Ingolstadt
Abschied von der Wursttheke

Nach fast 45 Jahren gibt die Metzgerei Wagner den Betrieb auf – damit setzt sich ein Negativtrend fort

28.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Ausgeräumt und aufgeräumt: Gerlinde und Franz Wagner haben ihre Fleischerei an der Bahnhofskreuzung geschlossen. Viele Kunden haben sich mit Blumensträußen oder einer Flasche Sekt verabschiedet - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Wieder ist eine alteingesessene Metzgerei in Ingolstadt verschwunden: Franz und Gerlinde Wagner haben im Süden der Stadt nach fast 45 Jahren die Ladentür für immer geschlossen. Damit setzt sich ein Negativtrend fort.

Immer mehr kleine Metzgereien sind unrentabel und machen dicht. Die warme Leberkässemmel für den Hunger zwischendurch gibt es mittlerweile auch beim Bäcker. Und wer im Sommer auf dem Grill Steaks und Würstchen brutzeln will, der versorgt sich häufig beim Discounter, wo Fleisch portionsgerecht abgepackt im Kühlregal bereitliegt. Für viele frühere Kunden fällt er damit aus: der Gang zum Metzger um die Ecke. Schlange stehen für ein Kilo Gehacktes und zwei Schnitzel, was erfahrungsgemäß auch noch teurer ist als das Abgepackte? Die Zeit wollen sich heute viele lieber sparen.

Ähnliche Erfahrungen machte auch das Ehepaar Wagner. Über vier Jahrzehnte lang führte es seine Metzgerei Am Pulverl, unweit des belebten Bahnhofviertels. Anfang August jedoch fiel zum letzten Mal der Fleischerhammer. Seitdem ist der Betrieb geschlossen.

Ans Aufhören hatten die Wagners zuletzt öfter gedacht. Immerhin sind beide längst in einem Alter, in dem andere den Ruhestand genießen. Vielleicht beschäftigte sie der Gedanke an den Abschied aber auch deshalb, weil sie mit ansehen mussten, wie in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe an Ingolstädter Metzgereien den Betrieb aufgegeben hat. Die Wagners gehören nun auch zu den Namen, die nur mehr in der Erinnerung der Schanzer oder als Schild über dem einstigen Ladenlokal leben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind dies: Meixner (Donaustraße), Listl (Kanalstraße), Forster (Ludwigstraße), Liebold & Bauer (Kupferstraße), Raffalt (Milchstraße), Kloiber (Sauerstraße), Brucklacher (Richard-Strauss-Straße), Wolfrum (Münchener Straße), Schiegl beziehungsweise Rabl (Sandrartstraße), Meyer (Samberger Straße), Seitle (Münchener Straße/Unsernherrn) oder auch Santl (Schultheißstraße/Friedrichshofen).

„Mein Mann hat sich gesträubt ohne Ende“, sagt Gerlinde Wagner. Genutzt hat es letztlich nichts. „Es ist jetzt so gekommen und damit muss man fertigwerden“, so Franz Wagner. Damit meint der Metzgermeister vor allen Dingen die vermehrte Ansiedlung von Supermärkten und Lebensmittel-Discountern im Süden der Stadt. „Das haben wir gespürt“, räumt er unumwunden ein. „Es sind weniger Kunden gekommen“, ergänzt seine Frau. Daneben beklagt Gerlinde Wagner die stetig gestiegenen Energiekosten: „Das war wirklich enorm.“

Ob sie denn auch Versäumnisse bei sich selbst sehen? „Den Mittagstisch haben wir verschlafen“, geben beide unisono zu. Ein Trend also, den andere Fleischereien gerne aufgenommen haben.

Zunehmende bürokratische Auflagen stellten eine weitere Hürde dar. „Wir hätten noch umrichten müssen“, sagt Franz Wagner. Probleme mit der Kontrolle habe es aber nie gegeben, betont er. Angestellte waren von der Schließung nicht betroffen. Außer einer Aushilfe haben sich die Wagners keine mehr leisten können, sagen sie. „Sonst hätten wir draufgezahlt.“ Auch die Suche nach einem geeigneten Nachfolger – die beiden Kinder gehen anderen Berufen nach – brachte nichts. „Wir hätten aber auch noch ein paar Jahre weitergemacht“, beteuert Gerlinde Wagner.

Eine Ausnahme mit ihrer Entscheidung werden die Wagners wohl nicht bleiben, wie Gerhard Halbauer, stellvertretender Obermeister der Metzgerinnung Ingolstadt, prognostiziert. „Für Metzgereifachbetriebe werden die Zeiten immer schwieriger. Es werden mit Sicherheit noch weniger werden“, sagt er und führt als Grund steigende Kosten für Energie und bestehendes Personal sowie den akuten Nachwuchsmangel an. So sei es für kleinere Betriebe schwer im Wettbewerb mit den großen Discountern zu bestehen. An den Umsätzen liege dies allerdings nicht, betont er. Die seien nach wie vor gut. „Denn viele Kunden wollen beim Fleisch Metzgerqualität und nicht Discounterqualität“, weiß er. Nur könne man die steigenden Unkosten gar nicht in dem Maße auf die Preise aufschlagen, wie es nötig wäre, erklärt Halbauer.

Beim Fleischerverband Bayern hat man indes für das Metzgersterben – in Bayern gibt es derzeit noch 3741 Metzgereien (1995 waren es noch über 5000) – und die Schließung anderer Betriebe aus dem Lebensmittelhandwerk gerade für Ingolstadt vor allem einen Grund ausgemacht: „Das Beispiel Ingolstadt habe durch eine verfehlte Ansiedlungspolitik die Folgen für den innerstädtischen Handel bereits deutlich gemacht“, heißt es in einer Erklärung auf der Internetseite des Verbands, in der sich dieser kritisch mit der Schaffung neuer Gewerbegebiete auseinandersetzt. „Die Ersten, die von einer solchen Entwicklung betroffen sind, sind Betriebe des Lebensmittelhandwerks“, machte Landesinnungsmeister Georg Schlagbauer darin weiter deutlich. Aber auch die angekündigte Schließung von zwei Schlachthöfen in Bayern beklagt der Verband auf seiner Seite. Auch dies würde die Existenz der bayerischen Metzger bedrohen.