München
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Der italienische Sänger Francesco De Gregori gibt sein einziges Deutschlandkonzert am 16. Oktober in München

06.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Italiens große Stimme: Stilistisch bewegt sich Francesco De Gregori zwischen Folk und Rock. Am 16. Oktober tritt er in der Theaterfabrik München auf - sein einziges Deutschlandkonzert. - Foto: Bissacco

München (DK) Er zählt zu den bedeutendsten Musikern Italiens, ist seit mehr als 40 Jahren eine Konstante der italienischen Liedermacher. Francesco De Gregori hat mit seinen Kollegen und Freunden Antonello Venditti und Lucio Dalla (1943-2012) in den 1970er-Jahren während der italienischen Studentenbewegung (sozial)kritische Lieder geschrieben. Mit weiteren römischen Cant-autori gründete er die sogenannte "Scuola Romana" (Römische Schule). Beeinflusst wurde er von Musikern wie Bob Dylan, Leonard Cohen und seinem Vorbild Fabrizio de André. 2015 hat er ein ganzes Album mit teilweise sehr frei interpretierten Coverversionen des Literaturnobelpreisträgers Dylan veröffentlicht. Höhepunkte seines Schaffens waren das Album "Rimmel" und "Titanic", inspiriert durch das gleichnamige Gedicht von Hans Magnus Enzensberger. Zu seinen größten Erfolgen zählen "La donna cannone", "Niente da capire" oder "Rimmel". Sein Song "Buonanotte Fiorellino" hat Konstantin Wecker ins Deutsche übertragen. Zuletzt hat De Gregori die Live-Doppel-CD "Sotto il Vulcano" veröffentlicht. Am 16. Oktober gastiert er in der Theaterfabrik München. Wir haben mit dem 66-Jährigen, der sich gerade in Rom auf seine Konzerte vorbereitet, gesprochen.

Herr de Gregori, warum geben Sie nur ein einziges Konzert in Deutschland?

Francesco De Gregori: Weil man mich nicht häufiger und außer in München hören wollte. Und das, obwohl ich Deutschland nicht nur als Ort für Konzerte, sondern auch als Reisender sehr mag. Nein, nein. Die Wahrheit ist, dass ich nur ein gutes Dutzend Konzerte auf dieser Tour machen wollte.

 

Wie geht es Ihnen?

De Gregori: Mir geht es wirklich gut. Ich habe Freude daran, ins Studio zu gehen, wie gleich nach diesem Interview, mit den Musikern zu proben. Ich habe eine wunderbare Arbeit. Wenn man es schafft, als Künstler ohne Stress zu arbeiten, ist das herrlich.

 

Aber möglicherweise auch nicht ohne Hürden wie Schaffenskrisen oder Erfolgsdruck. Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Texte und Stücke?

De Gregori: Inspiration sucht man nicht. Die Inspiration kommt - oder sie kommt nicht. Wenn sie nicht kommt, muss man ruhig bleiben, das Fenster öffnen, auf die Straße schauen. Dann kommen die Ideen, dann kommen die Geschichten. Ein Sänger, ein Musiker ist wie ein Maler, der ein Bild malt oder ein Filmemacher. Man kann aber auch in sich hineinhören, in sich hineinschauen.

 

Und was sieht man da? Was hört man da?

De Gregori: Jeden Tag etwas anderes als am Vortag. Das variiert, es ist keine Stabilität oder einfach nur gleichtönige Ruhe. Ich bin jetzt 66 und habe viel erlebt und gesehen. Da sind auch Enttäuschungen oder schmerzliche Erfahrungen dabei, aber auch gute Erinnerungen - und immer eine Perspektive, ein Weiter.

 

Was macht Ihnen derzeit Angst? Der Populismus in Europa? Die Umweltzerstörung?

De Gregori: Das hat sich verändert. Ich bin eher distanziert zur Politik. Ich weiß natürlich, wie der Populismus funktioniert, wie gefährlich er ist. Auch wir in Italien haben ihn. Ich beschäftige mich nicht mehr so intensiv damit, weil das außerhalb meiner Kontrolle ist. Ich versuche viel eher, Freundschaften zu pflegen und hier Dinge zu verändern.

Sie haben viele bekannte Lieder geschrieben wie "La donna cannone" oder "Rimmel". Haben Sie ein Lieblingslied?

De Gregori: Nein, ich mag sie alle auf die gleiche Art und Weise. Auch wenn ein Stück mal besser, ein anderes mal schlechter oder weniger erfolgreich war. Das ist wie bei einer Mutter mit vielen Kindern. Würde sie eines bevorzugen, wäre sie eine schlechte Mutter.

 

Sie haben viel mit Lucio Dalla erlebt und gearbeitet. 2012 ist Dalla unerwartet gestorben. Wie groß ist die Lücke, die er hinterlassen hat?

De Gregori: Ja, eine große, eine enge Freundschaft. Wir haben viel musiziert, viele Konzerte gegeben. Es ist aber ganz seltsam. Ich sehe sein Verschwinden nicht unter dem Aspekt der Trauer oder des Verlusts. Und wenn wir unter Freunden über ihn sprechen, dann immer so, als ob er noch da wäre mit seiner Lebendigkeit, seiner Energie, seiner Präsenz. Wir reden nie in der Vergangenheit, sondern immer in der Gegenwart über ihn. Und wie er, quasi auf der Bühne zu sterben, ist für einen Künstler wahrscheinlich das Beste.

 

Die italienischen Liedermacher, i cantautori italiani, sind seit den 70er-Jahren berühmt. Gibt es Nachfolger?

De Gregori: Nachfolger im Wortsinn nicht. Denn man kann niemanden ersetzen. Aber es gibt viele talentierte, junge Musiker bei uns in Italien.

 

Zum Beispiel? Wen sollten wir auf jeden Fall anhören?

De Gregori: Da gibt es viele, aber ich will einen Namen nennen: Malika Ayane.

 

Italienische Liedermacher sind meist recht poetisch. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten - wie würde der lauten?

De Gregori: Oh. Am Ende sind die meisten Wünsche recht banal. Ich fände es schön, weiter mit dieser Freude an der Musik zu arbeiten und sich die Kunst zu bewahren, alles möglichst zu genießen.

 

Die Fragen stellte Katrin Fehr.

 

Konzert am 16. Oktober, 20 Uhr, Theaterfabrik München.