Ingolstadt
Angekommen, um aufzubrechen

36 Jahre nach ihrem Stadtratsdebüt feiert Petra Kleine ihren 60. Geburtstag als erste Bürgermeisterin der Grünen

19.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:38 Uhr
"Für echte Weichenstellungen brauchst du die Verwaltung und den Stadtrat": Bürgermeisterin Petra Kleine im Rathausbüro, wo es am Geburtstag selbstgebackenen Zwetschgendatschi gibt. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Als Politiker der Grünen hat man gefälligst in der Opposition zu sein, so war die Spielregel noch zu Petra Kleines politischer Jugendzeit.

Grüne an der Macht und in Regierungsämtern - das hat eine ganze Weile gedauert und ist erst mit Namen wie Joschka Fischer, Otto Schily und Winfried Kretschmann zur Selbstverständlichkeit geworden, wobei das Wirken des baden-württembergischen Landesvaters inzwischen stark an die milde Regentschaft von Strauß-Vorgänger Alfons Goppel erinnert. Jetzt sitzt Petra Kleine, die an diesem Donnerstag 60. Geburtstag feiert, selbst an den Schalthebeln der Macht.

Gut, im Ingolstädter Rathaus sind diese Schalthebel für eine dritte Bürgermeisterin nicht übermäßig groß. Aber immerhin, nach so vielen Jahren ist es für die Grüne doch ein Riesensprung, nach all den CSU-dominierten Jahren, in denen sie bei der Mehrheit keinen Blumentopf ernten konnte, nicht einmal einen mit einer Sonnenblume drin. Da passte Albert Wittmann schon auf, dass keine Zweifel daran aufkamen, wer politisch Herr im Haus ist.

"Für mich gibt's ja noch kein Modell", sagt die erste hauptamtliche dritte Bürgermeisterin der Stadt, die seit Jahrzehnten grüne Politik verkörpert, aber eben ohne direkten Einfluss auf die Verwaltung. "Ich bin noch ein bisschen geprägt vom immer etwas konservativen Ingolstadt, das etwas später dran ist. Ich sitze hier im Büro und denke: Hab ich schon alle Möglichkeiten in meinem Kopf, die es jetzt gibt und die es vorher für mich nicht gab? "

Das Büro, von dem aus Petra Kleine in den nächsten sechs Jahren grüne Politik machen will - "das geht aber alles nur kollegial" -, kannte bisher nur schwarze Chefs. Hier im zweiten Stock des Alten Rathauses mit Blickrichtung Moritzstraße hatten unter anderem schon die Referenten Werner Richler, Christian Lösel und Christian Siebendritt ihren Schreibtisch. "Dass ich grüne Bürgermeisterin bin", findet Kleine, "ist ein unerwartetes Glück, da hat so viel zusammenkommen müssen. " Im Grunde sei für sie erst im Juli ein permanenter Wahlkampf zu Ende gegangen: Erst die OB-Kandidatur, dann das Votum der Wähler, schließlich der parteiinterne Konflikt mit Rupert Ebner und die klare Entscheidung der Grünen für eine Umweltbürgermeisterin.

Es mag vielleicht ein unerwartetes Glück sein, aber Zufall ist es nicht, dass diese Frau die erste Ingolstädter Bürgermeisterin der Grünen geworden ist. Bereits im DK-Sommerinterview 2007 machte sie sich für eine Trendwende im Klimaschutz stark, als "Fridays for future" noch längst kein weltweit bekannter Begriff war. Schauplatz dieses Interviews waren übrigens die neuen Stufen am Donauufer, auf denen zwölf Jahre später CSU-OB Christian Lösel etwas verwundert auf die Interviewfrage des DK reagierte, ob er ganz sicher wieder als OB kandidieren werde.

Seit 1984, als die Studentin Petra Kleine für die Grün-Alternative Liste im Stadtrat debütierte, war im Sitzungssaal mit einer kleinen rebellischen, überwiegend weiblichen Gruppe zu rechnen, die oft mehr Energie und Ideen ins kommunale politische Geschäft investierte als die großen Etablierten. Und wenn dann bei der großen Haushaltsdebatte Schulklassen im Publikum saßen, war schnell zu erkennen, bei welcher Rede die Leute sofort aufmerksam zuhören und dass sie zu gähnen anfangen, sobald ein Fraktionschef seinen Beitrag im Stil einer Steuererklärung abspult. Die Mutter zweier Töchter und inzwischen auch Oma ist schon immer, wie man so sagt, ein politisches Tier gewesen, ausgestattet mit beachtlicher rhetorischer Begabung. Jetzt eben auch mit Bürgermeistertitel, Büro, Dienstfahrrad sowie Carsharing-Abkommen mit der Stadtbaurätin.

Petra Kleine war es gewohnt über all die Jahre, zumindest einen wesentlichen Teil ihres Lebensunterhaltes mit den Stadtratsdiäten zu bestreiten. Auf die Frage, ob sie sich als Berufspolitikerin verstehe, antwortete sie vor zehn Jahren: "Dazu ist es zu schlecht bezahlt. " Auch das müsste sich ja mittlerweile geändert haben.

DK

Reimund Herbst