Nürnberg
"Als hätte man den Jackpot gewonnen"

Deep-Purple-Bassist Roger Glover über den Erfolg der Band – Konzerte in Nürnberg und München

19.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:32 Uhr

Nürnberg/München (DK) Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Steve Morse and Don Airey kommen während ihrer Tournee am 21. November nach Nürnberg (Arena, 20 Uhr), am 26. November (Olympiahalle 20 Uhr) nach München. Ende August veröffentlichte die legendäre Rockband Deep Purple ein Schmankerl: „From The Setting Sun . . . (In Wacken)“ „. . .To the Rising Sun (In Tokyo)“ heißt die Doppel-CD/ DVD, die zwei unterschiedliche Liveshows aus den Jahren 2013 und 2014 präsentiert. Vor den Auftritten der Rock-Band in Bayern spricht Bassist Roger Glover (69) im Interview mit unserer Zeitung über die Tournee und weitere Pläne der Briten.

 

Roger Glover, Sie sind gerade auf Tournee. Wie bereiten Sie sich auf ein Konzert vor?

Roger Glover: (lacht schallend) Ach, junger Mann, da ist nicht viel mit Vorbereitung. Wir schnappen uns die Instrumente und spielen los. Deep Purple auf Tournee, das ist eine vorzüglich geölte Maschine.

 

Weil Sie Klassiker wie „Smoke on the Water“ oder „Black Night“ selbst im Schlaf spielen könnten?

Glover: Das können wir wirklich. Am Anfang einer Tournee machen wir einen ausführlichen Soundcheck und gehen sicher, dass alles stimmt. Die jeweiligen Bühnen sehe ich dann in der Regel erst, wenn ich zur Show rausgehe.Wir machen diesen Job seit bald 50 Jahren, da steckt sehr viel Routine drin.

 

Ist jeder Auftritt gleich?

Glover: Nein, manchmal geht es, und manchmal ist es großartig. Entscheidend sind zwei Dinge: Der Sound auf der Bühne und das Publikum. Wir mögen es nicht so, wenn die Leute sitzen, als würden sie einen Film gucken. Das nervt total. Reine Stehplatzveranstaltungen sind auf jeden Fall besser.

 

Warum soll das Publikum nicht sitzen?

Glover: Weil du beim Spielen verkrampfst und dich zu sehr anstrengst, die Leute zum Aufstehen zu bewegen. Es ist einfach nicht so locker.

 

Sie veröffentlichen zwei Live-Mitschnitte zusammen. Einen vom Wacken-Festival 2013 und den anderen aus dem berühmten Budokan-Theater in Tokio. Eine Band und zwei Welten?

Glover: Ja, das war wohl die Intention der Plattenfirma. Das Projekt ist interessant, selbst wenn die Idee nicht von uns ist, und wir auch gar nicht so intensiv an der Umsetzung beteiligt waren. Wenigstens hat man uns vorher gesagt: „Übrigens, Leute, wir nehmen die Show heute auf.“ Was bei früheren Live-Aufnahmen nicht immer der Fall war. Mir ist das sogar fast lieber, ich weiß es nicht, denn sonst achtest du zu stark darauf, gut zu spielen und bist nicht mehr richtig locker. Also: Dieses Mal wusste ich jeweils Bescheid, unser Keyboarder Don Airey zum Beispiel aber nicht.

 

Was sind Ihre Erinnerungen an die beiden Shows?

Glover: In Wacken waren wir wahrscheinlich etwas fehl am Platze. Das ist ein Festival für Hardcore-Fans des Heavy Metal, und wir sind nun einmal keine Heavy-Metal-Band. Wir machen Hardrock mit Jazz- und Klassik-Elementen. Andererseits ist es immer spannend, auf ein Publikum zu treffen, das dich vielleicht noch nie gesehen hat. Das Festival in Wacken als solches war supertoll und perfekt organisiert.

 

Und Budokan?

Glover: In Tokio ging alles sehr klinisch und still vonstatten, verglichen mit den unzivilisierten Horden in Wacken. Aber die Japaner sind trotz ihrer Zurückhaltung ein sehr warmes, sympathisches Publikum. Wir verkaufen beide Shows zusammen, weil es spannend ist, den Vergleich und den Kontrast zu haben.

 

Haben Sie während der Konzerte Gelegenheit, sich das Publikum anzuschauen?

Glover: Man kriegt schon mit, wer da ist. Bei uns ist das schon seit Jahren ein Mix aus allen Altersgruppen. Ich habe den Eindruck, es kommen immer mehr Teenager und Twenty-Some-things. Viele Leute bringen nun auch ihre Kids mit. Speziell in Europa wird das Publikum immer jünger, je älter wir selbst werden.

 

Weil alle früher oder später entdecken, dass Deep Purple nichts Weichgespültes liefern und noch echte Rockmusiker sind?

Glover: Danke, darauf legen wir natürlich Wert. Ich denke, dass es gerade bei den jungen Leuten eine Sehnsucht nach echter, handgemachter Rockmusik gibt. Die 60er und 70er Jahre waren eine fantastische Ära für die Musik und für die Kunst insgesamt, es gab einen wahnsinnigen Boom, einen Auftrieb, alles war möglich. Heute klingt vieles sehr einförmig und wie von Maschinen komponiert, das Musikbusiness kennt kein Risiko mehr. Viele Menschen lässt das Überproduzierte kalt, sie entdecken so die guten, alten Zeiten neu.

 

Was würden Sie machen, wenn Sie heute als Teenager einer Band spielen wollten?

Glover: Du bist ein Produkt deiner Zeit. Womöglich würde ich auch erst mal versuchen, berühmt zu werden, mich durchzusetzen, kommerziellen Erfolg zu haben. Das ist ja die Währung heute. Witzigerweise war ich vor Deep Purple in einer anderen Band, wir waren noch sehr jung und hatten es uns in den Kopf gesetzt, die Nummer eins zu werden. Wir kriegten, logisch, rein gar nichts gebacken. In Deep Purple ging es dagegen immer nur und von Anfang an um die Musik. Dass wir ein paar echte Klassiker schrieben, war eher ein glücklicher Zufall.

 

Rock’n’Roll war in den 60er Jahren noch unerforschtes Terrain?

Glover: Oh ja, es war die goldene Ära der Rockmusik. Wir waren dabei und dachten: „Okay, machen wir ein paar Jahre mit und sehen dann weiter.“ Viele Jahrzehnte sind seitdem gekommen und gegangen, und ich mache den Job immer noch. Es ist, als hätte man den Jackpot gewonnen, in einer solchen Band zu sein.

 

Vergangenes Jahr erreichte Ihr Album „So What!“ Rang Eins in Deutschland. Ist ein neues Album in Planung?

Glover: Ja. Wir schreiben schon an neuen Songs und wollen im Frühjahr wieder ins Studio gehen.