Handball
Als Handball noch kein Hallensport war

19.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:47 Uhr

"Blau-weiße Nacht im Hafen" war das Motto des SSV-Faschingsballs 1966. Als Einlage traten die Handballdamen als Matrosen verkleidet auf und musizierten.

Handball als Sportart ist eine deutsche Erfindung und entstand Ende des Ersten Weltkriegs als Feldhandball in Berlin und entwickelte sich über das im Freien gespielte Kleinfeldhandball zum heutigen dynamischen Hallenhandball. Eines hat sich jedoch nie geändert: Handball ist ein schnelles, taktisch bestimmtes Spiel, das hohe Anforderungen an körperliche Leistungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit stellt. So werden die Handballspieler auch die "Zehnkämpfer der Sportspiele" genannt: Sie müssen zum Tempogegenstoß sprinten, sich mit kraftvollem Einsatz am Kreis durchsetzen, beim Sprungwurf höher springen als die Deckungsspieler und mit knallhartem Schuss den Torwart bezwingen.

Vor 60 Jahren begann die nie langweilige Handballgeschichte in Schrobenhausen. Es war im Mai 1956, als sich eine kleine, aber eifrige Gruppe junger Leute unter Leitung von Studienassessor Wilhelm Hofmeister zusammenschloss, um sich im Verein SSV in das Abc des Handballsports zu vertiefen. Der Stamm der Mannschaft setzte sich vor allem aus den Eishockey- und Basketballspielern sowie den Leichtathleten des Vereins zusammen.

Sie sprühten vor Ehrgeiz und unternahmen unter Führung von Otto Schöpf alles, um aus ihrem Schattendasein herauszukommen. Es gelang. Nur ein Jahr nach ihrer Gründung kamen die Schrobenhausener Spieler - Josef Weber, Frieder Papsdorf, Heinrich Schwarzbauer, Josef Pauler, Gerhard Bittner, Manfred Kotter, Walter Kiegele, Hans Mayer, Alfred und Otto Schöpf, Lorenz Rinauer, Erwin und Hubert Moser, Franz Baum, Wolfgang Uhlsperger, Franz Riepel, Hans Haas, Hans Dellner, Max und Hans Wolkersdorfer - in der ersten Punktrunde auf den vierten von zehn Plätzen. Im Juni 1959 erreichten sie die Tabellenspitze. Und ans Aufhören war schon damals nicht mehr zu denken. Im Gegenteil: Immer mehr ehrgeizige Sportler wollten sich im Handball versuchen. In der Abteilungsversammlung 1960 gab Abteilungsleiter Otto Schöpf bekannt, dass es nun zusätzlich für den Punktspielbetrieb eine Herrenreserve-, Jugend- und Schülermannschaft geben würde. Die Herren wurden 1960 sogar schon Kreismeister. Ein Jahr darauf formierte sich eine Damenmannschaft, die in der Punktrunde im Kreis Schwaben gleich einen sauberen Start hinlegte.

Und auch der Nachwuchs war gesichert, denn mit Jugendleiter Ludwig Heinl hatte man das große Los gezogen. Gleich fünf Mannschaften nahmen am Punktspielbetrieb teil und eine Mädchenmannschaft war zu dieser Zeit im Aufbau. Die Truppe der Schrobenhausener stand also. Jetzt galt es nur noch, auf die Handballabteilung des SSV im In- und Ausland aufmerksam zu machen. Wie das gelang? Ganz einfach: Indem man es mit bekannten und starken Gegnern, wie etwa dem TSV Ansbach, der SG Leutershausen und dem siebenfachen jugoslawischen Staatsmeister Dynamo Belgrad, aufnahm. Solche Begegnungen lockten oft bis zu 600 Zuschauer auf den Sportplatz. Den Abschluss dieser Turniere bildete alljährlich ein Sommernachtsball im Gasthaus Bräumichl. Alle, die in dieser Zeit im bayerischen Handballsport Rang und Namen hatten, waren dabei.

