Frankfurt
Am Ende bleibt Ratlosigkeit

Düsterer Frankfurt-"Tatort" am 2. Weihnachtsfeiertag

23.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:29 Uhr
Ein Unbekannter hat Anna Janneke (Margarita Broich) im Turm niedergeschlagen. Paul Brix (Wolfram Koch) muss also zunächst allein auf Mörderjagd gehen. −Foto: Müller/HR/Degeto/ARD

Frankfurt (DK) Weihnachten ist traditionell auch immer "Tatort"-Zeit, selbst wenn das Fest nicht auf einen Sonntag fällt. Am 2. Weihnachtsfeiertag wird im Ersten ermittelt. Und dieses Mal geht es dabei hoch hinaus. Oder besser tief hinunter.

Denn von einem Frankfurter Wolkenkratzer stürzt eine Frau zu Tode. Es ist kein gewöhnliches Hochhaus. Es ist "Der Turm". Und der steht sinnbildlich für die Finanzwelt, die eine eigene Welt bildet: undurchsichtig, unzugänglich, unheimlich.

Gedreht wurde der Hessen-"Tatort" passend im derzeit leerstehenden Deutsche-Bank-Turm in der Finanzmetropole. Der zeigt sich als Festung, uneinnehmbar für die Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Nachts werden die beiden dorthin gerufen. Zu Füßen eines Bankenturms liegt eine spärlich bekleidete tote Frau, der man eine Plastiktüte über den Kopf gezogen hat. Janneke ist als erste am Tatort und bemerkt in einem Stockwerk des Gebäudes eine Person. Sie geht allein in den menschenleeren Turm und macht Fotos. Plötzlich hört sie Schritte, drückt auf den Auslöser, dann bekommt sie einen Schlag.

Als Brix eintrifft, findet er seine Kollegin bewusstlos im Aufzug liegen: Schädel-Hirn-Trauma, Krankenhaus. Brix ermittelt zunächst allein und stößt schnell an die Grenzen des hermetisch abgeriegelten Turms. Als es Janneke besser geht, versucht sie mit Hilfe der Fotos, auf denen allerdings niemand zu erkennen ist, Licht ins Dunkel zu bringen. Hilfe bekommen die beiden von den jungen IT-Experten Jonathan (Rouven Israel) und Bijan (Rauand Taleb), die von wilden Sexpartys für Investoren im Turm berichten. Das Opfer arbeitete als Callgirl. Einzige Ansprechpartnerin in dem Gebäude ist für die Kommissare die unnahbare Firmenjuristin Dr, Rothmann (Katja Flint), die aber alles abblockt.

Es ist ein sperriger, kafkaesk anmutender Krimi, den der Autor und Regisseur Lars Henning ("Zwischen den Jahren") da ge-schrieben und inszeniert hat. Er zeigt den Finanzkapitalismus als geschlossenes System, dem auch offizielle Stellen wie die Polizei machtlos gegenüberstehen. Der Büroturm scheint für die Kommissare uneinnehmbar, was durch die Wahl der Kameraperspektiven - die "kleinen" Kommissare vor dem großen Turm - unterstützt wird. Die Täter sind nicht sichtbar, auch auf den Fotos nicht, die Janneke geschossen hat.

Wer eine Lösung des Falls und Gerechtigkeit erwartet, der wird von diesem "Tatort" enttäuscht sein. Wer aber Metaphern und Filmzitate (Michelangelo Antonionis "Blow up") mag, sich in die Grauzone zwischen subjektivem Erinnern und objektiver Wahrheit entführen lassen und Kommissare begleiten will, die am liebsten den "ganzen Turm auf links drehen" wollen, aber kläglich scheitern, der ist hier richtig. Ihnen dabei zuzusehen, ist sehr interessant und spannend.

Der "Tatort: Der Turm" läuft am Mittwoch um 20.15 Uhr in der ARD.
 

Volker Bergmeister