Ingolstadt
Die Eroberung des Raums

Peter Weber im Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt - Farbensatte Malerei und raffinierte Faltungen

14.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:38 Uhr
Geburtstagsschau: Simone Schimpf, Direktorin des MKK, und der 75-jährige Peter Weber eröffnen mit einem Künstlergespräch die Ausstellung, in der auch frühe Werke Webers - links unten Malerei aus den 70er-Jahren - sowie aktuelle Arbeiten, wie "9 Quadrate" aus Edelstahl von 2018, gezeigt werden. −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Am Anfang standen gefaltete Einladungskarten. Ein Zufall, eine spontane Idee für ein Tutorium an der Fachhochschule in Hamburg 1974. Jahrzehnte später hat Peter Weber Faltungen zur Meisterschaft geführt.

Aus Papier, Filz, dem Kunststoff HDPE oder Stahl dreht und wendet der konstruktiv-konkrete Künstler das sperrige Material aus einem Stück. Für den Betrachter meist in der Komplexität nicht nachzuvollziehen, in der verblüffenden und differenzierten Wirkung ein Mysterium. So kennen und schätzen die Besucher des Museums für Konkrete Kunst (MKK) und der Galerie Mariette Haas den 1944 in Kollmar an der Elbe geborenen Künstler, der in der Sammlung und im Skulpturengarten vertreten und immer wieder in der Ingolstädter Galerie zu sehen ist.

Nun zeigt Weber, "ein begnadeter Former", wie MKK-Direktorin Simone Schimpf bei der Vernissage sagte, in einer Jubiläumsschau, die das Museum dem 75-Jährigen ausrichtet, eine Miniretrospektive, die jedoch ohne die dichten Filzfaltungen auskommt. Die stattdessen frühe Arbeiten berücksichtigt und aktuelle von 2018 zeigt und damit anschaulich macht, wie Weber sich in seinem umfassenden Schaffen nicht nur der Faltung verschrieben hat, sondern letztlich vor allem der Eroberung des Raums. Sei es malerisch mit seinen illusionistischen Werken im Stil der Op-Art als auch Jahrzehnte später mit der kühnen Faltung von Edelstahl als Wandobjekt oder in Skulpturen.

Die Webersche Zeitreise im Museum beginnt mit kinetischen Werken: entstanden Ende der 60er-Jahre, Acrylfarbe auf Holz und darüber schimmerndes Riffelglas, ein überzeugendes Experiment. Ende der 60er-Jahre dann in Schwarz-Weiß-Variationen, nicht weniger verblüffend in der optischen Wirkung. Weber, der seit Studienjahren auch Jazzmusiker ist, setzt den Betrachter damit in Bewegung, damals selbst fasziniert von optischen Phänomenen und inspiriert von Victor Vasarely, Bridget Riley oder Jesus Rafael Soto. Ebenfalls verblüffend in ihrer dreidimensionalen Wirkung sind die vier leuchtenden und farbensatten Bilder - diverse "Interferenzstufungen" -, die Weber mit Ziehfeder und Acrylfarbe präzise, aufwendig und wie stets mit großem handwerklichen Können gearbeitet hat.

Die Entwicklung vom imaginären zum realen Raum vollzog Weber Anfang der 90er-Jahre mit seinen spektakulären Faltungen, deren Entstehung eine Denksportaufgabe und das Werk an sich ein hoch komplexes Rätsel ist. Weil er sich - vom Quadrat ausgehend - von hinten an das Objekt heranarbeitet. Weil sein Schaffensprozess ein Werden und Wenden mit einem - teils auch für ihn - überraschenden Ergebnis ist. Umso erhellender ist es für den Besucher, dass Weber in Ingolstadt "Faltzustände" aus Papier zeigt, das Kunstwerk im Entstehen, die Chance, dem Geheimnis seiner Arbeit zumindest ansatzweise auf die Spur zu kommen. Ein ganz besonderes Ausstellungsstück und nicht häufig zu sehen, ist die wandfüllende, 16-teilige Arbeit aus der Sammlung des MKK, ein Gemeinschaftswerk mit Eugen Gomringer, der auf die Faltungen Webers sein Werk "Das Stundenbuch" geschrieben hat.

Wie geht es nun weitergeht, will Simone Schimpf am Ende des Künstlergesprächs von Peter Weber wissen. Nach 50 Jahren Schaffen und nach der Vollendung des Werkverzeichnisses? Er schätze das Werkverzeichnis als Werkzeug, dort nachzuschlagen, Ideen zu bekommen und dann neue Wege zu gehen. "Das hört nie auf."

MKK, bis 23. Juni, Di bis So von 10 bis 17 Uhr. www.mkk-ingolstadt.de.

 

KUNST UND BUCH

Zum 75. Geburtstag ist im Hirmer-Verlag München ein opulentes, zweibändiges Werkverzeichnis (128 Euro) von Peter Weber erschienen, möglich gemacht durch die Unterstützung des Sammlerehepaars Maximilian und Agathe Weishaupt. Darin mehr als 1700 Werke sowie Texte von Simone Schimpf, Direktorin des Museums für Konkrete Kunst (MKK), und Texte und ein spannendes Interview von Gerda Riedler. In der Reihe "Kunst und Buch" zeigt das MKK in diesem Jahr noch Ausstellungen von Günter Fruhtrunk (Vernissage 29. Juni) und Wolfram Ullrich (Vernissage 19. Oktober).
 

Katrin Fehr