Abschied in Lansing - Weil nix mehr is, wia's war

31.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:26 Uhr
Als liebenswürdiger, etwas unkonventioneller Pfarrer Simon Brandl war Ferdinand Schmidt-Modrow seit 2017 in der BR-Serie "Dahoam is Dahoam" in vielen Lebenslagen zu sehen. −Foto: Nadya Jakobs, Marco Orlando Pichler/BR

Es ist über zwei Wochen her, dass man ihn zuletzt sah. Den Pfarrer mit den roten Schuhen. Doch nun haben auch die Lansinger Abschied genommen von ihrem Simon Brandl - traurig und liebevoll. Mitte Januar ist Schauspieler Ferdinand Schmidt-Modrow gestorben und mit der Folge "Nix mehr is, wia's war" treffen die Verantwortlichen in "Dahoam is Dahoam" den richtigen Ton. Eine Hommage an einen Publikumsliebling, ein Abschied von einem Stern.

 

Die roten Schuhe hat er nicht mitgenommen. Dabei war er doch nie ohne sie unterwegs. Wie kann das sein? Wohin kann er so plötzlich gegangen sein, ohne sich zu verabschieden und ohne seine Schuhe? Das ist nicht leicht zu begreifen - auch nicht für seine Freunde in Lansing, dem Dorf in der Serie "Dahoam is Dahoam". Doch fest steht: Pfarrer Simon Brandl ist fort, unterwegs, auf einer Reise, an einen anderen Ort - und seine roten Schuhe, die sind einfach neben der Couch stehen geblieben. Wieso sollte es den liebenswürdigen Serienfiguren besser gehen, die ihren Pfarrer so schmerzlich vermissen, als den Menschen, die um Schauspieler Ferdinand Schmidt-Modrow trauern? "I hätt eam scho gern Servs g'sagt", sagt Simons bester Freund Flori in der Serie. Doch manchmal bleibt dafür keine Zeit.

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Der Abschied ist schwer und dieser war es gleich ein zweites Mal: "Nix mehr is, wia's war", heißt die letzte Folge von "Dahoam is Dahoam", in der Schmidt-Modrow am Dienstag im Bayerischen Fernsehen zu sehen war. Ein Kloß-im-Hals-Teil aus Lansing, der zurückblickt auf drei Jahre Pfarrer Brandl, auf heitere und nachdenkliche Momente, Krisen und Umbrüche, Liebe und Freundschaft und natürlich auf die roten Schuhe. Tief ergreifend und bittersüß.

In der Wohnung, die sich der Pfarrer mit seiner Schwester Sarah und seinem besten Freund Flori teilt, liegen noch seine Boxhandschuhe, seine Klamotten, seine Bücher. "I glaub, er hat nix mitgnomma", stellt Sarah fest. "Er hat g'sagt, er muss geh' und es wär an der Zeit." Auf eine Reise. Aber wohin? Die Frage stellt sich mancher Lansinger, doch beantwortet wird sie mit Schweigen, mit leiser Musik, mit einem Blick in die Wolken. Und sein Onkel Gerstl, gespielt von Gerd Lohmeyer, sagt: "Es passt zum Simon, dass er dahin geht, wo er mehr gebraucht wird."

"In dieser besonderen Episode haben wir uns über die realistische Erzählweise unserer Serie hinweggesetzt", sagt "Dahoam is Dahoam"-Redakteurin Daniela Boehm. "Wir hoffen, dass alle Zuschauer, die Ferdinand Schmidt-Modrow kannten und liebten, mit dieser Variante den bestmöglichen Frieden finden." Der Tod des Waidhofeners war für alle - auch beim BR - ein unfassbarer Schicksalsschlag. "Darum wollten wir keinesfalls unsere wirkliche Trauer als Spielmaterial benutzen und Tod und Bestattung von Pfarrer Brandl inszenieren", so Boehm. Familie, Team und Zuschauer sollten den Verlust nicht noch ein weiteres Mal schmerzhaft durchleben müssen. Schmidt-Modrows Eltern hatten das Drehbuch vorab bekommen. "Es war ihnen wichtig, dass wir damit einverstanden sind", erzählt Thomas Schmidt-Modrow. Und das sind er und seine Frau Rosi. "Es ist angemessen und würdevoll, sie haben sich etwas überlegt, was stimmig ist."

