Ingolstadt
Auf links gewaschen

Swiss und die Andern entpuppen sich in der Eventhalle als ganz nette Typen

14.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:38 Uhr
Crossover aus Rap und Punk: Frontmann Swiss versetzt das Publikum in der Eventhalle in Ingolstadt in Bewegung. −Foto: Hofmann

Ingolstadt (DK) Auf dieses Konzert geht man nicht zufällig, weil grad nichts anderes los ist in der Stadt. Nein, auf dieses Konzert geht man, weil man links ist (oder gar "krank links", wie auf einem Banner auf der Bühne zu lesen ist) und doch mal für zwei, drei Stunden seinen Spaß haben will.

Swiss und die Andern sind in Ingolstadt, und ihre Fans sind in die Eventhalle gekommen: bunte Haare, Iros, Piercings, T-Shirts von Feine Sahne Fischfilet oder mit der Aufschrift "Fck Nzs". Hier mit einem AfD-Anstecker reinzumarschieren, wäre sicherlich eine nette Mutprobe.

Zum Auftakt gibt's schönen, mit einer an Casper erinnernden Reibeisenstimme gesungenen Hardcore-Punk von der Vorband 8Kids. Dann bekommt Rapper Shocky, der danach auch Swiss auf der Bühne unterstützen wird, seine eigene halbe Stunde im Rampenlicht - er und seine drei Musiker sind die zweite Vorband. Trotz seines extremen Gesichtstattoos, das sich auf beiden Seiten vom Mundwinkel bis zu den Ohren zieht und für eine gute Rolle in "The Walking Dead" wie geschaffen wäre, wirkt er nicht sonderlich gefährlich. Er singt ja auch nicht nur "Ich geb kein Fick" (auf bayerisch etwa: Is mir wurscht), sondern auch eine schöne Ballade an "die Frau, die mich rettet". Netter Typ.

Nette Typen sind auch Swiss und seine Musiker, die sich "die Andern" nennen. Ihr Crossover aus Rap und Punk ist im Grunde ein alter Hut, aber schön gespielt. Das Ganze ist mit politischen Aussagen á la "Ich steh am 1. Mai ganz vorne und bin wutentbrannt" oder "Der Feind ist die NPD" garniert. Auch einen DJ haben sie mit auf der Bühne, der zwischendurch an seinem Plattenspieler scratcht. Wenn dann noch die Gitarre tiefer gestimmt wird und schließlich die ganze Band mit nackten, durchtrainierten Oberkörpern auf der Bühne steht, werden Erinnerungen an 90er-Fremdschämbands wie Limp Bizkit wach. Aber nur ein bisschen.

Denn gleich danach gibt es ja auch richtig schönen Pop. "Punkah auf Sri Lanka" zum Beispiel, das genau so eine harmlose Fun-Punk-Nummer ist, wie es der Titel vermuten lässt. Politische Botschaft? Nun, es reimt sich halt schön. Und es macht Spaß. Bei Freunden härterer Musik beliebte Tanz-Leibesübungen wie Pogo oder Wall of Death gehen dazu auch super. Gut, dass die Eventhalle nur halb voll und somit viel Platz zum gepflegten Slamdance bleibt.

Zwischendurch schimpft Frontmann Swiss übers System und polemisiert über Leute, die studiert haben. Laut Wikipedia hat der Mann einen Magister in Germanistik. Wer ein Punker alter Schule ist, dürfte auch beim Stand mit den Band-T-Shirts mit den Ohren schlackern: Eine Auswahl wie hier hat man ja nicht mal bei AC/DC oder Manowar. Das T-Shirt für einen Zehner auf die Hand? Hier ist sogar Kartenzahlung möglich. Und ein Zehner reicht eh nicht. Ein Halleluja auf den Kommerz.

Zum Abschluss spielen Swiss und die Andern noch ein Lied namens "Wir gegen die", wobei natürlich klar ist: Hier drin in der Eventhalle sind alle "wir" und "die" sind irgendwo da draußen. Das Lied beinhaltet auch die wunderbare Weisheit, "dass man links sein und sich trotzdem waschen kann". Wieder was gelernt.

Bernd Hofmann