Ingolstadt
Auf dem Sprung

Robert Birk und sein Flohzirkus schauen im Medizinhistorischen Museum vorbei

11.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:12 Uhr |

Unbändige Kraft beweist dieses Floh-Exemplar: Er zieht ein Mini-Karussell, das ein Vielfaches seines eigenen Gewichts wiegt. Flöhe sind außerdem dafür bekannt, sehr weit springen zu können.

Ingolstadt (DK) In lauter lachende Gesichter blicken die wartenden Flohzirkusbesucher beim fliegenden Wechsel im Medizinhistorischen Museum.

Entsprechend erwartungsvoll nimmt das Publikum für die sechste, letzte und ebenfalls ausverkaufte Show des Abends Platz. Wenn sie den Anatomiesaal gut 40 Minuten später verlassen werden, werden auch sie jenes versonnene Lächeln auf den Zügen tragen, und auch Museumsdirektorin Marion Ruisinger scheint sich nach fünf Vorstellungen nicht zu langweilen. Denn Robert Birk und sein Flohzirkus verzaubern. Schon während der erste Floh, mit Golddraht an einer Schachfigur festgebunden, mit Lupe und weißem Taschentuch als Hintergrund die Runde durchs 20-köpfige Publikum macht, hängen die anderen Zuschauer gebannt an den Lippen des Flohzirkusdirektors, der frei von der Leber weg Berufsgeheimnisse ausplaudert. Dass er seine Artisten gewinnt, indem er sie aus dem Fell junger Katzen vom Biobauernhof kämmt, sie dressiert, indem er sie mit Dunkelheit belohnt, sobald sie ihr Kunststück beherrschen, und wie sie gefüttert werden. Das fasziniert die Zuhörer am allermeisten. Und dürfte zugleich der Grund dafür sein, dass die Konkurrenz gering ist. Birk kann seine Berufsgeheimnisse seelenruhig ausplaudern. Unaufgeregt, als wäre es das Natürlichste der Welt, erklärt er, wie Flöhe auf dem Unterarm des Flohzirkusdirektors gefüttert werden. „Sollten Sie einmal in die glückliche Lage geraten, einen Floh zu haben, dann halten Sie eine Stunde lang still, dann juckt es hinterher nicht“, versichert Birk. Denn der Floh spritze ein blutgerinnungshemmendes Sekret in die Einstichstelle, das er im Laufe der Saugzeit von einer Stunde „garantiert wieder heraussaugt“. Ob ihm schon mal Flöhe ausgekommen seien, fragt ein älterer Herr, und es klingt fast so, als jucke es ihn schon bei dem Gedanken. „Ja“, antwortet Birk kurz und bündig, lässt das Wort kurz wirken und ergänzt dann: „Meist auf dem Oktoberfest.“ Das Problem seien das typische Bayerische Nahrungsmittel und Zuschauer, die bereits so viel davon genossen hätten, dass sie nicht mehr wüssten, ob sie die Lupe zwischen ihr Auge und den Floh oder dahinter halten sollten. „Wenn die dem Floh mit der Lupe eins auf den Kopf geben, dann kommt er aus der Schlinge frei“, erklärt der Flohzirkusdirektor. „Sollten Sie heute einen Floh mit nach Hause nehmen, haben Sie die Möglichkeit, ihn morgen früh um 10 Uhr bei mir abzugeben“, tröstet er alle möglicherweise Besorgten. So plaudert er während der Vorstellung munter weiter, erzählt vom Haussegen, der daheim schiefhinge, sollte jemals eine seiner vier Katzen einen Floh beherbergen müssen, und antwortet auf die Frage, ob Flöhe eine natürliche Begabung hätten, im Verhältniszu ihrem Gewicht immens schwere Kutschen zu ziehen, Karussells anzutreiben oder Fußballtore zu erzielen, todernst mit: „Das ist Ergebnis der Dressur.“

Mit der Pinzette holt der 52-Jährige Augustine und das Karussell, das sie ziehen soll, aus der Flohgarage und setzt sie auf den weißen Untergrund. Später folgen Angie mit der Deutschlandfahne, Dieter mit der Fahne der Landeshauptstadt München, Hans, der Perlenkutscher, und Fritz, der Fiaker aus Wien, die im Kutschenrennen gegeneinander antreten dürfen. Die Tänzerinnen Raffaela, Franziska, Ingrid, Lydia und Rosi aus Rosenheim drehen sich im Kreis unter ihren kleinen Schirmchen. Am faszinierendsten aber sind Fridolin, der Jongleur, der eine Holzscheibe in der Luft dreht, und Theodor, der Elfmeterschütze. Einen Moment nur dauert es, wenn er auf den kleinen, weißen Ball gesetzt wird, dann landet die Kugel blitzschnell zielsicher im Tor.

Viel zu schnell vergeht die Zeit, die Flöhe sind längst wieder in der Garage. Was bleibt, ist dieses Lächeln auf den Gesichtern.

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