Alles andere als neu und innovativ

25.04.2019 | Stand 02.12.2020, 14:07 Uhr

Zu "Von wegen abgehoben" und der Vorstellung einer Flugtaxi-Drohne am Rathausplatz: Am 11. März dieses Jahres Eas Es wurde mit einem großen Aufgebot an Politprominenz der Ingolstädter Bevölkerung ein flugunfähiges Mockup eines sogenannten Flugtaxis präsentiert.

Mit kindlich naiver Euphorie verkündeten der Verkehrsminister und die Digitalministerin den Beginn der neuen Zukunft: "Das Flugtaxi als die Innovation des Jahrtausends", mit dem alle Verkehrsprobleme beseitigt werden können.

Dummerweise ist die hier gezeigte Art des Fliegens aber schon fast 100 Jahre alt und alles andere als neu und innovativ und hat sich nie wirklich bewährt. Der Franzose Étienne Edmond OEhmichen (* 15. Oktober 1884 in Châlons-sur-Marne; ? 10. Juli 1955 in Paris) entwickelte in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eben genau so ein Fluggerät mit vier Luftschrauben. Am 11. November 1922 erfolgte der Erstflug seines OEhmichen Nr. 2. Dieses Fluggerät war voll funktionsfähig und man kann es mit Recht als den ersten bemannten Senkrechtstarter oder auch Quadrocopter bezeichnen. Angetrieben wurde der OEhmichen Nr. 2 mit einem Neun-Zylinder-Sternmotor vom Typ Moteurs "Le Rhone" mit 180 PS.

Etwa 30 Jahre später erfolgte durch die U. S. Army eine Ausschreibung im Rahmen der "Flying-Jeep-Competition" zur Entwicklung eines leichten Luftfahrzeugs, das eine Nutzlast von 450 Kilo in einer Flughöhe von 5 bis 12 Fuß (etwa 1,5 bis 3,5 Meter) bewegen kann.

1957 wurde der Flugzeughersteller Curtiss-Wright damit beauftragt, zwei entsprechende Prototypen zu entwickeln und herzustellen. Curtiss-Wright besann sich auf das System von OEhmichen. Im Jahr 1958 wurden die beiden Prototypen an die U. S. Army ausgeliefert. Die Fluggeräte bestanden im Wesentlichen aus einem viereckigen Rohrrahmen, an dessen Ecken jeweils ein Verstellpropeller installiert war. Mittig auf dem Rahmen saß ein Kastenrumpf, der Cockpit, Tank und Antrieb aufnahm. Angetrieben wurde das Luftfahrzeug durch eine französische Turboméca Artouste Wellenturbine.

Da die beiden Prototypen nicht die Forderungen des Militärs erfüllten, wurde das Projekt wieder eingestampft, und die Geräte wurden Mitte der sechziger Jahre an den Hersteller zurückgegeben. Das Quadro- oder Multicopter-Prinzip ist also durchaus als ein uralter Hut anzusehen, welches sich im praktischen Flugbetrieb niemals bewährt hat, da die Manövrierfähigkeit eines solchen Systems äußerst eingeschränkt ist.

Aus dem OEhmichen Nr. 2 entwickelte sich dann im Laufe der folgenden Jahrzehnte der moderne Helikopter, der aufgrund seiner völlig anderen Steuerung durch den Rotor im Flug wesentlich agiler reagieren kann als ein Quadrocopter.

Die heutige Forschung an einem manntragenden Quadrocopter bringt sicherlich neue Erkenntnisse in Bezug auf elektrische Antriebssysteme für ein Luftfahrzeug. Einen Flugverkehr mit autonom fliegenden Flugtaxis wird es in einem absehbaren Zeitraum jedoch nicht geben, da die Hürden für eine Zulassung zum Luftverkehr derzeit unüberwindbar sind, auch wenn ein Verkehrsminister großspurig erklärt, die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen zu wollen. Solche Reglements liegen nicht in der nationalen Zuständigkeit.

Es wird in einigen Monaten mit Sicherheit Flugversuche geben und man wird viele Erkenntnisse daraus gewinnen. Es wird aber keine "Flugtaxis" geben, die durch die Straßen der Städte flitzen. Es ist und bleibt ein Forschungsprojekt und eine Machbarkeitsstudie.

Rudolf Werner, Ingolstadt