Aderlass für die Kirchen

Kommentar

21.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

Sie kommen nicht mehr alle, die sie mühselig und beladen sind, um sich zu erquicken. Die Einladung Jesu, das Angebot der Hilfe aus dem Matthäus-Evangelium nehmen immer weniger Menschen in Deutschland an. Der Exodus der Kirchenmitglieder geht weiter.

Die beiden großen christlichen Kirchen verlieren rasant an Mitgliedern. Auch wenn die Zahl der Austritte geringer ist als im Vorjahr, sind es immer noch Hunderttausende, die 2016 ihre Gemeinde verlassen haben, deutlich mehr als eintreten.

Die Lage wird immer dramatischer. Daran gibt es nichts schönzureden. Die Führung der Katholiken und Protestanten dürfen nicht länger die Augen verschließen, sondern müssen handeln. Natürlich ist es ein Hoffnungsschimmer, dass es 2016 weniger Austritte und mehr Taufen gegeben hat, als im Jahr zuvor. Doch die demografische Entwicklung und der gesellschaftliche Wandel sorgen dafür, dass der Aderlass weitergeht, immer mehr Kirchenbänke leer bleiben, Gotteshäuser geschlossen werden.

Ob die schweren Fälle von Missbrauch, oft über Jahrzehnte, Gewalt und Übergriffe gegen hilflose Schützlinge, und die Verharmlosung und Relativierung solcher Verbrechen, ob Protzbauten und Abgehobenheit oder Reformunfähigkeit und -unwilligkeit - es ist kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen abwenden. Da wird auch an alten Dogmen, überkommenen Traditionen eisern festgehalten. Da öffnet sich die Kirche zu wenig, reagiert nicht auf den gesellschaftlichen Wandel und hat es mit Reformen alles andere als eilig. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Im Lutherjahr jedenfalls ist von Katholiken und Protestanten eine Chance verpasst worden, bei der Ökumene einen großen Schritt aufeinander zuzugehen. Wer sich als Christ allerdings wegen der Kirchensteuer verabschiedet, sollte sich genau prüfen, wie fest sein Glaube wirklich ist. Sicher stellt sich auch die Frage, ob steigende Einnahmen bei rückläufiger Mitgliederzahl wirklich angemessen sind und das Geld immer sinnvoll und angemessen eingesetzt wird. Doch ohne die Abgaben bleibt auch die Hilfe und Wohlfahrt für die, die mühselig und beladen sind, auf der Strecke.