"Alleine schaffst du es nie"

30.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:32 Uhr

Die Kontaktstelle der Anonymen Alkoholiker befindet sich in der Sebastianstraße 7b. Dort ist jeder willkommen, der auf seinen Weg aus der Sucht Freunde und Freundinnen braucht. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Alkohol ist die Volksdroge Nummer Eins. Um auf die Gefahren hinzuweisen, veranstalten die Anonymen Alkoholiker ab diesem Samstag eine Aktionswoche.

Früher ist Jürgen Abend für Abend in der Wirtschaft gesessen und hat sich volllaufen lassen. "Ich war ein stadtbekannter Säufer. Ich hab’ nicht heimlich getrunken, sondern unheimlich – viel", erzählt der 64-jährige. Der trockene Alkoholiker hat eine trockene Art, von seinem früheren Leben zu erzählen – das Leben, bevor er zu den Anonymen Alkoholikern (AA) kam.

Heute sitzt Jürgen oft abends bei einer Tasse Kaffee in der Kontaktstelle der AA in der Sebastianstraße 7b und wartet, ob sich jemand meldet, der Hilfe braucht. "Meistens rufen nur Frauen an, weil ihre Männer saufen", erklärt Jürgen. "Aber da halten wir uns raus und verweisen an die Angehörigen-Gruppen. Von denen steht auch jeden Tag einer zur Verfügung als Ansprechpartner."

Täglich ist die Kontaktstelle von 19 bis 21 Uhr besetzt, auch an Sonn- und Feiertagen. Aber auch an diesem Abend steht das Telefon still. Um die Anonymen Alkoholiker ist es überhaupt ziemlich still geworden. "Wir haben ein Problem", stellt Jürgen fest, "ein demografisches Problem." Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit gibt es zwar heute wie damals. Doch die AA, die älteste und wohl schlagkräftigste Selbsthilfegruppe der Welt, sind nicht mehr so gefragt wie einst.

Jürgen hat dafür eine Erklärung: "Früher waren die meisten so um die 40, als sie zu uns kamen. Doch die jetzt in dem Alter sind, die machen nichts mehr selber gegen ihre Sucht. Die gehen in Therapie und sagen: Macht mal. Aber so kann das nicht funktionieren. Bei uns muss jeder selbst wollen." Und dann zitiert er einen Spruch, von denen die AA viele auf Lager haben: "Du schaffst es nur allein, aber alleine schaffst du es nie." Dazu hat man Freunde und Freundinnen. So nennen sich die AA untereinander.

In Ingolstadt gibt es übers Stadtgebiet verteilt acht Gruppen. "Eine ist schon eingegangen, ausgerechnet die erste", sagt Jürgen. "Früher kamen zu den Gruppen jeweils 15 bis 20 Freunde, jetzt sind es vielleicht fünf bis sieben." In der Mehrzahl Männer, Frauen wie Angela sind die Ausnahme. "Wir trinken heimlich – anders als die Männer", sagt die 60-Jährige, die mit Jürgen an diesem Abend die Kontaktstelle betreut. Sie meint, sie sei da so reingeschlittert in den Alkoholismus. Und sie schwört auf die AA. "Das ist es."

Um wieder mehr Zulauf zu gewinnen, wollen sich die Anonymen Alkoholiker jetzt vorstellen: Von diesem Samstag bis Sonntag, 8. November, findet eine Aktionswoche statt. Dann ist die Ingolstädter Kontaktstelle sogar täglich von 15 bis 21 Uhr besetzt und unter der Telefonnummer (08 41) 3 53 43 zu erreichen. Außerdem werden in ganz Ingolstadt Flugblätter verteilt und Plakate hängen: "Wenn du trinken willst, ist das deine Sache. Aufhören ist unsere gemeinsame!"