Die SSVler wollten aber nicht nur zu Hause Handball spielen, sie fuhren auch ins Ausland und nahmen an Turnieren in Belgien, Frankreich, Dänemark, Spanien, Holland und vielen anderen Ländern teil. Noch heute schwärmt so manch alter Handballer von seinen Ferntrips mit der Mannschaft. Doch die Euphorie hielt nicht lange an. Schon bald wurden die Schrobenhausener auf eine neue Probe gestellt. Während bisher vorwiegend Großfeldhandball gespielt wurde, trat nun auch in Deutschland das international bedeutendere Hallen- beziehungsweise Kleinfeldhandball in den Vordergrund.

Da es für Hallenhandball in Schrobenhausen keine Möglichkeit gab - bislang hatte man nur im Sommer und im Freien gespielt -, mussten die Spieler nun für Training und Heimspiele in die Scheyrer Bundeswehrhalle rund 20 Kilometer von Schrobenhausen entfernt ausweichen - und das mit allen Mannschaften.

Wie man sich vorstellen kann, eine sehr unbefriedigende Situation. Denn zu jener Zeit in den 60er-Jahren war es nicht selbstverständlich, dass jeder ein Auto zur Verfügung hatte. Doch man biss sich durch - bis 1973 mit dem Bau der Hauptschulturnhalle in Schrobenhausen die Erleichterung kam. Anfang der 70er-Jahre blühte der Handball schließlich so richtig auf. Mannschaften wie der TSV Milbertshofen, der FC Bad Brückenau und TuS Brannenburg gehörten zu den regelmäßigen Besuchern des neuen Pfingstturniers an der Freizeitsportanlage des SSV in der Högenau. Auch das Damenturnier wurde zum festen Bestandteil des Turnierprogramms.

An die Topspieler der damaligen Zeit erinnern sich heute noch viele. Da ist zum Beispiel Kurt Weber, der allein in einer Saison die Hälfte aller Tore geworfen hat. Oder Josef Miller, der 1974 eine Einladung zu einem 14-tägigen Lehrgang der Bayernauswahl für Juniorenspieler im französischen Montpellier le Vieux erhielt. Der wurfstarke Linkshänder konnte sich nicht zuletzt dank seiner gefürchteten Sprungwürfe qualifizieren. Und dann ist da natürlich noch Anni Mittelhammer, die eine Einladung zum Spitzenspielerinnenlehrgang erhielt, der zur Vorbereitung für die bayerische Frauenauswahl diente.

Doch so gute Spieler der Verein auch hatte, nicht immer waren die Zeiten rosig. 1978 bereitete der schwache Mitgliederstand bei den Jugendlichen (32) den Verantwortlichen große Sorgen, 1980 war der Fortbestand der Abteilung ernsthaft gefährdet. Erst nach zwei Krisensitzungen fand sich ein neuer Abteilungsleiter, die Jugendmannschaft war gerettet. Aber an Nachwuchs fehlte es immer noch. So wurde im Mai 1985 erstmals ein Spielenachmittag für Kinder gestartet - die Geburtsstunde für eine Minigruppe, die sich bis heute über einen regen Zulauf erfreut.

Mit dem Bau der Dreifachsporthalle haben die Handballer 1985, nach fast 30 Jahren, eine Heimat gefunden. Sie bedankten sich am 11. Dezember 1985 mit einem besonderen Handballereignis: einem Spiel der Bundesligamannschaften TSV Milbertshofen gegen VfL Günzburg. 600 Zuschauer haben dieses Spiel gesehen, auch Weltmeister Erhard Wunderlich war dabei. Zwar haben die Schrobenhausener gleich im Vorspiel gegen den TSV Milbertshofen 1b verloren, doch vergessen hat dieses spannende Match trotzdem keiner.

Nach dem Spiel trafen sich die Aktiven im Gasthaus Wenger. Hier stellte man fest, dass die großen Stars auch nur normale Menschen sind, dass sie genauso Durst haben und eine Maß Bier im Nu weggezischt ist; man konnte nur staunen, denn die nächste folgte gleich.

Eine Veranstaltung dieses Ausmaßes kann sich die Abteilung heute nicht mehr leisten, denn die laufenden Kosten des Spielbetriebs sind enorm gestiegen. Aber davon gibt es dann in den nächsten Teilen der Serie mehr.