Gelbelsee
Afrikanische Savanne am Mittelpunkt Bayerns

Besuch auf der "Straußenfarm Zimmermann" in Gelbelsee

31.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:50 Uhr
Exotisches Federvieh im Herzen Bayerns: Am Ortsrand von Gelbelsee im Landkreis Eichstätt werden Strauße gehalten. Der Schnee macht ihnen überhaupt nichts aus, sie schlafe auch im Freien. Ihren trockenen Unterstand nutzen sie bloß als Fressplatz. −Foto: Auer/Anspach/Deck/dpa

Die "Straußenfarm Zimmermann" in Gelbelsee hat sich auf die professionelle Haltung der Laufvögel spezialisiert und vermarktet das Fleisch direkt. Sie ist die einzige weit und breit. Der studierte Elektroingenieur Erich Zimmermann hat sich damit einen Traum erfüllt.

Schuld sind eigentlich die Angusrinder: diese schwarzen, sanften Riesen mit den großen, treuherzigen Augen. Gutmütige Tiere, die in Freilandhaltung auf der Wiese stehen, bis eines Tages ihr letztes Stündlein schlägt. Erich Zimmermann (53) aus dem Dorf Gelbelsee bei Denkendorf (Landkreis Eichstätt) hat lange eine Herde von Angusrindern gehalten. Und weil Zimmermann ein Mann mit Prinzipien ist ("die müssen ein gutes Leben haben und einen schnellen Tod"), hat er die Tiere auch persönlich getötet und geschlachtet. Doch der Landwirt ist ein sensibler Mensch, und irgendwann packte er es nervlich kaum noch, den zahmen Tieren Gewalt anzutun. Als er zuletzt schon Tage vor dem Schlachttag nicht mehr richtig schlafen konnte, stellte er die Angus-Haltung ein. Jetzt hält er Strauße. Auf der "Straußenfarm Zimmermann", ganz dicht am geografischen Mittelpunkt Bayerns.

Bei den Straußen, diesen riesigen afrikanischen Laufvögeln, stellt sich das Problem mit der Sympathie, vorsichtig formuliert, etwas weniger. Ihr Gehirn ist gerade mal so groß wie eine Haselnuss, tiefschürfendes Nachdenken ist also ihre Sache eher nicht. Was dafür umso besser funktioniert, sind ihre Instinkte. Die sind so tief eingeprägt, dass der Strauß quasi reflexartig durchs Leben geht: doof, aber wehrhaft. Ohne Zweifel ist auch das ein Erfolgsmodell der Evolution. Beim Blick auf die im ausgewachsenen Zustand bis zu 2,40 Meter großen Tiere mit ihren gewaltigen Beinen mit der Doppelzehe samt einer acht Zentimeter langen Klaue denkt man unwillkürlich an die Velociraptoren aus dem Film "Jurassic Park". Zimmermann sagt: "Spätestens wenn man die Füße anschaut, sieht man, dass es eine alte Rasse ist." Es sind die Erben der Dinosaurier.

Zimmermann holt sich seine Straußküken bei einem Züchter in der Oberpfalz - noch am Tag, an dem sie geschlüpft sind; immer fünf auf einmal, ausschließlich weibliche Tiere. Dann päppelt er sie in Gelbelsee auf. Bis sie halbwüchsig sind, sind sie zahm und zutraulich - aber sobald sie ausgewachsen sind, legt irgendetwas in ihrem kleinen Hirn den Schalter um. "Etwa ab zehn Monaten vergessen sie komplett, dass man sie aufgezogen hat", sagt Zimmermann. Und weil sie dann dazu übergehen, ihr Revier zu verteidigen, können sie richtig gefährlich werden. Die Gefahr kommt weniger vom Schnabel, sondern von den mächtigen Beinen, die sie bis auf 1,60 Meter Höhe heben können. Wenn sie dann von oben herab zum Hieb ausholen, ist das sogar für einen Löwen in der Savanne lebensgefährlich. Aus gutem Grund hat ihr Gehege einen Doppelzaun. "Man darf sie nicht aus den Augen lassen", sagt Zimmermann. Und weil sie ihren Herrn und Meister tatsächlich nicht mehr kennen, tut sich der ganz am Ende, nach etwa 15 Monaten Mast, mit dem Töten (per Elektrozange) und Schlachten viel leichter als einst bei den Rindern, von denen jedes seinen eigenen Namen hatte. "Man darf den Tieren keinen Namen geben", hat Zimmermann gelernt.

