist die Resonanz auch bei der mittlerweile 55. Auflage eher dürftig. Lediglich 66 Starter haben sich für das Rennen an diesem Samstag im österreichischen Heutal angemeldet.


Damit wurde der bisherige Negativrekord von 62 Teilnehmern aus dem Jahr 2015 nur knapp überboten. "Es tut schon ein bisschen weh, diese Entwicklung zu sehen", sagt Koch im Gespräch mit unserer Zeitung. Der 44-Jährige vom MTV Ingolstadt ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft Ingolstädter Skivereine und organisiert seit Jahren die Titelkämpfe. 2017 verzeichnete die Stadtmeisterschaft dabei ein vielversprechendes Zwischenhoch: 104 Fahrer hatten sich angemeldet, 92 gingen am Ende an den Start. "In diesem Jahr habe ich daher schon auf die Hundert gehofft", sagt Koch. Doch es sollte anders kommen.

Hatte der TV Ingolstadt im vergangenen Jahr noch 54 Starter ins Rennen geschickt, sind es diesmal nur noch 27. Und auch bei allen anderen teilnehmenden Vereinen - dem TSV Mailing, TSV Etting und dem ESV Ingolstadt - sind die Zahlen rückläufig. Einzige Ausnahme: der MTV Ingolstadt, der am Samstag 13 Fahrer dabei hat. Im vergangenen Jahr waren es lediglich fünf gewesen. Koch kann sich immerhin damit trösten, "dass zumindest in sportlicher Hinsicht die Besten gemeldet haben". So sind unter anderem mit Gabi Vögele vom ESV und Jochen Breyer vom TV Ingolstadt beide Vorjahressieger der Damen- und Herrenkonkurrenz wieder mit dabei. Die Interessengemeinschaft richtet den Wettbewerb in diesem Jahr in Eigenregie aus.

Für die erneut überschaubare Teilnehmerzahl haben die Organisatoren und Vereinsvertreter in der Interessengemeinschaft verschiedene Gründe ausfindig gemacht. "Die meisten Vereine befinden sich im Umbruch", sagt beispielsweise Klaus Schaffer, Leiter der Skiabteilung des MTV Ingolstadt. "Viele junge Leute, die ihr Abitur gemacht haben, gehen zum Studieren in eine andere Stadt. Da sind uns im vergangenen Jahr sicherlich 15 Leute weggebrochen", erklärt der 58-Jährige. Im Gegenzug sei zwar auch eine Handvoll Sportler neu zum Verein gestoßen, doch insgesamt stelle sich die Situation in den Vereinen alles andere als rosig dar. "Insbesondere in der Altersspanne zwischen 14 und 18 Jahren klafft ein großes Loch. Das betrifft aber nicht nur die Region Ingolstadt, sondern ganz Bayern." Schaffer kennt die Zahlen im Freistaat genau, denn er ist als Trainer und Ausbilder beim Landessportverband tätig. "Selbst die großen Skivereine in Dingolfing und Oberhaching haben irrsinnige Einbrüche", sagt er. "Viele Kinder betreiben ja zudem auch mehrere Sportarten." Diese seien dann beispielsweise gezwungen, sich zwischen dem Fußballturnier und der Stadtmeisterschaft zu entscheiden.

"Hinzukommt, dass der sportliche Wettbewerb vor allem für viele jüngere Menschen in den Hintergrund tritt", sagt Claus Redlich vom ESV Ingolstadt. "Da geht es vor allem um den Spaß", spielt der 54-Jährige auf die modernen Varianten des Skisports an - Freestyle, Sprünge, Tiefschneefahren abseits der Pisten. "Und die ganze Skiindustrie unterstützt und befeuert diesen Trend natürlich. So kommt es dann zu dieser Verschiebung", sagt Redlich, der zudem zu einer Zeit aufgewachsen sei, "als es im Winter noch nicht so viele alternative Sportangebote gab wie heute. Zum Beispiel keine Fitnessstudios, die gerade boomen."

