KOMMENTARE
Alle Chancen nutzen

Von Christian Fahn

22.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:08 Uhr

"Schuster, bleib bei deinen Leisten.

" Die gesellschaftliche Essenz dieses Satzes bestimmt auch im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts immer noch die Berufswahl der Jugendlichen. Das ist die bittere Erkenntnis der jüngsten OECD-Studie zur Berufswahl. Danach ist die soziale Herkunft noch immer wichtiger für den Berufswunsch wie die tatsächlichen schulischen Leistungen.

Mit anderen Worten: Auch wenn ein Kind aus "benachteiligten Verhältnissen" die gleichen Noten bringt wie der Nachwuchs aus "privilegierten Verhältnissen", wird es häufiger nach einem einfacheren Beruf streben. Offenbar ist unsere Gesellschaft längst nicht so weit, wie wir gerne glauben. Ganz abgesehen davon zeigt die Studie, dass wir den größten Rohstoff, den Deutschland besitzt, nicht richtig ausschöpfen: die Fähigkeiten der Menschen. ,

Und noch etwas offenbart die Untersuchung: Auch wenn die Jugend heute in einer Welt mit allen digitalen Möglichkeiten aufwächst, beim Berufswunsch ist sie überraschend konservativ. Die meisten streben überraschenderweise eher traditionelle Berufe an. Besonders dramatisch: Knapp 40 Prozent dieser Berufe könnten in den nächsten zehn bis 15 Jahren durch die Automatisierung wegfallen.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist deshalb der Blick über den Schulalltag hinaus in die Berufswelt - das also, was die Schulen in den vergangenen Jahren mit Praktikumswochen bereits eingeführt haben. Dennoch wäre eine Ausweitung und Intensivierung dringend nötig. Die größere Aufgabe aber haben die Eltern: Sie dürfen keine Angst haben, ihrem Kind den Weg zu Berufen zu ebnen, die jenseits ihrer eigenen Möglichkeiten lagen.