Natürlich stellt sich die verwaiste Lansinger Kirchengemeinde neben all der Trauer auch die Frage: "Wer hält dann morgen d'Mess?" Doch da hat Pfarrer Brandl noch vorgesorgt und für eine Überraschung sei er schließlich immer gut gewesen, wie die Bürger des Serienortes wissen. Und sie sollen Recht behalten: "Die Wege des Herrn sind unergründlich", sagt ein bekanntes Gesicht und bittet die Gläubigen zum Glockengeläut in die Kirche. Es ist der ehemalige Lansinger Pfarrer Vinzenz Kurz.

"Unser lieber Hans Stadlbauer hat recht schnell zugesagt, uns und der Serie in dieser traurigen Phase zu helfen. Es tut einfach gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen und ich hoffe, die Zuschauer empfinden das genauso", erklärt die Redakteurin diesen Schritt. Seit Donnerstag ist die Folge bereits in der BR-Mediathek zu sehen - "und uns hat viel positives Feedback erreicht". Etwas, das gut tut in solchen Zeiten, denn für das ganze Team war es schwer, wie Daniela Boehm weiß: "Für jeden Lansinger war es eine sehr belastende Situation, nicht nur am Set. Angefangen von den Autoren, die diese Geschichte geschrieben und bearbeitet haben, über die Schauspieler, die sie umsetzen mussten, bis hin zu der Bearbeitung der Kondolenzpost."

Die Folge ist dabei mehr als ein Abschied, sie nimmt den Zuschauer mit zurück in die vergangenen drei Jahre - zurück zum Seniorenausflug ins Casino, zur Kälbchengeburt, zu Pfarrer Brandls erstem Gottesdienst in Lansing und natürlich zum Kuss mit Josy. "Da verlieb' ich mich mal so richtig - und dann muss das ausgerechnet a katholischer Pfarrer sei." Und ein ganz besonderer noch dazu, das steht außer Frage. "Er mochte die Rolle von Anbeginn und hat sie sofort mit Freude und Leidenschaft gefüllt", erzählt Daniela Boehm. Selbstverständlich mache sich ein Schauspieler auch ein bisschen die Rolle zu eigen, besonders, wenn man fast täglich dreht. "Ferdi hat sich gut vorbereitet, war authentisch und hat die Rolle um viele Facetten erweitert. Er war einfach ein großes, schauspielerisches Talent." In solchen Serien würden Figuren kommen und gehen - "aber natürlich bleibt in diesem ganz besonderen Fall eine riesige emotionale Lücke." Es werde schwer, einen neuen Pfarrer zu etablieren - "nach so einer Ideal-Besetzung".

Die Ehre, das Bild von Pfarrer Brandl im Brunnerwirt aufzuhängen, gebührt schließlich der Seniorchefin, gespielt von Ursula Erber. Sie zitiert dabei Hermann Hesse: "Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein." Dann wendet sie sich direkt an die Zuschauer, draußen am Bildschirm, denn sie weiß: "Eana fehlt er doch a." Das lange Online-Kondolenzbuch des BR gibt ihr mehr als Recht. "Ferdinand fehlt uns jeden Tag", sagt auch Daniela Boehm. Doch da ist noch etwas: "Jeden Tag lächelt er uns zu, denn es hängen viele Bilder und Erinnerungen von ihm in Lansing. Wir müssen nun diese Lücke akzeptieren und zurücklächeln."

Am Ende der Folge stehen sie draußen auf der Straße: Pfarrer Brandls Onkel, seine Schwester, seine Josy und sein bester Freund. Und es geht noch einmal um die zurückgebliebenen roten Schuhe. "I glaub, der Simon braucht die ganzen Sachen gar ned, i glaub, der is a so glücklich." Und am Himmel funkelt ein Stern - eine Anspielung auf die letzte Theaterrolle von Ferdinand Schmidt-Modrow als Kleiner Prinz, der da sagt: "Wenn du in der Nacht den Himmel betrachtest, weil ich auf einem von ihnen wohne, dann wird es für dich so sein, als ob alle Sterne lachten, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein hast Sterne, die lachen können!"

Isabel Ammer