Das habe auch Folgen für die Betreiber der Skigebiete vor Ort. "Wir sind für die nicht die Geldbringer, sondern die Urlauber und Tagesgäste. Und auf denen liegt auch der Fokus, nicht auf den Vereinen", erklärt Redlich. So sei es beispielsweise auch ausgesprochen schwierig, auf den Strecken der Vereins- und Stadtmeisterschaften im Vorfeld zu trainieren. "Der Großteil unserer aktiven Skifahrer geht ja einem ganz gewöhnlichen Beruf nach. Training ist also nur am Wochenende möglich. Aber da eine Piste zu reservieren, ist schwer bis unmöglich." Auch darin sieht der ESV-Abteilungsleiter einen Grund für die mangelnde Resonanz: "Ohne die Strecke zu kennen, ist die Überwindung natürlich auch größer - auch wenn die Strecke vorab natürlich noch einmal besichtigt wird", sagt Redlich, dem der jüngste Trend durchaus zu schaffen macht, wie er sagt: "Es ist traurig, aber man kann sich dem Zeitgeist nicht entgegenstellen."

Ähnlich sieht es Klaus Böttcher, seit vier Jahren Ski-Abteilungsleiter beim TV Ingolstadt, der sagt: "Das Interesse am Stangerlfahren ist insgesamt zurückgegangen. Das ist wirklich schade." Aber auch terminlich sieht der 62-Jährige Konfliktpotenzial. So sei es für schulpflichtige Kinder beispielsweise schwierig, außerhalb der Ferien mehrere Wochenenden Ski zu fahren. "Vielleicht müssten die Stadtmeisterschaften etwas später stattfinden", meint er. Vor zwei Wochen hatten an den Vereinsmeisterschaften des TV noch 78 Fahrer teilgenommen, im Heutal ist nur noch ein Drittel dabei. "Wir können ja niemanden zwingen", sagt Böttcher.

Uwe Lowag, Leiter der Skiabteilung beim TSV Mailing, bringt einen weiteren Faktor ins Spiel: die Kosten. Zwar sind die Teilnahmegebühr und die Kosten vor Ort so niedrig wie lange nicht mehr, und auch die Verpflegung regeln die Vereine selbst. Aber das Skifahren insgesamt sei eben teuer geworden. "Vor 20 Jahren hat ein Bus noch um die 500 D-Mark gekostet, heute sind es knapp 800 Euro", klagt Lowag. Für eine vierköpfige Familie mit einem Alleinverdiener sei ein Skiausflug so mittlerweile auch nicht mehr bezahlbar. "Die Fahrt, der Skipass, die Ausrüstung. Das ganze mal vier. Und dann hast du vor Ort ja noch nichts gegessen", meint der 57-Jährige.

Dennoch wollen die Mitglieder der Interessengemeinschaft nicht alles schwarzmalen. "Ich glaube schon, dass das Format Stadtmeisterschaft eine Zukunft hat. Aber das steht und fällt mit der Jugendarbeit in den Vereinen", sagt beispielsweise ESV-Mann Redlich und ergänzt: "Die jungen Leute sind die Keimzelle. Und die müssen wir zum Leben erwecken." Auch die Interessengemeinschaft veranstaltete im Dezember zum zweiten Mal einen Ski- und Familientag, um für den Skisport zu werben. "Das kam gut an. Wir müssen versuchen, so die Begeisterung für den Skisport beim Nachwuchs, aber auch bei den Eltern wieder zu entfachen", sagt Thomas Koch und meint: "Wir werden kämpfen, dass es in Zukunft wieder mehr Teilnehmer gibt. Aber da ist am Ende jeder Verein selbst gefordert." Doch sein Klubkamerad Klaus Schaffer weiß auch: "Die Massen, die wir früher gehabt haben, kriegen wir wohl nie wieder."

Für Organisatoren und Fahrer, die sich an diesem Samstag in den frühen Morgenstunden auf nach Österreich machen, heißt es nun ab 10.15 Uhr: vollste Konzentration auf das Rennen. Dann muss der Riesenslalomkurs bezwungen werden. Es wird nur einen Durchgang geben - jeder Fehler kann daher den Sieg kosten. Und der Spaß soll auch nicht zu kurz kommen, wie Koch sagt. "Die Berge, das Spiel mit den Kräften beim Fahren, die frische Luft - das ist doch viel besser, als zu Hause oder in einer Halle zu sitzen."