Seit 2011 hält Erich Zimmermann Strauße (zudem hat er auch noch eine große Damhirsch-Herde), und er ist damit in Bayern ein richtiger Exot. Nur knapp 50 Straußenhalter gibt es es hierzulande. Vorreiter ist der Hof der Familie Engelhardt im schwäbischen Leipheim. Hier hat auch Erich Zimmermann sich die Sache einst angesehen. Es gefiel ihm, und zum Abschluss kaufte er im Hofladen Straußenfleisch. Das wurde noch am selben Abend daheim von der ganzen Familie verköstigt, von Ehefrau Beate, den heute erwachsenen drei Kindern, Oma und Opa. "Und dann haben wir gesagt: Das ist es!"

Der Geschmack von Straußenfleisch habe "nichts mit Geflügel zu tun", meint Zimmermann. Er verortet ihn "zwischen einem Freilandrind und Wild". Bei einem Lebendgewicht von mindestens 100 Kilogramm bringt ein schlachtreifer Strauß um die 30 Kilo Fleisch in Form von Filet, Braten und vor allem Steaks. Zimmermann verkauft das Fleisch "auf Zuruf" in seinem kleinen Hofladen, bis zu 20 Strauße im Jahr. Tendenz steigend. "Der Sohn möchte erhöhen." Das ist nicht selbstverständlich, denn die Straußenmast ist ein knifflinges Geschäft. Viele Anfänger haben da schon entnervt das Handtuch geworfen. "Da ist Ausdauer nötig", sagt Zimmermann. Vor allem das Zerlegen des geschlachteten Tieres sei viel mühsamer als etwa bei Rindern. Und: "Man muss viel investieren, und man muss sich auch mit der Vermarktung auskennen."

Bei Zimmermann ist das kein Problem. Seinen Hofladen samt Kundschaft hat er schon seit Ewigkeiten. Die "alten" Kunden, die zuvor das Rind- oder Hirschfleisch gekauft hatten, ließen sich schnell für Strauß begeistern. Außerdem melden sich viele Menschen, die nach einem Afrika-Urlaub auf den Geschmack gekommen sind.

Apropos Afrika: Was tut ein afrikanisches Savannentier in unmittelbarer Nähe zum geografischen Mittelpunkt Bayerns, wo gerade tiefer Winter ist? Die große, umzäunte Weide mit Blick auf den Gelbelsseer Wasser- und den Fernsehturm, in Sichtweite zum Rastplatz Gelbelsee der A9, ist in diesen Tagen schneebedeckt. Ist das wirklich artgerecht? Den Straußen ist die weiße Pracht ganz offensichtlich egal. Wie Zimmermann schildert, schlafen sie auch jetzt jede Nacht im Freien, immer schön kuschelig in der Gruppe, die langen Hälse weit von sich auf den Schnee gestreckt. Dabei könnten sie jederzeit in die große trockene, mit Streu ausgelegte Rundbogenhalle wechseln, die Zimmermann aufgebaut hat. Doch dort tummeln sie sich nur, wenn es ums Fressen geht. Selbst im Schneegestöber bleiben sie lieber im Freien. "Das tut ihnen nichts. Mit unserem Wetter hat der Strauß überhaupt kein Problem." Umgekehrt, man mag es kaum glauben, vertragen Strauße große Hitze nicht besonders gut. Vor allem die Küken und Jungtiere kommen bei heißen Temperaturen böse in Stress, aber auch die Alten fangen da zu hecheln an - und da ist dann plötzlich der schattige Offenstall gefragt.

