Eichstätt
500 Unterschriften für Dozentin

Biologiedidaktik-Leiterin Helga Rolletschek muss gehen Studierende wollen sie behalten

09.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr

Es geht ihnen um gute Lehre: Deswegen haben Carolin Birkl (links) und Julian Raab zusammen mit einer weiteren Kommilitonin 500 Unterschriften gesammelt. Sie wollen ihre Biologiedidaktik-Dozentin Helga Rolletschek behalten. Rolletschek muss Eichstätt verlassen, weil ihr befristeter Vertrag ausläuft und die Stelle nun mit jemand anderem besetzt werden soll. - Foto: Poese

Eichstätt (EK) Für sie selbst ist es nicht nachvollziehbar, für die Studierenden auch nicht: Helga Rolletschek hat keinen weiteren Vertrag an der Katholischen Universität (KU) bekommen, obwohl sie sich mit Zusatzprojekten im Fach Biologiedidaktik für die Hochschule engagiert und gute Lehre angeboten hat.

Aus Sicht derjenigen, die bei Helga Rolletschek Seminare belegt haben, kann es nicht an der Fachkompetenz liegen, dass Rolletschek nicht weiterbeschäftigt wird. Die Dozentin hat vor ihrer Tätigkeit an der KU Grundschullehramt mit Hauptfach Biologie studiert und als Lehrerin gearbeitet, in Didaktik der Biologie promoviert und war seit 2001 als Seminarrektorin in München für die Ausbildung von Referendaren zuständig. Sie kenne sich also aus mit den Fragen, die werdende Lehrer beschäftigen, sagt Carolin Birkl, die sich stellvertretend für alle Studenten in einem Brief an die Präsidentin der KU, Gabriele Gien, gewandt hat.

Warum Rolletschek außerdem eine sehr gute Didaktikerin sei, also den Studierenden viele praktische Tipps mitgeben könne, wie sich Biologie vermitteln lässt, hat Birkl in dem Schreiben ebenfalls aufgelistet. Dort heißt es, die Lehre sei "didaktisch sehr gut aufbereitet" gewesen. Ein hoher Praxisanteil ergebe sich, weil Rolletschek viele Kooperationen ins Leben gerufen habe. Einige dieser Projekte seien die Initiative "Eichstätt summt!", der Bienenschöpfungsweg, die Module "Praktische Beispiele für nachhaltige Entwicklung" mit Urban Gardening und Imkerei, der Runde Tisch Umweltbildung im Naturpark Altmühltal, ein Engagement im MINTmacher-Netzwerk und das Schnaps-Brennrecht für die KU. Darüber hinaus sei die Zusammenarbeit zwischen Studenten und Dozentin sehr gut. Birkl stellt gegenüber unserer Zeitung aber klar: "Es geht nicht um nett sein, sondern wir wollen eine anständige Ausbildung." Und: "Wir verstehen nicht, wie sich die Uni von so jemandem trennen kann."

Dass Rolletschek nicht weiterbeschäftigt wird, ist rechtlich völlig in Ordnung: Ihr Vertrag war befristet, er läuft jetzt aus. Einige stören sich aber dennoch daran. Denn es ist wohl erst Rolletscheks Einsatz zu verdanken, dass nun eine unbefristete Stelle für eine "Lehrkraft für besondere Aufgaben in Didaktik der Biologie" geschaffen wurde. Als Rolletschek vor vier Jahren an die KU kam, sollte ihre befristete Stelle nach Ablauf des Vertrags eigentlich eingestampft werden. Nun wird die Stelle stattdessen verstetigt: Denn die Studentenzahlen sind erheblich gestiegen - sie liegen jetzt etwa zwischen 30 und 60, wie der Dekan der Mathematisch-Geographischen Fakultät, Michael Bech, bestätigt.

Wie unsere Zeitung erfahren hat, hielten deswegen viele die öffentliche Ausschreibung der unbefristeten Stelle für eine reine Formsache und waren der Ansicht, dass Rolletschek wegen ihres Engagements in den vergangenen Jahren die am besten geeignete Kandidatin sein würde. Doch nun hat sie vor Kurzem die Nachricht bekommen, dass das zuständige Gremium der Fakultät einen anderen Bewerber bevorzugt.

Das ärgert Helga Rolletschek. Es gehe dabei nicht um ihre Existenz, betont sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie wird im September in ihren alten Job als Seminarrektorin in München zurückkehren. Obwohl die Stelle an der Universität weniger lukrativ sei, würde sie jederzeit wieder in der Biologiedidaktik einsteigen, sagt sie: "Ich bin jemand, der für die Sache kämpft." Besonders viel Unverständnis empfindet sie, weil an der KU das Gerücht gehe, dass die präferierte Bewerberin oder der präferierte Bewerber forschungsstärker sei. Warum das für eine reine Didaktikstelle wichtig sei, könne sie nicht verstehen, sagt Rolletschek. Zumal sie gerade selbst an ihrer Habilitation gearbeitet hat - in ihrer Freizeit, denn Forschung war in ihrem Job nicht vorgesehen. Stattdessen hat sie sich als Leiterin der Biologiedidaktik dafür eingesetzt, die Uni nach außen hin zu öffnen. Das sei ganz im Sinne der Präsidentin, meint Rolletschek. Gabriele Gien habe in einer Rede davon gesprochen, dass die sogenannte "Third Mission" - die gesellschaftlich relevante Funktion der Hochschule jenseits von Forschung und Lehre - nun an erster Stelle stehen solle.

Den 500 Unterschriften für Rolletschek will der Dekan der Fakultät, Michael Becht, nicht so viel Bedeutung beimessen, sagt er auf Nachfrage. "Das ist ein Solidarisierungseffekt." Weil offenbar viele unterschrieben haben, die gar nicht im Fach Biologiedidaktik studieren, stellt er "die Frage, mit welcher Kompetenz diese Studierenden die Sachlage beurteilen können". Dass der Fall viele stört, kann Becht nicht verstehen: "Das ist ein ganz normaler Besetzungsvorgang an der Universität." Wichtig sei, dass man sich bemühe, die beste Person für eine Stelle zu finden. Zum laufenden Verfahren will der Dekan keine Auskünfte geben. Er will auch nicht darüber sprechen, ob er mit Rolletschek zufrieden gewesen ist. Das Gerücht eines forschungsstärkeren Kandidaten will er nicht bestätigen, sagt aber, dass sich das mit der Ausschreibung der Stelle decke, weil dort von der "fachlichen Kompetenz" die Rede sei. Die Zusatzmodule Imkern und Urban Gardening soll es weiterhin geben. "Auch die Fakultät hat ein Interesse, dass diese Dinge nicht sterben", sagt Becht. Präsidentin Gabriele Gien war persönlich nicht zu erreichen. Stellvertretend für Gien teilt Uni-Pressesprecher Constantin Schulte Strathaus mit: "Frau Rolletschek ist an der KU eine sehr geschätzte Kollegin, die nicht nur über ihr Fach hinaus gewirkt hat, sondern zu einer weiteren regionalen Vernetzung der Universität beigetragen hat. Die fachliche Entscheidung für die Besetzung dieser Stelle liegt jedoch bei der Fakultät."