Hilpoltstein
"Auf der Bühne bin ich glücklich"

Dorothea Müller aus Hilpoltstein hat sich in der Musicalwelt nach oben gekämpft – Auftritt am Nürnberger Staatstheater

14.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:30 Uhr

Groß rausgekommen: Dorothea Müller gewinnt den Talentwettbewerb einer Teenie-Zeitschrift, der ihr Leben verändert - Foto: Meyer

Hilpoltstein (HK) Dorothea Müller aus Hilpoltstein hat es in der Musicalwelt geschafft. Sie steht bei der Rocky Horror Show des Nürnberger Staatstheaters auf der Bühne. Premiere ist am morgigen Samstag. Sie tritt als Sängerin und Tänzerin im Ensemble auf.

Ihre Arbeitstage sind lang. Spannend. Und kräftezehrend. Fast täglich pendelt Dorothea Müller (28) nach Nürnberg, um für die Premiere des Musicals „The Rocky Horror Show“ am Samstag zu proben. Tanzen, singen, tanzen. „Das ist sehr anstrengend. Man muss auf Knopfdruck funktionieren und wahnsinnig flexibel sein“, erzählt die junge Frau, deren Leben auf der Bühne spielt. „Aber man lernt auch unheimlich viel dazu.“ Nur sonntags darf sie sich ausruhen.

Für die Probenphase am Nürnberger Staatstheater ist die Wahl-Hamburgerin für einige Monate „zu Mama und Papa“ nach Hilpoltstein gezogen. „Das ist schon hammermäßig. In ihrem Alter hatte ich schon zwei Kinder und das dritte war unterwegs“, kommentiert ihre Mutter Elisabeth Müller. „Die Zeiten sind vorbei“, erwidert die Tochter trocken.

Sie hat einen anderen Lebensentwurf, in dem Kinder kaum Platz haben. „Man muss eigene Bedürfnisse hintanstellen“, sagt die junge Frau. Sie weiß wofür: „Auf der Bühne kann ich mich fallen lassen und alles vergessen. Das ist dann nur noch Spaß.“

Dorothea Müllers Weg ist konsequent, auch wenn das nach außen hin vielleicht gar nicht so aussieht. Als Kind tanzt sie gern, will zum Ballett, spielt zu Hause mit ihrer jüngeren Schwester Maria die Mini-Playback-Show nach. Ihre Mutter meldet sie schließlich für Gesangsstunden an der Musikschule in Hilpoltstein an: Der Opern- und Konzertsänger Wayne Lempke wird ihr Lehrer. „Ein hervorragender. Von ihm habe ich das Singen gelernt“, sagt Dorothea Müller. Lempke habe ihr auch die Tür zur Welt der Musicals geöffnet, weil er sie zu Workshops nach Österreich mitnahm.

Das Singen und Tanzen bleiben ihre Hobbys, sie entscheidet sich nach ihrem Fachabitur für einen Ausbildungsberuf bei einem Versicherungsunternehmen, „für etwas Vernünftiges“, wie sie damals findet. Sie hat nun einen Job, bei dem die Windows-Melodie beim Herunterfahren des Computers den Feierabend signalisiert und nicht das Johlen und Klatschen des Publikums.

Schon am ersten Ausbildungstag weiß Dorothea Müller: „Ich ziehe das durch, aber dann mache ich etwas anderes.“ Allerdings habe sie damals „noch nicht im Traum daran gedacht, dass ich einmal auf der Bühne stehen würde.“

Neben ihrem Versicherungsjob nimmt sie Stunden, probt, tanzt, singt. „Irgendwann bestand meine Freizeit nur noch aus Musik und Auftritten.“ Sie bewirbt sich an Musikhochschulen. In München fliegt sie in der ersten Runde raus. Sie stellt sich in Leipzig vor. Und in Berlin. Abgelehnt. „Und irgendwann war ich kaputt und deprimiert.“ Dorothea Müller muss sich entscheiden. Ende 2008 reicht sie die Kündigung ein.

Da weiß sie schon, dass es von nun an bergauf geht. Denn nach einer erfolglosen Bewerbung in Berlin blättert sie auf dem Rückflug in der Teeniezeitschrift Chica, liest von einem Vollstipendium an der Stage School in Hamburg, einer privaten Musicalschule. Dorothea Müller setzt sich unter Hunderten von Mädchen durch. „Man muss einfach jede Chance nutzen, die sich einem bietet“, sagt die junge Künstlerin.

So wie die, auf dem Kreuzfahrtschiff Aida sechs Monate lang bei der Abendunterhaltung die Hauptrolle zu übernehmen. In nur wenigen Wochen musste sie zunächst an Land 15 Shows einstudieren, um an Bord ihr Können an sieben Abenden die Woche abzurufen. „Das ist eine krasse Erfahrung, da geht man absolut über seine Grenzen. Ich habe fast jeden Tag geheult, es war die schlimmste Zeit meines Lebens. Und die schönste.“

Sie hat jedenfalls gelernt, ganz schnell in neue Rollen zu schlüpfen und Choreografien in kürzester Zeit in sich aufzusaugen. „Wenn ich auf der Bühne stehe, fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Dann bin ich glücklich.“ Das ist der Moment, in dem sie ganz genau weiß, warum sie all die Plackerei auf sich nimmt. „Man bekommt so viel zurück vom Publikum.“

Die Proben in Nürnberg steuern dem Höhepunkt zu. „Eine sehr spannende Phase“, wie Dorothea Müller findet. Endlich sehe man, wie die Kostüme wirken, wie sich die Szenen zu einem Großen und Ganzen zusammenfügen.

Obwohl am Samstag die Premiere für die Rocky Horror Show ist, sucht die Künstlerin schon wieder einen neuen Job. Eine Rolle verkörpert man nur auf Zeit. Dann muss man sich ein neues Engagement suchen.

Zwischen den Auftritten am Nürnberger Staatstheater hat sie Termine für Auditions ausgemacht, Auftritte, bei denen für neue Shows vorgetanzt und gesungen wird. Ihre Mutter sagt bewundernd: „Sie hat einfach den Biss, das durchzuhalten. Ich stelle mir das nicht einfach vor.“ Ausruhen, das könne man sich in dem Job gar nicht leisten, bestätigt Dorothea. „Man muss sich immer neu beweisen.“

Das hat sie erst bei ihrem jüngsten Auftritt bei der Musicalgala in Hilpoltstein gezeigt, als sie mit Hamburger Kollegen eine viel gelobte Show in ihre Heimatstadt bringt. „Aber das war Aufregung pur, weil viele dabei waren, die mich von klein auf kennen. Es war einfach der Druck da, dass jede Note sitzt, na ja“, sagt Müller selbstkritisch. „Danach war ich richtig zufrieden, wie es gelaufen ist.“

Am liebsten würde Dorothea einmal in dem Musical „Funny Girl“ die Hauptrolle übernehmen. Es geht um ein ehrgeiziges, junges Mädchen, das die Bühnen der Welt erobern will. Sie hat einen eisernen Willen und wird schließlich entdeckt. Ein bisschen so, als würde Dorothea Müller ihr eigenes Leben spielen.