Altbekannte Fragen

Kommentar

30.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Hamburg kommt nicht zur Ruhe. Die stolze Stadt an der Elbe hatte eben erst das Trauma des jüngsten G 20-Gipfels und die schlimmen Ausschreitungen verdaut. Die ganze Republik fühlte mit den Hamburgern.

Nun die Messerattacke vom Freitag und ein neuer Schock. Und wieder fühlen viele mit den Opfern. Doch in die Trauer mischt sich noch etwas anderes. Die Menschen stellen sich nun unweigerlich altbekannte Fragen: Haben die Sicherheitsbehörden abermals einen islamistischen Gefährder unterschätzt und nicht abgeschoben, bevor er zur Tat schritt, einen Menschen erstach und sieben weitere verletzte?

Die blutigen Attacken von Flüchtlingen in Ansbach und Würzburg liegen nun bereits ein Jahr zurück. Der Fall Anis Amri und der brutale Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche mehr als sieben Monate. Sind seitdem noch immer nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen worden? Mit Wucht drängen sich diese Fragen nun auf. Auch wenn die genaue Motivlage des 26-jährigen Palästinensers noch nicht abschließend geklärt ist, psychische Labilität eine Rolle gespielt haben mag: Seine islamistische Radikalisierung war den zuständigen Stellen offenbar bekannt. Doch die Warnungen aus seinem direkten Umfeld ließen bei den Ermittlern nicht die Alarmglocken schrillen. Ein Unding. Auch, dass der ausreisepflichtige Mann wegen der nahenden Abschiebung besonderen Druck empfunden haben muss, blieb außer Acht.

Das neue Bewertungssystem zur Beurteilung islamistischer Gefährder kam offenbar nicht zur Anwendung. Die Politik und die Sicherheitsbehörden müssen nun Klarheit schaffen, warum nicht. Hier muss jetzt mit Hochdruck aufgeklärt werden. Wenn die Behörden von ihren Möglichkeiten nicht Gebrauch machen, droht ein massiver Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger, wird das Gefühl der Unsicherheit weiter zunehmen. Dies kann vor allem den etablierten Parteien im Wahlkampf nicht recht sein. Denn das ist Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die den Rechtsstaat als unfähig betrachten und Fremdenfeindlichkeit und Angst schüren, eine Steilvorlage für die Zündler der AfD wenige Wochen vor der Bundestagswahl.

Das Gesetz zur Durchsetzung der Ausreisepflicht ausländischer Gefährder ist gerade erst in Kraft getreten. Dass die Sozialdemokraten hier lange auf der Bremse standen, wird ihnen im Wahlkampf noch das eine oder andere Mal vorgeworfen werden. An gesetzlichen Regelungen mangelt es wahrlich nicht mehr. Aber es ist Zeit, das Vollzugsproblem der Behörden anzugehen und für ausreichend Personal zu sorgen, um die Gesetze auch wirklich anwenden zu können - und um die Menschen effektiver vor extremistischen Gewalttätern zu schützen.