Eichstätt
Aufarbeitung des Finanzskandals: Vertrauen statt Kontrolle

Pressekonferenz im Bistum Eichstätt

06.02.2018 | Stand 23.09.2023, 2:48 Uhr
Generalvikar Diözese Eichstätt, Isidor Vollnhals, und Anwalt Ulrich Wastl gaben Auskunft über den Finanzskandal. −Foto: Riß

Eichstätt (DK) Am Dienstagnachmittag haben Isidor Vollnhals, Generalvikar der Diözese Eichstätt und Anwalt Ulrich Wastl über Hintergründe und Details zum Finanzskandal im Bistum Eichstätt informiert, bei dem mehr als 60 Millionen US-Dollar in US-amerikanische Immobiliendarlehen investiert worden waren. 21,5 Millionen US-Dollar der Darlehensrückzahlungen sind aktuell überfällig.

Bischof Gregor Maria Hanke war nicht zur Pressekonferenz erschienen. Anwalt Ulrich Wastl erklärte die Abwesenheit damit, dass man dem Bischof davon abgeraten habe, da es nicht seine Aufgabe sei, sich im Finanzskandal den Fragen der Journalisten zu stellen.
 

Welches Ausmaß die Immobiliendarlehen in den USA hatten, wurde deutlich, als Anwalt Ulrich Wastl den Status quo darlegte. 31 Darlehen, überwiegend für nicht gesicherte Immobilien US-amerikanischer Projektgesellschaften, hat die Diözese vergeben. Als Sicherheit gibt es demnach weder Grundschulden noch Vergleichbares. Die Laufzeiten der Darlehen mit einer Verzinsung von sieben bis zehn Prozent liegen zwischen zwei und fünf Jahre ohne vorzeitige Tilgung. Sprich, das Geld wird erst zum Ende der Laufzeit fällig. Bekannt gab Wastl auch, dass es sich um Immobiliendarlehen, vorwiegend in Dallas (Texas) und Florida handelt. Brisant ist, dass der beschuldigte Mitarbeiter und dessen Geschäftspartner in Dallas eine gemeinsame Projektentwicklungsgesellschaft hatten. Wastl zufolge gebe es Verdachtsmomente, dass die beiden Beschuldigten auch hier profitiert haben.

Die ersten Darlehensrückzahlungen wären nun fällig: 21,5 Millionen US-Dollar - doch bisher kam noch keine Rückzahlung. Nächster Termin für eine Rückzahlung ist im März 2018. Es wird sich also sehr bald zeigen, ob weitere finanzielle Schäden auf das Bistum zukommen. Genaue Angaben zu den Schadenssummen kann Anwalt Wastl vor der Bilanz-Pressekonferenz am 30. Juni noch nicht machen. Erst dann könne man detailliertere Informationen dazu geben. Klar sei bislang, dass "natürlich ein Schaden übrig bleibe". Die Höchstgrenze liege bei 60 Millionen US-Dollar, mehr könne man noch nicht abschätzen. Einnahmen aus Kirchensteuern seien bei den Darlehen aber nicht betroffen. 

Der erste Kreditausfall von fünf Millionen Euro trat im Mai 2017 zu Tage. Doch ab hier habe es sich hingezogen, so Wastl, da die Aufarbeitung im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr "nicht ganz unproblematisch" sei. Erst am Montag vor einer Woche kam die Nachricht der Staatsanwaltschaft, dass beide Beschuldigten festgenommen worden seien. Da dadurch auch das Geheimhaltungsbedürfnis weggefallen sei, konnte das Bistum nun an die Öffentlichkeit treten.
 

Komplexe Aufklärung des Finanzskandals

Ulrich Wastl war bereits im Herbst 2015 von Bischof Gregor Maria Hanke mit der Umsetzung einer Transparenzoffensive beauftragt worden. Problematisch war laut Anwalt Wastl, dass es kaum Unterlagen gab, die auch nur "ansatzweise in die Lage versetzten, die Darlehen zu bewerten". Es begann eine monatelange Aufklärungsphase. Da sogar der Verdacht im Raum stand, dass die Darlehen auf nicht existierende Grundstücke gegeben worden waren, reiste man zu einem Ortstermin in die Vereinigten Staaten, um dies zu prüfen. Die Grundstücke gibt es wohl tatsächlich - die Rückzahlung des Darlehens lässt aber dennoch auf sich warten. Im Zuge der Nachforschungen wurde dem Anwalt zufolge immer mehr klar, "dass hier auch strafrechtliches Verhalten in Betracht kommt". Der Mitarbeiter, der in einer leitenden Funktion innerhalb der Finanzkammer der Diözese für die Darlehen verantwortlich war, hatte mutmaßlich "mitverdient" und machte sich damit der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr strafbar.

Da allerdings auch bekannt wurde, dass sämtliche Vorgänge "unter Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips" vonstatten gegangen waren, wie Anwalt Wastl darlegte, drängte sich eine Frage auf: Wieso wird nur gegen einen Mitarbeiter ermittelt? Wastl sagt dazu kurz und knapp: "Vielleicht wurde er getäuscht." Eine Frage bleibt dabei dennoch offen: Wie konnte es geschehen, dass eine Kontrollinstanz sich einfach hatte täuschen lassen? Generalvikar Isidor Vollnhals, seit 2010 im Amt, erklärte dies mit dem Fehler, Kontrolle durch Vertrauen ersetzt zu haben. 

Wie komplex die Aufarbeitung ist, wurde deutlich bei der Frage, ob das Bistum noch weitere ähnliche Projekte hat, die aktuell regulär laufen. Laut Wastl sei nicht abschließend sicher, dass es kein Auslandsvermögen abgesehen von den amerikanischen Darlehen gibt. Ein Großteil des Vermögens laufe über eine sogenannte Master-Kapital-Gesellschaft der Allianz - hier habe man bisher nicht genau nachgefragt.
 

Aus den Fehlern lernen: Neue Strukturen in der Diözese

Anwalt Wastl räumt einen Fehler ein: "Das einzige, was uns im Weg gestanden ist, war, dass wir zu großes Vertrauen in bestimmte Mitarbeiter hatten." Um zukünftig zu verhindern, dass derartige Vorfälle unter den Augen der Verantwortlichen geschehen, verpflichtet sich das Bistum zur Erstellung einer sogenannten HGB-Bilanz. Diese Bilanz nach dem Handelsgesetzbuch entspricht allen Standards, die auch für große Kapitalgesellschaften gelten. Außerdem werden alle Stellen im Finanzbereich ausschließlich von nicht-geistlichen, externen Fachkräften besetzt. Grundsätzlich sollen die Geschäfte nur noch von Spezialisten geführt werden. 

Christina König