Eichstätt
Abschied mit großem Bedauern

09.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:58 Uhr
Objektleiter Tobias Geyer stand und steht immer im engen persönlichen Kontakt mit den Bewohnern, wie hier beim orthodoxen Osterfest 2015. −Foto: Archivfoto: Eva Chloupek

Eichstätt (EK) Über 2770 Geflüchtete hat die Erstaufnahmeeinrichtung Maria-Ward in Eichstätt seit Oktober 2014 beherbergt. Sie gilt als beispielhaft. Ab 31. Juli wird sie geschlossen. Bewohner und Mitarbeiter bereiten sich auf den Auszug vor.

Knapp drei Jahre lang herrschte in der ehemaligen Realschule Maria-Ward am Eichstätter Residenzplatz ein reges und streckenweise turbulentes Kommen und Gehen. In der Hochphase der Flüchtlingsankünfte 2015 war nicht nur das Haus selbst mit seinen knapp 300 Schlafplätzen voll belegt. Das Büro von Objektleiter Tobias Geyer war außerdem Dreh- und Angelpunkt für die enge Zusammenarbeit mit allen beteiligten Stellen bei Koordination und Logistik der Notunterkünfte an der Berufsschule und in Gaimersheim.

Die Eichstätter Erstaufnahmeeinrichtung – eine Dependance der Münchner „Bayernkaserne“ – gilt als landesweit mustergültige Flüchtlingsunterbringung. Und das liegt maßgeblich am besonderen Konzept der Objektbetreuer von „Jonas Better Place“. Die Fachfirma wurde von der Regierung von Oberbayern eben nicht nur mit der Sicherheit und „Bewachung“ der Flüchtlinge in der Unterkunft beauftragt, sondern hat zudem eine stark ausgeprägte sozialpädagogische Ausrichtung, sie profitiert auch von der Vielfalt der insgesamt 43 Herkunftsländer ihrer rund 300 Mitarbeiter, die Sprache und Kultur der Geflüchteten kennen.

Insgesamt betreut die Firma in Bayern 35 Einrichtungen. „Eichstätt war jetzt aber schon wirklich einmalig“, sagt Geschäftsführer Stefan Näther und zieht angesichts der bevorstehenden Schließung eine sehr positive Bilanz: Das große ehrenamtliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die Flüchtlinge, die hervorragende Lage der ehemaligen Schule mitten in der Stadt und die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Ämtern und Stellen, „das war hier schon sehr außergewöhnlich“, sagt Näther. Er bedauert es deshalb auf Anfrage unserer Zeitung „wirklich sehr“, dass diese zentrale und wichtige Flüchtlingsunterkunft nun ab August nicht mehr zur Verfügung steht. „So etwas wird man in Bayern so schnell wohl nicht mehr finden.“ Das Bistum Eichstätt hatte die ehemalige Schule ja bekanntlich für eine befristete Zeit als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung gestellt. Und diese Zeit endet eben nun. Wie bereits berichtet hat die Universität starkes Interesse daran, den Schulkomplex zu mieten und ihre Raumnot so zu lindern.

Dem Eichstätter Objektleiter von „Jonas Better Place“, Tobias Geyer (43), wird durchaus wehmütig ums Herz, wenn er an den nahenden Auszug denkt: „Ich möchte hier wirklich keine Minute missen.“

Dabei waren und sind es auch äußerst bewegende und belastende Zeiten, denn in den Ankünften in Eichstätt spiegelten sich die globalen Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre wider: Zuerst kamen überwiegend syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, dann viele Menschen aus dem Balkan, dann Geflüchtete aus Afghanistan und Pakistan, und jetzt sind es überwiegend Afrikaner, konkreter Nigerianer, die in Maria-Ward eine vorübergehende Bleibe gefunden haben. Und angesichts der Menge an Leuten und der Sorgen, Schicksalsschlägen und Traumata, die diese Menschen mit sich tragen, ist Geyer froh sagen zu können, dass es hier in der Einrichtung bemerkenswert wenig Probleme gegeben habe; er lobt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die gute und besonnene Arbeit der Eichstätter Polizei.

Neuaufnahmen gibt es ab jetzt keine mehr, aktuell wohnen 84 Menschen hier. Neun davon sind sogenannte Fehlbeleger, darunter eine Familie aus Somalia, die noch erfolglos auf Wohnungssuche ist. Die große Mehrheit der aktuellen Bewohner sind Nigerianer, die Hälfte von ihnen müsste wohl nach ihrem Dublin-III-Verfahren Deutschland in Richtung Italien wieder verlassen. Die anderen werden in andere Unterkünfte umquartiert. Wohin? Die Regierung von Oberbayern versichert auf Anfrage unserer Zeitung: „Auch nach Schließung der Dependance verfügt die Aufnahmeeinrichtung Oberbayern aktuell über genügend Kapazität zur Unterbringung der Asylsuchenden.“ Wohin genau die Bewohner verlegt werden, steht noch nicht fest. Auch die Mitarbeiter von „Jonas Better Place“ werden an andere Standorte versetzt, Tobias Geyer zum Beispiel übernimmt die Objektleitung in Osterhofen. Vorher müssen sie aber noch den aufwendigen Rückbau organisieren – und sie planen noch ein Abschiedsfest.