Egal, welches Wetter: Das wichtigste ist, dass die Strauße viel Auslauf haben. Und das ist in ihrem Fall wörtlich gemeint, denn Strauße sind Laufvögel, die es im Sprint auf 70 km/h bringen. Deswegen brauchen sie auf jeden Fall eine "Langstrecke" als Rennbahn. Die Tiere lieben es, einfach zum Spaß einen schnurgeraden Spurt hinzulegen - der endet dann jeweils mit einem theatralischen Tanz auf der Stelle unter allerhand Flügelgespreize.

Viel Platz ist also das A und O, und deswegen gibt es wenig, was Straußenhalter mehr fürchten, als wenn irgendwo in Europa die Geflügelpest ausbricht und folglich alles, was gefiedert ist, in abgeschlossenen Ställen bleiben muss. Strauße verkraften das gar nicht gut, erzählt Zimmermann. Er hat da 2013 keine guten Erfahrungen gemacht, obwohl er damals immerhin eine Halle mit 40 Metern länge aufbieten konnte.

Und so plant er neuerdings eine extra-lange Halle mit ebenso extragroßen Vordach, das mit einer dichten Netzkonstruktion verschleiert ist. Falls den deutschen Geflügelhaltern wieder einmal die Vogelgrippe droht, könnte sich dann nicht einmal der frechste Spatz den Straußen nähern - und der Auslauf wäre trotzdem sichergestellt.

Die Tüftelei kommt nicht von ungefähr. Erich Zimmermann auf seinem kleinen Bauernhof, Hausname "Pfeifmo", ist Elektroingenieur und hat nach dem Studium lange bei Continental in der Entwicklung gearbeitet. Knapp 30 Jahre lang machte er das, bewirtschaftete nebenher aber auch seinen kleinen Hof, weil ihm das einfach Freude machte. Die Arbeitszeit im Büro fuhr der Bauernsohn bewusst immer weiter herunter, bis er vor eineinhalb Jahren ganz aufhörte. Es ist eine selbstbestimmte Biografie: "Wenn man's kann, dann sollte man sich schon überlegen, was im Leben wichtig ist." Und man sollte wohl auch immer offen für Neues sein: Beate Zimmermann hat die familiäre Menagerie erst im vergangenen Mai um zwei neue Mitglieder erweitert: die Trampeltiere Frieda und Lotte. Einfach so, zum Spaß. Aber ein Gewerbe hat sie für den Fall der Fälle doch angemeldet, denn sie hat da einen kleinen touristischen Traum: Kamelreiten im Altmühltal.
 

Knapp 50 Straussenhalter in ganz Bayern

In ganz Bayern gibt es derzeit knapp 50 Straußenhalter – verteilt auf alle Regierungsbezirke. Das ergibt sich aus einer Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Rosi Steinberger, auf die die Staatsregierung Ende November antworte. Dabei gibt es Halter, die nur einige wenige Strauße haben, in einem Fall sogar nur einen, den Spitzenrang hält die „Straußenfarm Donaumoos“ in Leipheim im Landkreis Günzburg mit damals 853 Tieren. Nur 25 der bayerischen Halter, also die Hälfte, hat mehr als zehn Tiere. Für die Fleischgewinnung werden in Bayern (Stand November 2018) etwas mehr als 1630 Strauße gehalten. Die Stall- und Freifläche pro Tier ist gesetzlich bundesweit einheitlich vorgeschrieben. Sie ist für Strauße ab dem 13. Lebensmonat auf mindestens acht Quadratmeter Stall pro Tier festgelegt, die Mindestgröße eines Geheges beträgt 1000 Quadratmeter, ab dem vierten Tier müssen für jeden der Laufvögel weitere 200 Quadratmeter hinzukommen. Bei den teils sehr häufigen Kontrollen durch die Veterinärämter der Landkreises wurden seit 2015 insgesamt elf tierschutzrechtliche Verstöße festgestellt. Darunter waren nur zwei, bei denen die Halter größere Fehler gemacht hatten, wie sich aus der Stellungnahme der Staatsregierung ergibt.

Richard Auer