Aufmarsch in ein dunkles Kapitel der Geschichte

30.04.2007 | Stand 03.12.2020, 6:48 Uhr

Neumarkt (DK) "Tag der nationalen Einheit – 1. Mai 1933" steht auf der Rückseite eines alten Fotos, das den Bildband Neumarkt in der Reihe Archivbilder des Sutton-Verlags ziert. Nun wurde es bei Aufräumarbeiten im Archiv der Stadt Neumarkt wieder entdeckt. Es ruft Erinnerungen wach an dunkle Zeiten, die damals ihren Anfang nahmen.

Im Jahr der Machtübernahme wurde der 1. Mai von den Nationalsozialisten zum gesetzlichen Feiertag, zum "Tag der nationalen Arbeit" bestimmt. Am 2. Mai 1933 wurden im Deutschen Reich die Gewerkschaften verboten und die Gewerkschaftshäuser geplündert.

In Neumarkt war bereits am 10. März 1933 bewaffnete SA aus Feucht und Altdorf zusammen mit der Neumarkter SA zum Sitz der Freien Gewerkschaften marschiert und hatte dort Schriftmaterial konfisziert. Beim Kiosk Geiß beschlagnahmten sie Druckschriften, die jüdischen Ursprungs sein sollten. Bei den Behörden sammelten sie die schwarz-rot-goldenen Reichsfahnen ein und verbrannten sie vor dem Rathaus. Außerdem wurde ein Dutzend Neumarkter verhaftet. Als in Neumarkt der Festumzug zum ersten "Tag der nationalen Arbeit" veranstaltet wurde, wehte bereits seit längerer Zeit die Hakenkreuzflagge vom Rathaus.

Kaum Hakenkreuzfahnen

Dennoch erkennt man an der Fotografie – das Umschlagfoto des Bildbands zeigte nur einen Ausschnitt – deutlich, dass ein großer Mangel an Hakenkreuzfahnen geherrscht haben muss. Beflaggt war vorwiegend mit weiß-blauen Landesflaggen und den alten schwarz-weiß-roten Nationalfarben aus dem Kaiserreich.

Am ersten nationalsozialistischen Tag der Arbeit waren auch Autos, Motorräder und Eisenbahnzüge geschmückt. Die geschlossen zur SA übergetretene Stadtkapelle marschierte früh um 6 Uhr durch alle Straßen und weckte die Bürger.

Um acht Uhr fanden in den beiden Pfarrkirchen Festgottesdienste statt.

Um neun Uhr wurden in allen größeren Betrieben nach Ansprachen des Arbeitgebers die nationalsozialistischen Flaggen gehisst. Um zehn Uhr sammelte sich der Festzug auf dem Tummelplatz. Pünktlich um 10.30 Uhr marschierte er durch die Stadt. Etwa 2000 Personen beteiligten sich daran. Der Zug war über einen Kilometer lang und sein Vorbeimarsch dauerte etwa 20 Minuten. Vor dem Rathaus sangen Gesangsvereine ein Lied, die Stadtkapelle spielte auf, dann sprach Bürgermeister Rössert über die Bedeutung des Tags der Arbeit und feierte begeistert "die Einigung des ganzen deutschen Volkes". Die Rede wurde mit dem gemeinsam gesungenen Deutschlandlied beendet. Mit einem Heil auf den Reichskanzler und dem Horst-Wessel-Lied schloss die mittägliche Kundgebung.

Am Nachmittag gab es ein kleines Volksfest auf dem Tummelplatz. Am Abend wurde die Ansprache des Reichskanzlers über Lautsprecher verbreitet. Parteivorsitzender Johann Baptist Dotzer ging auf den Suizid eines Truppführers der Neumarkter Hilfspolizei ein, was Gelegenheit zum Helden- und Totengedenken sowie dem Lied vom guten Kameraden bot. Ein Fackelzug ging die Hitlerstraße hinauf. Dann marschierte man zur Festhalle, wo ein Konzert der SA-Kapelle stattfand. Auf manche Gemüter wirkte diese erste nationalsozialistische Massenveranstaltung im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend; 37 Neumarkter fielen in Ohnmacht und mussten von der Freiwilligen Sanitätskolonne versorgt werden.

Selbst an die Gegner des neuen Regimes dachte man. Der bayerische Innenminister hatte angeordnet, mindestens 2000 Gefangene – und zwar möglichst Arbeiter – aus der Schutzhaft zu entlassen. So wurden auch vier Neumarkter zum 1. Mai entlassen.